Stuttgart, die baden-württembergische Landeshauptstadt zwischen Wein und Reben, hat ein besonderes Opernhaus. Es wurde in den fünfziger Jahren wegen seiner besonderen Musikalität und Möglichkeiten auch „Winter-Bayreuth“ genannt. Hier ziehen alle – von den Werkstätten, den Büros, den Kartenverkäufern bis zu den Musikern im Graben und den Sängern auf der Bühne – an einem Strang.
In der Nähe des Künstlereinganges der Staatstheater Stuttgart steht der Schicksalsbrunnen, der 1914 in Gedenken an die Sängerin Anna Sutter errichtet wurde. Der Brunnen zeigt das Schicksal des Menschen, das sowohl Freud als auch Leid beinhaltet. Die Inschrift lautet: „Aus des Schicksals dunkler Quelle rinnt das wechselvolle Los Heute stehst du fest und groß Morgen wankst du auf der Welle.“ Der Brunnen wurde von Carl Donndorf im Jugendstil in Erinnerung an die gefeierte Sängerin erbaut. Anna Sutter (1871 -1910) war Mitglied des Stuttgarter Hoftheaters. Sie genoss eine enorme Popularität, einerseits durch ihre Sangeskunst, anderseits sorgten ihre zahlreichen Liebesgeschichten für Schlagzeilen. Die letzte mit dem königlich württembergischen Hofkapellmeister Aloys Obrist endete mit einem Drama. Nachdem Anna Sutter die Liason beendet hatte, tötete Obrist Anna, um sich dann selbst das Leben zu nehmen.
Die Staatsoper Stuttgart steht an der Spitze der wichtigsten Opernhäuser weltweit. Sie ist ein Bestandteil des größten europäischen Mehrspartenhauses. Mit dem Stuttgarter Ballett und dem Schauspiel Stuttgart bildet sie das Drei-Sparten-Theater.
Das Drei-Sparten-Theater besteht aus der Oper Stuttgart, dem Stuttgarter Ballett und dem Schauspiel Stuttgart.
Es gibt zwei Hauptspielstätten, beide im Oberen Schlossgarten. Als Doppeltheater wurden sie 1909 – 1912 von Max Littmann erbaut. Leider wurde das Kleine Haus im Zweiten Weltkrieg so sehr beschädigt, dass der Architekt Hans Volkart 1962 mit einem kompletten Neubau beauftragt wurde. Kein anderes Drei-Sparten-Theater weltweit kann von sich behaupten, eine größere Anzahl an Mitarbeitern zu beschäftigen. Insgesamt sind es 1364, davon 514 im künstlerischen Bereich.
Das Opernhaus verfügt heute über 1404 Sitzplätze, das Schauspielhaus über 679 Sitzplätze, das Kammertheater hat 420 Plätze. Das Nord als Studiobühne des Schauspiels bietet 150 Plätze.
Die Staatsoper Stuttgart erhielt sieben Mal die prestigeträchtige Auszeichnung „Opernhaus des Jahres“ – das ist noch keinem anderen Haus gelungen und zeigt die hohe Wertschätzung durch nationale und internationale Kritiker. Das Geheimnis ihres Erfolgs? Es ist der besondere Ansatz. Musiktheater heißt hier von allen mit allen für alle. Das gilt für die Inszenierung, die Leitung, die Schauspieler, die Ausstattung und natürlich auch das Publikum. Wenn alles zusammenfließt, dann entsteht etwas, das gleichzeitig einzigartig und universell ist, eine Oper.
Musiktheater, Oper, entsteht in Stuttgart im stetigen Bewusstsein um die gesellschaftspolitische Verantwortung dieser Kulturinstitution.
Der mehrfach preisgekrönte Theater- und Opernregisseur Jossi Wieler war gemeinsam mit seinem langjährigen Arbeitspartner, dem Dramaturgen Sergio Morabito, von 2011 bis 2018 Intendant der Oper Stuttgart. Ihre Arbeitsweise und ihr gemeinsamer Führungsstil unterscheiden sich grundlegend von dem manch anderer Theaterleute. Ein Stil, der ohne laute Prahlerei und Skandale auskommt, sondern ruhig und kontinuierlich von Transparenz, Dialog, Wahrheit, Sorgfalt und Tiefe geformt wird. Es macht Hoffnung und inspiriert, wie erfolgreich diese besonnene Art der gemeinschaftlichen Arbeit sein kann. Es ist hier nicht der Platz, alle erfolgreichen und wundervollen Arbeiten aufzuzählen. Genannt seinen klassische Werke und Uraufführungen: „Alcina“ von Georg Friedrich Händel (1998), „Siegfried“ von Richard Wagner als Teil des Stuttgarter Rings (1999), „Norma“ von Vincenzo Bellini (2001), „Moses und Aron“ von Arnold Schönberg (2003), „Doktor Faust“ von Feruccio Busoni (2004), „La Juive“ von Fromental Halévy (2008), „Katja Kabanova“ von Leos Janacek (2010), „Die Nachtwandlerin“ von Vincenzo Bellini (2012), „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss (2013), „wunderzaichen“ von Mark Andre (2014), „Fidelio“ von Ludwig van Beethoven (2015), „Pique Dame“ von Peter Tschaikowsky (2017), „Don Pasquale“ von Gaetano Donizetti, „Erdbeben, Träume“ von Toshio Hosokawa (2018).
Die Politik und das Weltgeschehen machten allerdings auch vor der Oper Stuttgart nicht halt. Der russische Regisseur Kirill Serebrennikov inszenierte 2017 „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck. Mitten in der Probenarbeit wurde er während der Sommerpause im August zu Hause in Moskau verhaftet. Der angebliche Grund: die Veruntreuung von Staatsgeldern, konnte nur ein Vorwand sein. Nur die Hälfte der Inszenierung war bis jetzt fertig. In einer beispielhaften Solidaritätsaktion setzte sich die Leitung der Oper Stuttgart, gemeinsam mit vielen anderen namhaften Künstlern wie Volker Schlöndorff und Elfriede Jelinek und Politikern, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, für seine Freilassung ein. Als dies trotz allem nicht gelang, wurde die Oper als Fragment mit sichtbaren Leerstellen fertig gestellt und dennoch großem Erfolg aufgeführt. „Free Kirill“ stand nicht nur auf T-Shirts vieler Mitarbeiter, sondern wurde bundesweit und international verbreitet. 2020 wurde der Künstler dennoch in Moskau in der Sache schuldig gesprochen und zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Das Bühnenbild wartet bis heute im Magazin der Oper Stuttgart auf die Rückkehr Serebrennikovs.
Vor dem Besuch einer Aufführung können die Besucher einen Spaziergang im Oberen Schlossgarten machen, in dem herrliche alte Bäume zu finden sind. Im Café am Schlossgarten lässt man es sich bei Kaffee und Kuchen gut gehen und kann über die Welt und die Menschen nachdenken. Von der Terrasse aus hat man einen wunderbaren Blick über den Eckensee auf die Oper Stuttgart.