Nachdem wir die Alte Bibliothek und die Sankt-Hedwigs-Kathedrale am Bebelplatz anschauten, wenden wir uns dem dritten Gebäude, der Humboldt-Universität, auf dem historischen Forum Fridericianum zu.
Unser Buskompass-Autor berichtet über einen Hohenzollernprinzen, ein berühmtes Brüderpaar, ein scharfes „Rasiermesser“ und von Bäumen im Ehrenhof des Prinz-Heinrich-Palais.
Gegenüber der am Linden-Boulevard 7 von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff im Friderizianischen Rokoko erbauten Königlichen Oper, der heutigen Staatsoper in Berlin, und der Alten Bibliothek, der „Kommode“, öffnet sich der weite Ehrenhof der aus drei Flügeln bestehenden Humboldt-Universität, das ehemalige Prinz-Heinrich-Palais, und begrenzt das einstige „Forum Fridericianum“, den Bebelplatz, nach Norden. Wobei der östliche Seitenflügel der barocken Stadtresidenz des Prinzen Heinrich von Preußen genau auf die vis-à-vis gelegene Deutsche Staatsoper bezogen ist.
Prinz Heinrich von Preußen – der jüngere Bruder Friedrichs des Großen
Der am 18. Januar 1726 in Berlin geborene Prinz Heinrich war das dreizehnte und vorletzte Kind des strengen Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. Gleichermaßen wie seine drei Brüder erhielt der hochtalentierte Hohenzollernspross eine militärische Erziehung. Nachdem sein ältester Bruder Friedrich im Jahre 1740 als Friedrich II. gekrönt worden war, wurde er Kommandeur des nach ihm benannten Füsilier-Regiments Prinz Heinrich von Preußen. Als Auszeichnung für seine militärischen Leistungen im zweiten Schlesischen Krieg bekam er von seinem königlichen Bruder das am märkischen Grienericksee gelegene Schloss Rheinsberg geschenkt. In den folgenden Jahren lebte Prinz Heinrich in den Sommermonaten im idyllischen Rheinsberg und im Winter in Berlin. In Berlin hat der König seinem jüngeren Bruder eine repräsentative Stadtresidenz am prächtigen Linden-Boulevard 6 erbauen lassen, deren endgültige Fertigstellung sich aber aufgrund permanent steigender Baukosten verzögerte. Obwohl Friedrich der Große Prinz Heinrich wohl gesonnen war, kam es zwischen ihnen oft zu Auseinandersetzungen. Nach dem Ende des Siebenjährigen Kriegs beschäftigten Prinz Heinrich diplomatische Missionen. In seinen Ruhezeiten kultivierte er ein philosophisch und künstlerisch anspruchsvolles Hofleben. Ebenso wie sein Bruder Friedrich fühlte Heinrich sich zur französischen Literatur und Kultur hingezogen. Nach dem Regierungsantritt seines Neffen Friedrich Wilhelm II. spielte der alternde Prinz von Preußen keine große politische Rolle mehr. Im Jahre 1802 starb er in seiner geliebten Rheinsberger Sommerresidenz.
Vom Stadtpalais des Prinzen Heinrich über die Friedrich-Wilhelm-Universität zur heutigen Humboldt-Universität zu Berlin
Als Prinz Heinrich 1802 verstorben war, wurde das leerstehende Gebäude im Jahre 1809 an die neu gegründete Alma Mater Berolinensis, die damalige Friedrich-Wilhelm-Universität übergeben.
Im Herbst des folgenden Jahres begannen die ersten Lehrveranstaltungen im früheren Wohn- beziehungsweise Hauptgebäude, dem Corps des Logis, der Universität. Nach dem legendären Berliner Brüderpaar Wilhelm und Alexander von Humboldt wurde sie erst nach dem Zweiten Weltkrieg benannt.
Die Architektur des Prinz-Heinrich-Palais
Die Stadtresidenz des Prinzen Heinrich ist ein barockes dreigeschossiges Palais, das von dem holländischen Baumeister Jan Boumann möglicherweise unter Zuhilfenahme eines älteren Entwurfs von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff und persönlichen Ideenskizzen von Friedrich dem Großen errichtet wurde. Am vorgezogenen Mittelteil des Haupttraktes, dem Corps des Logis, befinden sich sechs korinthische Kolossalsäulen, wobei zwischen den beiden mittelsten ein schmiedeeiserner Balkon angebracht wurde. Auf dem mit einer Attika versehenen Haupttrakt stehen sechs allegorische Figuren, die vom ehemaligen Potsdamer Stadtschloss stammten.
Der Ehrenhof des Palais, zwei Denkmäler für die Brüder Humboldt und zwei imposante Bäume
Am Eingangsportal des von einem schönen Hofgitter begrenzten Ehrenhofs stehen zwei Wachhäuschen mit bekrönten Puttengruppen. Beiderseits des am Linden-Boulevard befindlichen Portals befinden sich die beiden Marmordenkmäler des gelehrten Brüderpaars Wilhelm und Alexander von Humboldt. Sie wurden von den Bildhauern Paul Otto und Reinhold Begas angefertigt und im Jahre 1883 zusammen aufgestellt. Meister Begas ist den regelmäßigen Lesern des Buskompass-Magazins vertraut, weil er den vor dem Roten Rathaus sprudelnden neobarocken Neptunbrunnen angefertigt hat, der als sein kolossales Meisterwerk gilt.
Das Marmordenkmal linker Hand stellt den ein schweres Buch als Attribut haltenden Sprachforscher Wilhelm von Humboldt auf einem antikisierenden Thron sitzend dar. Die Sockelreliefs zeigen allegorische Abbildungen der Archäologie, der Rechtswissenschaft und der Philosophie.
Das rechte von Reinhold Begas geschaffene Denkmal zeigt den großen Naturforscher und abenteuerlustigen Weltreisenden Alexander von Humboldt, dessen Attribute eine exotische Pflanze und ein Globus sind. Am Sockelrelief des jüngeren der aus Tegel stammenden Humboldt-Brüder sind allegorische Darstellungen zu den Naturwissenschaften zu sehen. Außerdem erhebt sich im Ehrenhof der von Alexander von Humboldt persönlich angepflanzte Ginkgobaum hinter den dichten Zweigen einer mächtigen Edelkastanie.
Das Marmordenkmal für den Juristen und Althistoriker Theodor Mommsen
Im Ehrenhof der Universität links neben der Edelkastanie steht ein drittes Marmordenkmal, das den Juristen und Althistoriker Theodor Mommsen verkörpert. Der Blick des Betrachters wird völlig auf den barhäuptigen Kopf des Gelehrten gerichtet. Mommsens Denkmal verzichtete im Gegensatz zu den Brüdern Humboldt auf jegliche aussagekräftige Attribute, die über seine wissenschaftliche Disziplin nähere Rückschlüsse erlauben.
Da der prominente Althistoriker in Anlehnung an die beiden Humboldtbrüder ebenfalls sitzend dargestellt wurde, dürfte die Aufstellung seines Denkmals ebenfalls von Anfang an im Ehrenhof des Palais vorgesehen gewesen sein.
Professor Mommsens außergewöhnliche Vita
Theodor Mommsen kam am 30. November 1817 als ältester Sohn in einer Pastorenfamilie zur Welt. Im Jahre 1838 begann er an der im 17. Jahrhundert gegründeten Christian-Albrechts-Universität zu Kiel sein Jura-Studium, das er mit einer Promotion über das römische Recht abschloss. Während einer Studienreise entdeckte Doktor Mommsen in der Ewigen Stadt, in Rom, seine große Leidenschaft für altertumswissenschaftliche Forschungen, die das Fundament für seine spätere Herausgabe des „Corpus Inscriptionum Latinarum“, einer Sammlung sämtlicher Inschriften im Imperium Romanum, bildete. Infolgedessen begann er in den kommenden Jahren seine zweibändige „Römische Geschichte“ niederzuschreiben. Wenngleich Mommsen bei der Interpretation der antiken Quellen immer penibel blieb, formulierte er die historischen Fakten in einer fesselnden und stilsicheren Sprache wie ein geübter Schriftsteller für sein treues Lesepublikum. Aus diesem Grund war sein allgemein verständliches Werk bei dem historisch interessierten Bildungsbürgertum ein außerordentlicher Erfolg vergönnt. Es verwundert folglich niemanden, dass Mommsens „Römische Geschichte“ nicht nur in acht Sprachen übersetzt wurde, sondern auch die Begeisterung für die Alte Geschichte in weiten Kreisen beflügelte. 1858 gelang ihm der Sprung an die Preußische Akademie der Wissenschaften nach Berlin. Drei Jahre später erhielt er an der damaligen Friedrich-Wilhelms-Universität eine Professur für römische Alterskunde. Allerdings war Mommsen bei seinen kritischen Studenten nur mäßig beliebt. Widerspruch duldete er kaum, den er mit wüster Polemik zurückwies. Deshalb titulierten ihn seine scharfzüngigen Hochschüler mit dem wenig schmeichelhaften Spitznamen „Rasiermesser“.
Mommsen – einflussreichster Historiker des 19. Jahrhunderts und Literaturnobelpreisträger 1902
Trotz charakterlicher Unzulänglichkeiten gilt Theodor Mommsen als einflussreichster Historiker des 19. Jahrhunderts, der durch sein jahrzehntelanges unermüdliches Arbeitspensum weit über 1.500 wissenschaftliche Studien, längere Abhandlungen und kurze Miszellen verfasste. Seine „Römische Geschichte“, für die er völlig zurecht im Jahre 1902 als erster Deutscher und bis heute als einziger Historiker überhaupt den begehrten Literaturnobelpreis verliehen bekam, zählt bis in unsere Tage zu den lesenswerten Meisterwerken der klassischen Geschichtsschreibung.
Hinweis
Humboldt-Universität zu Berlin – formals Prinz-Heinrich-Palais
Unter den Linden 6, 10117 Berlin-Mitte
Anfahrt: Buslinien 100, 300 & N5. Haltestelle: Staatsoper
Der direkt am Linden-Boulevard gelegene Ehrenhof des Prinz-Heinrich-Palais, der heutigen Humboldt-Universität, ist barrierefrei. In den Sommermonaten stellen dort Antiquare ihre Buchstände auf. Ebenso können die Edelkastanie und der Ginkgobaum links neben dem Haupteingang zu jeder Jahreszeit bewundert werden.
Lesenswert
Gandert, Klaus-Dietrich: Vom Prinzenpalais zur Humboldt-Universität. Berlin 2004
Graf von Krockow, Christian: Die preußischen Brüder. Prinz Heinrich und Friedrich der Große. Ein Doppelporträt. München 2002
Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. 2 Bände. München 2001