Wer erinnert sich nicht an die Kleine Hufeisennase?
Die putzige Fledermaus entfachte vor Jahren einen Streit um den Bau der Waldschlösschenbrücke. An dessen Ende wurde der Stadt Dresden der Titel als Weltkulturerbe aberkannt.
Wir begeben uns auf Spurensuche!
Fast ein Jahrzehnt ist es nun her, dass das barocke Dresden, das Elbflorenz, der sächsische Sehnsuchtsort, seinen Weltkulturerbetitel aberkannt bekommen hat. Grund für uns, der Waldschlösschenbrücke einmal einen Besuch abzustatten, um nachzuschauen, ob sich die Wogen der Aufregung inzwischen geglättet haben. Ganze neun Brücken sind es, welche sich über die Elbe erstrecken und das vom Fluss so wunderbar durchschnittene Dresden zusammenhalten. Zumindest wenn man die Autobahnbrücke ganz im Westen, die Flügelwegbrücke (sie verbindet die Stadtteile Friedrichstadt und Übigau miteinander) und die unmittelbar parallel zur Marienbrücke verlaufende Eisenbahnbrücke mitzählt. Im Grunde sind die Marienbrücke, die Augustusbrücke, die Carolabrücke und die Albertbrücke die vier zentralen Brücken, welche die Seite der Dresdener Altstadt mit der nördlich gelegeneren Dresdener Neustadt verbinden. Bevor fünf Kilometer flussaufwärts das Blaue Wunder (so der berühmte Name der 1891 erbauten, stählernen und himmelblau gestrichenen Loschwitzer Brücke) Dresdens letzte Elbquerung markiert, liegt auf halbem Weg die Waldschlösschenbrücke.
Waldschlösschenbrücke oder Weltkulturerbe
Die Waldschlösschenbrücke wurde allerdings erst nach Jahren erbitterten Kampfes, Für und Wider, Zustimmung und Ablehnung, im August 2013 eröffnet. Vorangegangen waren Jahre mit Volksentscheiden (fast 70% der Dresdenerinnen und Dresdener sprachen sich im Jahr 2005 für einen Bau aus), Verzögerungen und die sogenannte Schmach von Sevilla. Als diese wird die entscheidende Sitzung der UNESCO zum Verbleib des erst 2004 verliehenen Weltkulturerbetitels bezeichnet; sie sollte am 25. Juni 2009 mit der Aberkennung des kulturhistorisch und auch touristisch wichtigen Image-Titels enden. Verliehen worden war Dresden der Weltkulturerbetitel wegen seiner Altstadtsilhouette, der malerisch dahinfließenden Elbe, den Weinbergen und Schlössern. Der Dresdener Barock mit der Frauenkirche, dem Zwinger und Residenzschloss hatte die Organisation der Vereinten Nationen überzeugt. Natürlich ist das Gesamtensemble des nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebauten Dresden noch immer erhalten, aber wichtig waren eben seit jeher auch die Perspektiven auf die Stadt. Zum einen gibt es den weltberühmten Canaletto-Blick. Vor 300 Jahren hat Bernado Bellotto vom nördlichen Elbufer auf einem unvergleichbaren Gemälde (was es allerdings in mehreren Variationen gibt) die Dresdener Altstadt eingefangen. Zum anderen gab es immer auch den Waldschlösschenblick. Benannt war letzterer nach der Blickachse vom um das Jahr 1800 herum errichteten Waldschlösschen, welches noch heute existiert und inzwischen eine Privatklinik beherbergt. Dieser Blick wurde verbaut, als 1838 die Waldschlösschen-Brauerei errichtet wurde. Fortan galt die grandiose Aussicht vom Freisitz der Brauerei auf die unbebauten Elbauen als Waldschlösschenblick. Als irgendwann auch der von Bäumen zugewachsen war, errichtete man 1939 einen steinernen kleinen Rundpavillon. Dieser ist das Ziel unseres heutigen kleinen Ausflugs!
Dresden am südlichen Elbufer
Da Sie wie wir mit dem Reisebus anreisen, empfehlen wir Ihnen einen Standort auf der südlichen Elbuferseite. Am Käthe-Kollwitz-Ufer gibt es reichlich Platz und so sollten Sie einen Parkplatz finden können. Das Ganze hat ohnehin den Vorteil, dass Sie nach Ankunft oder vor Abfahrt einen Spaziergang an den direkt angrenzenden Elbwiesen machen können. Ein etwa dreihundert Meter breiter Wiesenstreifen lädt zum Verweilen und Picknicken ein. Hier sieht man Hundebesitzer herumlaufen oder Leute, die sich im Sommer im Schatten einiger Bäume ans Elbufer setzen und dem Strom zuschauen, wie er unter den Brücken der Stadt hindurchfließt. Nahe des südlichen Brückenkopfes der Waldschlösschenbrücke gibt es übrigens die Pizzeria Fantina, bei der Sie sich eine Pizza mitnehmen oder sich von Dienstag bis Samstag von 11.30 Uhr bis 14.30 Uhr und von 18.00 Uhr bis 22.00 Uhr drinnen oder draußen hinsetzen können. Im Innern hat die Pizzeria, die samstags nur in den Abendstunden geöffnet und an Sonntagen geschlossen hat, 40 Sitzplätze. Auf der Terrasse an der Straße gibt es weitere 60 Sitzplätze. Besonders schön ist die Lage allerdings nicht, sie unterstreicht eher die Waldschlösschenbrückenatmosphäre.
Die Waldschlösschenbrücke und die Geschichte von der Kleinen Hufeisennase
Auf Wegen mit leichten Steigungen ist die Waldschlösschenbrücke problemlos barrierefrei begehbar. Neben Fahrrädern brausen hier überwiegend allerdings Autos über die fast 200 Millionen teure und 636 Meter lange Brücke. Nachts und nur im Sommer gibt es hier überraschender Weise eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h. Was es mit dieser etwas ungewöhnlichen Reglementierung wohl auf sich hat? Die Antwort wird Ihre Erinnerung wachrufen. Die Kleine Hufeisennase, eine heimische, vom Aussterben bedrohte Fledermausart, war der heimliche Star in dem jahrelangen Kampf um den Bau der Waldschlösschenbrücke und die mögliche (und dann ja auch erfolgte) Aberkennung des Weltkulturerbetitels. Sie wurde angeblich gesichtet und lebt in direkter Umgebung des Elbufers und der Brücke. Zu ihrem Schutz wurden Brückenbauarbeiten unterbrochen. Schützende Hecken, Bäume und Sträucher für den tieffliegenden nächtlichen Jäger wurden angelegt. In lauen Sommernächten bedarf die Kleine Hufeisennase also ausreichend Ruhe. Im Winter schläft sie Monate lang tief und fest. Da darf dann auch wieder über die Waldschlösschenbrücke gerast werden.
Naturdenkmal an der Waldschlösschenbrücke – die Sängereiche von Dresden
Wenn wir bei unserem Ausflug das nördliche Ufer der Elbe erreichen, gibt es noch eine zunächst vielleicht etwas unscheinbare Sehenswürdigkeit. Auf der Wiese östlich der Waldschlösschenbrücke steht in noch einiger Entfernung zum erhöht liegenden Pavillon an der Bautzner Straße ein Naturdenkmal. Eine prächtige Eiche blickt hier seit eh und je auf das Elbufer. Vor über 150 Jahren wurde sie als Sinnbild Deutscher Kraft, Ausdauer und Treue gepflanzt. So jedenfalls die Verlautbarung beim Deutschen Sängerbundfest, welches im Sommer 1865 in Dresden stattfand. Es handelt sich also bewusst um einen einzelnen Baum, um die Sängereiche des Sängerbundes. In Tradition deutscher Chöre stehend hätte man natürlich auch gleich eine ganze Gruppe von Eichen pflanzen können. Hätte sicher auch sehr schick ausgesehen hier am Dresdener Elbufer im Schatten der Waldschlösschenbrücke.
Hinweise
- Über die Waldschlösschenbrücke kann man natürlich auch mit einem Reisebus rollen. Wann sind spektakuläre Ausflugsziele schon mal so direkt erlebbar?
- Die Pizzeria Fantina in der Neubertstraße 31 in 01307 Dresden erreichen Sie telefonisch unter 0351-45690669
Lesenswert
2013 ist das Buch Die Waldschlößchenbrücke: Chronik eines Großprojektes von Peter Hilbert erschienen. Weiter gefasst ist das Buch Dresdener Brücken: Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Es stammt vom selben Autor und ist im Jahr 2014 erschienen.