Bayreuth, im weiten Tal des roten Mains zwischen Fichtelgebirge und Fränkischer Schweiz gelegen, ist für seine schönen Barockbauten und Rokokopaläste bekannt. Die vielseitig begabte preußische Königstochter Wilhelmine, die Lieblingsschwester Friedrichs des Großen, drückte im 18. Jahrhundert der Stadt im Herzen Frankens ihren Stempel auf, als sie sie zu einer schillernden Residenz mit Schlössern und Lustgärten ausbaute. Weltbekannt sind die Bayreuther Festspiele!
„Weißt Du, wie das wird?“ ist ein bekanntes Zitat aus dem Vorspiel von Richard Wagners „Götterdämmerung“, gesungen von einer Norn, einer der drei Schicksalsfrauen, die auf dem Walkürenfelsen Seile, Schicksalsfäden, winden.
Jedes Jahr im Sommer – wenn die großen Schulferien und die Theaterferien überall beginnen – die theaterlose Zeit bevorsteht – startet die Festspielsaison! Zuerst in Salzburg, dann in Bayreuth und so weiter. Kenner, Freunde, Skeptiker – alle versammeln sich auf dem Grünen Hügel, um sich abseits der Metropolen mit dem Werk Richard Wagners auseinanderzusetzen, zu hören, zu sehen, zu verweilen, da zu sein – sich der Musik hinzugeben. Scheint es zwar unmöglich, Karten zu bekommen, so gibt es doch wie immer auch Mittel und Wege. Momentan wird der gesamte Kartenvorverkauf online organisiert. So hat jeder eine Chance. Seit 1876 hier zum ersten Mal der „Ring des Nibelungen“ vollständig aufgeführt wurde, ist Bayreuth in aller „Musikfreunde Munde“. Denn hier wurde ein Ort vom Komponisten selbst geschaffen, wo zur Sommerzeit ausschließlich die Werke von Richard Wagner gespielt werden.
Festspiele – das ist etwas anderes als Oper oder Theater im Alltag: Man reist eigens dazu an – zum Beispiel per Bus, große Busparkplätze sind vorhanden – und weiß, dass man einige Tage bleiben wird, kann sich also ganz anders auf die Werke einstellen. Das ist auch nötig: Denn so eine Wagner-Oper hat es in sich, dauert locker vier, fünf Stunden. Traditionell beginnen die Aufführungen meist am Nachmittag, um 16 Uhr, denn mit Pausen, die immer eine Stunde dauern, erreichen die Stücke die Länge eines Arbeitstages. Richard Wagner selbst verfügte, dass ausschließlich zehn seiner Werke, insgesamt hat er dreizehn Opern geschrieben, immer wieder aufgeführt werden. Diese sind: „Der fliegende Holländer“, „Tannhäuser“, „Lohengrin“, der vierteilige Zyklus „Der Ring des Nibelungen“, „Tristan und Isolde“, „Die Meistersinger von Nürnberg“ und „Parsifal“. Bei den Bayreuther Festspielen hat vieles seinen Platz und es gibt genaue Ordnungen, wie manches passiert. Zum Beispiel gibt es keine Klingel zu Beginn, sondern Fanfaren – live vom Balkon. Jeweils passend zum nächsten Akt oder Aufzug der Oper.
Auch die Musiker im Orchestergraben sind für die Zuschauer unsichtbar. Eine Muschel verdeckt die Einsicht. Nichts soll die Zuschauer vom Geschehen auf der Bühne ablenken. Der Zuschauerraum des Festspielhauses ist ebenfalls sehr speziell: Nüchtern und aus Holz gebaut, mit ansteigenden Reihen wie in einem Kino, so soll die Aufmerksamkeit gebündelt werden.
Festspiele mit besonderer Tradition
Nach Richard Wagners Tod, 1883, leitete zunächst seine Witwe Cosima Wagner, eine Tochter des Komponisten Franz Liszt, die Festspiele. Nach deren Tod im April 1930 machte Siegfried Wagner, der gemeinsame Sohn, mit der Leitung der Festspiele weiter. Nach seinem plötzlich Tod, ebenfalls 1930, übernahm seine Witwe Winifred Wagner das Zepter. In dieser Zeit des Nationalsozialismus gab es verhängnisvolle, bewusst gewollte Verbindungen zu Adolf Hitler und der gesamten Schreckensherrschaft und der Familie Wagner. Hitler liebte die Musik Richard Wagners, war gern gesehener Gast auf den Grünen Hügel und wurde besonders von Winifred hofiert – man kann sagen: die Bayreuther Festspiele stabilisierten das Dritte Reich. In Bayreuth kam es zu einer verhängnisvollen Verschmelzung von Kunst und Macht, einer „politischen Götterdämmerung des Familiendramas“. Daher gab es nach Ende des 2. Weltkrieges naturgemäß einen Bruch, die Festspiele gingen schließlich 1951, unter der Leitung von Wieland Wagner, einem Sohn von Siegfried und Winifred, weiter. Wieland Wagner, wandte sich bewusst von der Nazi-Tradition, die sich natürlich auch im Ästhetischen äußerte, ab, arbeitete als Regisseur und Bühnenbildner enorm innovativ und scheute keine Brüche mit der Tradition, sondern führte sie bewusst herbei. Seither setzt man sich mit der speziellen Verkettung mit dem Nationalsozialismus auseinander, führt beständig Diskurse zu diesen Themen. Zu finden im Diskurs Bayreuth – 2017 unter dem Titel „Sündenfall Bayreuth“.
Heute leitet Katharina Wagner die Bayreuther Festspiele erfolgreich. Die 1978 geborene Tochter von Wolfgang Wagner ist somit eine Urenkelin von Richard Wagner und Ur-Urenkelin von Franz Liszt. Man kann sich fragen, wie lange es mit der dynastischen Folge weitergeht. Katharina ist Opernregisseurin. Sie leitet die Festspiele seit 2008. Anfangs gemeinsam mit ihrer Halbschwester Eva Wagner-Pasquier. Beide Frauen führten gemeinsam viele Neuerungen ein. So öffneten sie die Spiele nach außen, verstärkten die Öffentlichkeitsarbeit ungemein und veranstalteten 2008 erstmals ein Public Viewing einer Festspielaufführung auf den Bayreuther Volksfestplatz. Auch riefen sie die Reihe „Wagner für Kinder“ ins Leben und die Direktübertragung einer Aufführung ins Kino verschiedener Städte in Deutschland, Österreich und die Schweiz. Jedenfalls gibt es immer Überraschungen und Neuerungen. Vieles soll und muss allerdings so bleiben, wie es immer war – dafür sorgen auch die sogenannten Wagnerianer aus aller Welt.
Wenn man keine Karten bekommt oder sonst Zeit hat, ist ein Besuch des Richard Wagner Museums interessant. Im Haus Wahnfried lebte Richard Wagner ab 1874 und es gehörte der Familie Wagner bis 1973. Seither ist die Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth der Besitzer. Hier kann man sich in Leben und Werk des berühmten Komponisten und in die Geschichte der Festspiele hineinknien und viel sinnvoll verbrachte Zeit verbringen.
Link
Literatur
Leseempfehlung: Wagner Theater von Nike Wagner, Suhrkamp Verlag, 1999.