Baden in Eselsmilch? Kühe melken? Schafe streicheln?
Das alles können Sie leider nicht im gefliesten Neorenaissance-Ladengeschäft in der Dresdener Äußeren Neustadt.
Aber wir versprechen, dass Sie die prächtige Innenausstattung zum Staunen bringen wird und dass Sie auch als Feinschmecker auf Ihre Kosten kommen werden!
Es ist ein wahrlich langer Weg von 1879 bis in die Gegenwart. Mit seiner Frau, seinen Kindern und einem halben Dutzend Kühen, die man später beim Melken durch ein Schaufenster beobachten konnte, zog der ursprünglich in Dresden geborene Paul Pfund (1849-1923) vom Land zurück in seine Heimatstadt an der Elbe. Zusammen mit seinem schon 1883 verstorbenen Bruder Friedrich Pfund gründete er die Dresdener Molkerei Gebrüder Pfund. 1891 entstand schließlich der spektakuläre Bau, den wir heute bei unserer Tour mit dem Reisebus besuchen und in dem wir uns jetzt befinden. Er liegt an der Bautzner Straße, an der Grenze von Innerer zu Äußerer Neustadt; unweit der Elbe und etwa 750 m von der berühmten Waldschlösschenbrücke entfernt. Wegen ihrer Errichtung und Eröffnung im Jahr 2013 verlor die Stadt Dresden ihren Weltkulturerbetitel.
Der Glanz von Pfunds Molkerei
Internationale Berühmtheit erlangt die Pfunds Molkerei allerdings nicht wegen ihres Gründerzeitstils, sondern aufgrund ihres Interieurs. Der gesamte Laden und Verkaufsbereich sind über und über mit handbemalten Fliesen der Firma Villeroy & Bosch bemalt. Die Wände, aber auch die Decken, Böden und Tresen zieren Putten, Kühe, Landschaften, Schmetterlinge, Wappen und allerlei Gerätschaften aus dem Betrieb von Molkerei und Verkauf. Wir entdecken Drachen, Katzen, verschlungene Ornamente und florale Motive. Die Künstler der beauftragten Firma haben ganze Arbeit geleistet und dank der überstandenen Bombennächte von 1945 können wir seit der Eröffnung des Ladens im Jahr 1892 bis heute die außergewöhnliche Handwerkskunst bestaunen. Seit nunmehr 130 Jahren also.
Die Geschichte von Villeroy & Boch
Seit 1836 existiert das Unternehmen von Jean-Francois Boch und Nicolas Villeroy bereits. Im Saarland bauten sie 1843 ihr erstes Werk, die Cristallerie. Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelten sie Bodenfliesen mit eingelegten Mustern und die 17×17 cm großen Grundplatten mit ihren reichen Verzierungen und aufeinander bezogenen Bemalungen wurden zum Markenzeichen der urbanen Bauten und vornehmen Häuser zu Zeiten der Industrialisierung. Fliesen waren nämlich nicht nur besonders hygienisch, sondern auch in ihrer Ästhetik der Beginn einer neuen Epoche. Auch wenn man natürlich ergänzen muss, dass bereits die Römer sozusagen eine Keramikindustrie entwickelt hatten. Das Wort Keramik stammt sogar aus dem altgriechischen und bedeutet Ton (Keramos). In Athen gibt es einen Stadtteil mit dem Namen Kerameikos; dort lagen früher die Töpferwerkstätten. Wandfliesen, in Ägypten und Persien entstandene Traditionen, sind unaufhaltsam mit der arabisch-islamischen Kultur und den Mauren nach Spanien und Portugal geschwappt. Ohne eine Alhambra in Granada gäbe es sicher auch keinen reich verzierten Milchladen im Osten Sachsens. Qualität setzt sich eben durch. Dies gilt wohl auch für Villeroy & Boch, die seit 1990 an der Börse gehandelt werden und in den letzten Jahren bei einem Umsatz von weit über einer halben Milliarde Euro jährlich einen Gewinn von etwa 50 Millionen Euro abwerfen.
Das reichhaltige Angebot in der Pfunds Molkerei
Nachdem wir uns nun ausführlich mit dem Inneren der Pfunds Molkerei und mit der Geschichte der Fliese befasst haben, gilt es nun, die Augen nicht vor den angebotenen Waren zu verschließen. In einem Milchladen gibt es schließlich Milchprodukte. Die Wiener Milchausstellung von 1872 (solche tollen Veranstaltungen gab es tatsächlich schon im 19. Jahrhundert) lag gerade einmal 20 Jahre zurück, als die Pfunds Molkerei durchstartete. Sie steigerte sich von Anfangs 150 l Milch pro Tag zu einer Verarbeitung von täglich 60.000 l Milch im Jahr 1930. Daraus wurden Butter, Joghurts, Molken und auch Käse hergestellt. Nachdem die Meierei (so der nord- und ostdeutsche Begriff für Molkerei) 1972 in der DDR enteignet und 1979 ein Produktionsstop verfügt worden war, ist es schön zu sehen, dass heute wieder über hundert verschiedene Käsesorten in der Pfunds Molkerei angeboten werden. Es gibt Produkte aus Kuhmilch, Schafsmilch und Ziegenmilch. Pecorinos, Roqueforts, Camemberts, Blauschimmelkäse, Allgäuer, Gryer und vieles mehr warten darauf, von den Besuchern entdeckt, verpackt und mitgenommen zu werden. Und Besucher gibt es viele. Mehrere 10.000 Touristen schauen jedes Jahr in der Pfunds Molkerei vorbei. Die Dresdener Touristenbusse machen hier ebenso halt, wie vielleicht auch wir mit unserem Reisebus.
Von Milchbars und Milchersatzprodukten
Im Zuge der Prohibition in den 30er Jahren in den USA entstanden die ersten Milchbars. Zeitverzögert in Ost- und Westdeutschland dann vor allem in den 50er und 60er Jahren. Überhaupt lag die Milch (in erster Linie Kuhmilch) damals voll im Trend. Es gab berühmt gewordene Werbekampagnen wie Milch macht müde Männer munter und Die Milch macht´s!. Heute ist der Blick auf die Milch sehr viel kritischer geworden; teils aus Klimaschutzgründen und zu Gunsten des Tierwohls, teils aufgrund von Unverträglichkeiten. Tatsächlich gehören die Mittel- und Nordeuropäer zu den wenigen Gruppen auf der Welt, die vergleichsweise wenig Probleme mit der Aufnahme und Verdauung von Milchprodukten haben. Laktoseintoleranz ist weltweit extrem verbreitet und hat deutliche gesundheitliche Auswirkungen (Durchfall, Krämpfe, Übelkeit, Erbrechen). Für derart Betroffene hat sich ein eigener Industriemarkt entwickelt. Milchersatzprodukte sind auch bei uns im Kommen. Es gibt Hafermilch, Dinkelmilch, Reismilch, Kokosmilch, Mandelmilch und Sojamilch. Auch lactosefreie Milch kann eine sinnvolle Alternative sein. Dabei werden Milchproteine schon vor der Verdauung gespalten, was die Milch besser verträglich und nebenbei süßer macht.
Erinnerungen an die Pfunds Molkerei
Haben Sie schon mal wie Kleopatra in Eselsmilch gebadet? Wenn nicht, dann sollten Sie das unbedingt einmal ausprobieren. Jedenfalls werden im Laden neben der Pfunds Molkerei Milchseifen angeboten. Das ist doch schon mal ein Anfang und der erste Hauch von Luxus. Überhaupt gibt es so einige schöne Souvenirs wie Senf, Weine, Keramikfliesen und Kaffeebohnen. Stöbern Sie herum oder erwerben Sie zumindest eine der Postkarten als Erinnerung an diesen tollen Ausflug. Wir verabschieden Sie aus dem Laden, in dem Milch und Honig fließen!
Hinweise
- Dresdner Molkerei Gebrüder Pfund GmbH
Bautzner Str. 79, 01099 Dresden
Telefon: 0351/ 80 80 80
E-Mail: info@pfunds.de
- Für Gruppenvorträge zur Geschichte der Pfunds Molkerei (mit oder ohne Käseverköstigung) können Sie auch die Inhaberin des Restaurants Sylke Hampel kontaktieren / Tel.: 0351/8105948 / E-Mail: info@restaurant-pfunds.de
- Gebührenpflichtige Parkplätze für den Reisebus finden Sie jeweils drei barrierefreie Fußminuten entfernt in der Bautzner Str. 61 bzw. in der Prießnitzstr. 2
- In der Bautzener Straße gibt es ein paar Häuser weiter eine Dresdener Schokoladenmanufaktur, die unter der Woche von 11.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet hat. Das passt doch ganz wunderbar als Ergänzung zum schönsten Milchladen der Welt.
Lesenswert
- Pfunds Molkerei: Der schönste Milchladen der Welt ist 2020 im Husum Verlag erschienen und kostet 10€
- Wir empfehlen den Käse-Atlas von Tristan Sicard; erschienen 2019; 25€