Wir wollen das Neue Museum auf der Museumsinsel anschauen.
Unser Autor spricht über die beiden Architekten Friedrich August Stüler, der das Museum im 19. Jahrhundert erbaute, und über Sir David Chipperfield, der es im neuen Millennium rekonstruierte.
Außerdem wird von einer legendären Pharaonin berichtet, deren geheimnisvoller Name jedes Kind kennen dürfte.
Das von Friedrich August Stüler im klassizistischen Stil der legendären Schinkel-Schule zwischen 1843-46 erbaute Neue Museum war nicht nur ein Hauptwerk des Thüringer Architekten, sondern es gehörte auch zu den bedeutendsten Bauwerken seiner Zeit in Berlin. Zudem erhob sich das Neue Museum – auch Ägyptisches Museum genannt – hinter dem von Karl Friedrich Schinkel am hübschen Lustgarten erbauten Alten Museum und war von jenem durch die Bodestraße getrennt. Überdies sollte das parallel zum Kupfergraben errichtete Neue Museum als Erweiterungsbau für die rasch anwachsenden Kunstsammlungen dienen. Schließlich war es als eine wesentliche Komponente der von König Friedrich Wilhelm IV. und von Stüler gemeinsam konzipierten Umgestaltung des nördlichen Areals der Museumsinsel zu einer erbaulichen und lehrreichen Stätte für die Künste und die Wissenschaft gedacht.
Stülers Architektur des Neuen Museums
Stülers imposantes Neue Museum war ein rechteckiges und dreigeschossiges Gebäude von 105 Metern Länge mit einem quergestellten mittleren Treppenhaustrakt sowie zwei großen Innenhöfen. Der architektonisch hervorgehobene und erhöhte Mittelbau war mit beiderseitigen Dreiecksgiebeln abgeschlossen. Die 31 Meter hohe Hauptfassade lag zu der später erbauten Alten Nationalgalerie hingewendet.
Das Innere des damals neuen Museumsbaus konnte hingegen erst im Jahr 1855 vollendet werden. Im Zweiten Weltkrieg wurde das prächtige Neue Museum schwer beschädigt und brannte aus. Ebenso unbrauchbar, so dass er später abgetragen werden musste, war der auf drei Bogen ruhende, die Bodestraße überbrückende Gang, der zu Schinkels Altem Museum führte.
Stararchitekt Sir David Chipperfield baute das Neue Museum neu auf
Seit dem Jahr 2003 wurde das Neue Museum unter der Leitung des britischen Stararchitekten Sir David Chipperfield wieder aufgebaut und aufwendig restauriert, wobei der modern verputzte Ziegelbau durch eine regelmäßige Ritzquaderung gegliedert ist. Infolgedessen gruppieren sich die beiden dreigeschossigen Seitenflügel um zwei glasbedeckte Innenhöfe, die Griechischer Hof und Ägyptischer Hof genannt werden. Auch heute wieder ist der zentrale Bestandteil des Museums der an der imposanten Hauptfassade vortretende Mittelrisalit, der von einem flachen dreieckigen Giebel abgeschlossen wird. Im Giebelfeld befindet sich das sogenannte Tympanon, die Schmuckfläche, die einst mit allegorischen Figuren des Bildhauers August Kiß ausgefüllt war. An der Stelle der aparten Originalfiguren sind hochwertige Repliken im rekonstruierten Giebelfeld zu sehen.
Wir erinnern uns, dass der Künstler August Kiß ebenfalls die markante Skulptur Amazone zu Pferde am benachbarten Alten Museum geschaffen hat.
Insgesamt beschränkt sich der am gravitätischen Neuen Museum sparsam ausgeführte bauplastische Schmuck – wie von August Stüler geplant – im Wesentlichen noch immer auf den an der Fassade befindlichen Mittelrisalit. Allerdings steht der minimale äußere Schmuck im Gegensatz zu einer reichen Innenausstattung. Obendrein ist das großartige Neue Museum mit einer klassischen Säulen-Kolonnade zu der ebenfalls nach Plänen von Friedrich August Stüler errichteten Alten Nationalgalerie verbunden.
Drei kostbare Sammlungen befinden sich im Neuen Museum
Interessierten Besuchern des majestätischen Neuen Museums ist es möglich, auf einer großen Expositionsfläche beinahe 9000 Objekte aus drei bedeutenden Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin zu betrachten. Demzufolge beherbergen die modernen Ausstellungsräume das Museum für Vor- und Frühgeschichte mit Artefakten aus der Antikensammlung, das Ägyptische Museum und die Papyrussammlung. Architektonische Details, sorgfältig ausgeführte Wandgemälde sowie das florale und ornamentale Dekor harmonieren mit den einzelnen Sammlungen. Wir konstatieren, dass sie das zu den jeweiligen Exponaten passende Ambiente bilden.
Der Berliner Goldhut aus der Altsteinzeit
Die umfangreichen Objekte des Museums für Vor- und Frühgeschichte sind gemeinsam mit den kostbaren Ausstellungsstücken der Antikensammlung auf insgesamt drei Etagen des Neuen Museums zu sehen. Zu den herausragenden und unverwechselbaren Artefakten gehört der bronzezeitliche Berliner Goldhut. Seine geheimnisvolle Symbolik weist uns darauf hin, wie genau bereits die Menschen der Altsteinzeit in der Lage waren, ihr kalendarisches Wissen aufzubewahren und an nachfolgende Generationen weiterzugeben.
Die Büste der legendären Nofretete hat einen eigenen Kuppelsaal bezogen
In einer bislang nie gezeigten Fülle werden im Nordflügel des Neuen Museums kostbare Stücke aus dem Ägyptischen Museum und der Papyrussammlung den neugierigen Besuchern präsentiert. An dieser Stelle müssen drei restaurierte Opferkammern aus dem Alten Reich sowie die überwältigende Amarna-Sammlung genannt werden, die durch den bedeutenden Kunstmäzen James Simon nach Berlin gelangte. Zu der reichhaltigen Kollektion vom Ostufer des Nils in Tell el-Amarna gehört die weltberühmte Büste der Nofretete, die im alten Nordkuppelsaal der zweiten Etage in einer vier Meter hohen Glasvitrine den staunenden Besuchern gezeigt wird. Jedermann dürfte in seinem Leben bereits von der geheimnisvollen Königin des Pharaos Echnaton gehört haben, deren unverwechselbarer Name „die Schöne ist gekommen“ bedeutet? Im Neuen Museum besteht die Möglichkeit, die bezaubernde Schöne aus dem 14. Jahrhundert vor Christus einmal selbst anzuschauen.
Hinweis
Neues Museum, Bodestraße 1, 10178 Berlin-Mitte
Anfahrt: Busse 100, 200 & TXL. Haltestelle: Lustgarten / Museumsinsel
Eintrittkarten & Preise. 12,00 EUR, ermäßigt 6,00
Information + Buchung. Telefon: Mo-Fr 9-16 Uhr. 030 / 266 42 42 42
Lesenswert
Lorenz, Werner: Das Neue Museum Berlin. Berlin 2014