Das Berliner Ensemble ist eines der berühmtesten Theater der Welt. Es genießt Weltruhm durch seine Geschichte und die Menschen, die dort arbeiten.
Direkt am Bahnhof Berlin-Friedrichstraße – dem ehemaligen Grenz- und Schnittpunkt der unüberwindbar scheinenden Systeme Ost- und West – Berliner Mauer genannt – befindet sich an der Spree gelegen das BERLINER ENSEMBLE. Neben der Weidendammer Brücke, die schon Wolf Biermann in seiner Ballade vom Preußischen Ikarus besang, liegt Berlins schönstes Theater. Allein die Lage ist einzigartig. Und Biermann sang: „Da wo die Friedrichstraße sacht, den Schritt über das Wasser macht, da hängt über der Spree, die Weidendammer Brücke, schön, kannst du da Preußens Adler sehn, wenn ich am Geländer steh…“ Aber nicht durch Wolf Biermann ist dieses Theater so berühmt geworden, sondern durch Bertolt Brecht und Helene Weigel, die das Haus – damals hieß es noch Theater am Schiffbauerdamm – von 1954 bis zu Brechts Tod 1959 leiteten. Noch ohne festes Quartier wurde das BERLINER ENSEMBLE bereits 1949 von den beiden Theaterkünstlern so benannt, der Name war Programm und besteht bis heute. Helene Weigel leitete das Haus bis zu ihrem Tod 1971. Mit dem Stück „Mutter Courage und ihre Kinder“ von Bertolt Brecht und der Musik von Paul Dessau begründete sich seit der ersten Gastspielreise nach Paris 1954 der Weltruhm dieses Theaters. Dieser hält bis heute an und ist legendär.
Das Theater am Schiffbauerdamm wurde 1892 vom Architekten Heinrich Seeling im Stil des Neobarock erbaut und mit „Iphigenie auf Tauris“ von Johann Wolfgang von Goethe eröffnet. Gerhard Hauptmanns „Die Weber“ erlebte hier 1893 seine Uraufführung. Der Stoff des sozialen Dramas, im damals neuen Stil des Naturalismus geschrieben, war brisant und revolutionär und wurde als zum Umsturz herausfordernd angesehen. Hauptmann hatte das Stück analog zu den Ereignissen der Schlesischen Weberaufstände von 1844 geschrieben und die sozialen Ungerechtigkeiten benannt. Daher durfte die Inszenierung wegen eines Aufführungsverbots nur in geschlossenen Vorstellungen am Sonntagnachmittag gezeigt werden.
Von 1903 bis 1906 war Max Reinhardt der Direktor des Hauses. Berühmt wird er 1905 mit der Inszenierung von Shakespeares Komödie „Ein Sommernachtstraum“. Zum ersten Mal in der Theatergeschichte wird eine Drehbühne als dramaturgisches Mittel eingesetzt. Überhaupt war diese Aufführung ein Wendepunkt in der Theatergeschichte. „Ein Publikum, das bis dahin nur gemalte Kulissen und Soffitten gesehen hatte, erlebte plötzlich einen plastischen Wald mit knorrigen Stämmen, einen Wald als Labyrinth der Liebe. Ein Moosteppich bedeckte den Bühnenboden, Elfen sahen in ihren wehenden Schleiergewändern aus wie Blumen, und Glasscheiben im Hintergrund spiegelten wie ein See…Junge Menschen wurden von jungen Menschen gespielt. All das war damals eine Sensation…“ Der Regisseur wurde nun zum Künstler.
1928 übernahm Ernst Josef Aufricht die Intendanz. Er eröffnete mit der Uraufführung von „Die Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht und Kurt Weill. Es wurde der größte Theatererfolg der Weimarer Republik. Mit dabei waren Schauspielerinnen wie Lotte Lenya und Carola Neher und andere Berühmtheiten. Aufrichts Intendanz endete 1931. Die Nationalsozialisten begannen Brechts Aufführungen vehement zu stören. Am 28. Februar 1933 – direkt einen Tag nach dem Reichstagsbrand – verließen Brecht und Weigel Berlin und flüchten ins Ausland. Prag, Wien, Zürich, Dänemark, Finnland und schließlich via Moskau und Wladiwostok nach Santa Monica in Kalifornien. Dies waren die Stationen ihres Exils. Glücklicherweise für uns Hiergebliebene, Nachgeborene hatten Brecht und Weigel den Mut nach Deutschland zurückzukehren – wer weiß, was sonst aus uns und auch ihnen geworden wäre.

Heute fasst das 1998 / 1999 komplett renovierte BERLINER ENSEMBLE 738 Plätze. Besonders prägend war die Theaterzeit von 1999 bis 2017 in der Direktion von Claus Peymann. Hier wurde erneut Theatergeschichte geschrieben und die großen Geschichten des Welttheaters und der kleinen Bühnen gezeigt. Bühnenbildner und Künstler wie Karl-Ernst Herrmann und Achim Freyer prägten das Haus nach innen und nach außen, auf der Bühne und in Programmheften, in zauberhaft gestalteten Monatsspielplänen und nicht zuletzt im Hof des Theaters, wo man an lauen Sommerabenden lange mit einem Glas Wein sitzen kann.
Klassiker wie Shakespeare, Büchner, Lessing, Schiller, Goethe, Kleist und Brecht aber auch Zeitgenossen wie Thomas Bernhard, Heiner Müller, Thomas Brasch, George Tabori, Peter Handke und junge Autoren wurden gespielt, durch Lesungen und Ausstellungen viel geehrt und dem Publikum bekannt gemacht. Nicht zu vergessen die spektakulären, bildstarken und poetischen Inszenierungen von Robert Wilson wie „Die Dreigroschenoper“, „Shakespeares Sonette“ oder „Peter Pan“ lockten immer wieder Publikum aus Deutschland und der ganzen Welt an. Die Berliner aus Ost und West liebten dieses Theater. Claus Peymann und seine Theatermannschaft mit dem berühmten Dramaturgen Hermann Beil an der Spitze verstanden es, die Stadt zu verbinden. Schauspieler und Regisseure aus Ost und West spielten hier zusammen. Gastspiele führten das BERLINER ENSEMBLE in die ganze Welt von Wien über Rumänien, den Iran, die Türkei, Indien, China, Japan, Brasilien bis Australien und zurück. Es lebe das Theater!
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Literatur
„Das schönste Theater Bertolt-Brecht-Platz Nr. 1. Berliner Ensemble 1999-2017“ Direktion Claus Peymann“ Hrsg.: Direktion Berliner Ensemble, Alexander Verlag Berlin 2017