Nach unserem interessanten Besuch in der Stadtpfarrkirche bringt uns unser flinker Reisebus zur Alten Bischofsburg in Wittstock, der mittelalterlichen Residenz der Bischöfe von Havelberg. Vor Ort ist es möglich, zwei lehrreiche Museen zu besuchen – das Ostprignitzmuseum und das Museum des Dreißigjährigen Krieges, das im imposanten Donjon der Oberburg untergebracht ist.
Um die weitere Christianisierung des noch immer teilweise von einer ‚heidnischen’, slawischen Bevölkerung dominierten Nordens der Mark Brandenburg voranzutreiben, hatte im Jahre 1270 der tatkräftige Bischof Heinrich II. von Havelberg beschlossen, die durch umtriebigen Handel und fleißiges Handwerk prosperierende Landstadt Wittstock an der Dosse zur künftigen bischöflichen Residenz auszubauen. Dafür diente ihm eine heute als Alte Bischofsburg bezeichnete Festung, deren hohe Mauern, wehrhafte Wieckhäuser und gewappnete Bastionen damals als unüberwindbar galten.
Insgesamt bestand die Burg aus zwei Teilen. Dazu gehörte einerseits der 32 Meter hohe Wehr- und Wohnturm – der Donjon – der Oberburg, in der sich großzügige Kemenaten, mit beheizbaren Kaminen ausgestattete Wohngemächer, befanden. Andererseits gab es die Unterburg mit ihren diversen Wirtschaftsgebäuden, in denen die leibliche Versorgung des bischöflichen Hofes und dessen zahlreicher Entourage gewährleistet wurde. Folglich war die allzeit verteidigungsbereite und fürstlich ausgestattete Alte Bischofsburg in dem verkehrsgünstig hervorragend gelegenen und gut befestigten Wittstock mit ihrer imposanten Stadtpfarrkirche Sankt Maria und Sankt Martin in nur wenigen Jahrzehnten zur eigentlichen repräsentativen Residenz der Bischöfe geworden, während das administrative Leben in Havelberg weiter den Händen des dort verbliebenen Domkapitels – der Domherren, Pröpste und Dekane – oblag.
Die Alte Bischofsburg in Wittstock als Residenz der Havelberger Bischöfe – 1270-1548
Nach Aussage einer mittelalterlichen Bischofsliste haben in vier Jahrhunderten summa summarum 24 Havelberger Bischöfe in der Wittstocker Burg residiert. Nachdem 1548 der letzte katholische Bischof von Havelberg, Busso II. von Alvensleben, in seinem exorbitanten Feudalsitz an der Dosse gestorben war, fielen die mächtige Burg und deren reiche Besitztümer an den brandenburgischen Kurfürsten Joachim II., der die Reformation in der Mark eingeführt hatte. Es ist bemerkenswert, dass Bischof Busso nicht wie eigentlich üblich in der gotischen Basilika Sankt Marien zu Havelberg bestattet worden war, sondern dass er seine letzte Ruhestätte, seine Grablege, vor dem Hochaltar der Sankt Marien- und Sankt Martin-Stadtpfarrkirche in Wittstock gefunden hat.
Zu den 24 in der Alten Bischofsburg in Wittstock amtierenden Havelberger Bischöfen gehört zudem eine weitere Persönlichkeit, der aus der niederdeutschen Adelsfamilie von Alvensleben stammende Busso VIII. Er hatte gegen Ende des 15. Jahrhunderts als Busso I. den Bischofstuhl im Sankt Mariendom zu Havelberg bekleidet.
Aufmerksamen Lesern des Buskompass-Magazins dürfte es natürlich geläufig sein, dass Busso I. 1493 dem Bau der Sankt Lazarus geweihten, der sogenannten Siechenhauskapelle, in dem am Ruppiner See gelegenen Neuruppin zugestimmt und später gesegnet hatte.
Ein weiterer interessanter Vertreter auf dem Havelberger Bischofstuhl, der ebenfalls in der Wittstocker Bischofsburg residierte, war Burkhard II. Graf von Lindow-Ruppin. Graf Burkhards tatkräftige Ahnherren, Gebhard und dessen Bruder, der Prior Wichmann von Arnstein, hatten einst die erste Dominikanerabtei mit der dazugehörigen Klosterkirche Sankt Trinitatis in Neuruppin im 13. Jahrhundert gestiftet. Kundige Leser des Buskompass-Magazins werden sich gut an die betreffenden Artikel darüber erinnern.
Die Reformation 1539 und die ‚Schweden kommen’, 1636
Am Allerheiligentag, am 1. November 1539, hatte Kurfürst Joachim II. Hector den alles entscheidenden ersten Schritt getan, indem er sich in der ehrbaren Spandauer Nikolaikirche das Abendmahl ‚in beiderlei Gestalt’ reichen ließ. Diese sakrale Handlung bedeutete, dass er nicht wie die Katholiken nur eine Hostie, sondern gut lutherisch Hostie und Wein zusammen zu sich genommen hatte. Mit diesem feierlichen Akt stand es fest, dass die damals noch existierende Doppel- oder ‚Zwillingsstadt’ an der Spree, Cölln-Berlin, und die Mark Brandenburg zukünftig evangelisch sein würden.
Im Verlauf der Reformation in der Mark gelangte auch der Havelberger Bischofssitz in die Hände der märkischen Kurfürsten, die das Hochstift 1571 zunächst einmal säkularisierten und anschließend dessen Territorium vollständig annektierten. Im Zuge dessen vergeudeten die neuen Landesherren keine brandenburgischen Taler mehr, um den weiteren, teuren Erhalt der Alten Bischofsresidenz in Wittstock zu gewährleisten.
Während des lang andauernden Dreißigjährigen Krieges von 1618-48 war die frühere bischöfliche Burganlage am 4. Oktober 1636 in der furchtbaren, vor den Toren der Stadt tobenden Schlacht bei Wittstock durch marodierende Landsknechte schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. 16.000 tapfere Schweden hatten 22.000 kaiserliche Musketiere und Kürassiere blutig besiegt und sich damit den Weg in die Mitte des Heiligen Römischen Reichs freigeschossen. An den katastrophalen Folgen dieser Schlacht sollen etwa 6000 Menschen gestorben sein.
Aufgrund der durch den Dreißigjährigen Krieg entstandenen baulichen Schäden war es beinahe zum kompletten Verfall der Alten Bischofsburg gekommen. Lediglich der 32 Meter hohe Donjon, der Wohn- und Wehrturm der Oberburg aus den Anfangsjahren des 13. Jahrhunderts der Burganlage, hatte die chaotischen Wirren und Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges, den die heutigen Schweden ‚Trettioåriga kriget’ nennen, nahezu unbeschadet überstanden. In alten Chroniken wird uns davon berichtet, dass noch nach dem schrecklichen Krieg einige Hochzeitsfeiern in der heute leider nicht mehr existierenden Burgkapelle der ehemaligen bischöflichen Residenz stattgefunden haben sollen.
Als ob die einzelnen Schicksalsschläge des Dreißigjährigen Krieges nicht schon groß genug gewesen waren, stürzten während eines verheerenden Wintersturms zur Jahreswende 1703/04 weitere wesentliche Teile der bereits in ihrer Bausubstanz gefährdeten Burganlage ein. Daraufhin wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts die noch intakt gebliebenen Relikte der Ruine weitgehend abgebrochen.
Zwei Museen in der Alten Bischofsburg
Erst 1930 hatte die Stadt Wittstock auf dem mittlerweile begrünten Areal der verwaisten Bischofsresidenz wieder bauen lassen, wobei neben dem einsam stehenden, wuchtigen Burgturm der einstigen Oberburg jetzt ein flacher, neuer Fachwerkbau errichtet worden war. Dieses Fachwerksgebäude diente in seiner wechselvollen Geschichte zunächst als Amtssitz und später als Jugendherberge, wohingegen der große Donjon zeitweilig auch als Getreidespeicher mit einem sich daran anschließenden Viehstall genutzt wurde. Heute beherbergt der Fachwerkbau zudem diverse Räumlichkeiten für Sonderausstellungen des Ostprignitzmuseums, wobei die Bandbreite der dort gezeigten Exponate vielfältig ist. Sie reicht von einzelnen Kunstpräsentationen bis hin zu Ausstellungen, die sich mit kultur- und regionalgeschichtlichen Themen befassen. Vorrangig thematisiert das im ehemaligen Amtshaus untergebrachte Ostprignitzmuseum wichtige Aspekte der regionalen Geschichte. In diesem Zusammenhang werden größeren Kindern und deren Eltern sowohl tiefere Einblicke in die abwechslungsreiche Historie der Stadt Wittstock an der Dosse und der gesamten Region Ostprignitz vermittelt, als auch verschiedene traditionelle und landestypische Handwerksberufe vorgestellt.
Im massiven Wehr- und Wohnturm ist seit 1998 das Museum des Dreißigjährigen Krieges untergebracht, das am Anfang des 21. Jahrhunderts komplett neugestaltet worden war. Kinder und deren Eltern erfahren hier anhand von historischen Objekten, Bildern, Illustrationen, Karten und Zeitdokumenten von den tiefergelegenen Ursachen dieses furchtbaren Krieges im 17. Jahrhundert im Herzen Europas und vom beschwerlichen Alltag der einfachen Menschen in jener Zeit. Des Weiteren können sich die interessierten Besucher durch originale Waffenfunde und weitere Ausrüstungsgegenstände nicht nur selbst eine bessere Vorstellung vom harten Soldatenalltag, sondern auch vom schlimmen Leiden der Landsknechte während eines Feldzugs machen. Die auf sieben Etagen verteilten einzelnen Ebenen des Museums berichten uns auch näher von der damals angewandten Waffentechnik in den einzelnen Scharmützeln und Kämpfen, wobei ein näheres Hauptaugenmerk auf die ‚Große Schlacht’ vor den Toren der Stadt Wittstock des Jahres 1636 gelegt wird.
Auf der letzten, der siebenten Ebene kommen die Museumsbesucher, die Reisegruppen und die Familien endlich beim langersehnten Westfälischen Frieden von 1648 an, mit dem dieser unselige Europäische Krieg für alle beteiligten Parteien einen weitgehend befriedigenden Abschluss gefunden hatte.
Dreißig Jahre zuvor, 1618, hatte diese sinnlose Fehde mit dem Prager Fenstersturz zunächst als ein Religionskrieg begonnen und schließlich als ein Territorialkrieg geendet.
Im Verlauf dieses Kriegs war vor allem die Mark Brandenburg als ein Hauptaustragungsort der dreißigjährigen andauernden Kampfhandlungen in Mitleidenschaft gezogen worden. Mit einem versöhnlichen Abschlussblick können die Besucher von der oberen Plattform des Burgturms einen schönen Ausblick auf die charmante Stadt an der Dosse und deren näheres Umland genießen.
Alle zwei Jahre heißt es in Wittstock immer wieder: „Die Schweden kommen …“. Mit einem großen Historienspektakel wird hier an eine der größten Schlachten im Dreißigjährigen Krieg erinnert.
Hinweis
Neben einer bequemen Fahrt mit dem Reisebus existiert in unseren Tagen auch eine sogenannte Bischofstour, die vom gotischen Sankt Mariendom in Havelberg ausgehend der einstigen Reiseroute der mächtigen Havelberger Bischöfen folgt, auf der jene zu Pferd oder in der Kutsche die Prignitz durchquert hatten, um Synoden und Klöster in ihrer Diözese zu besuchen. Am mit romantisch plätschernden Flüsschen und idyllischen Wäldern und Feldern gesäumten Wegesrand der Prignitzer Landschaft führt die Bischofstour zu jahrhundertealten Städtchen und Wallfahrtsstätten, die nur darauf warten, von Neugierigen entdeckt zu werden. Die Tour, die sich besonders für fromme Radpilger eignet, die sich nicht nur gerne ins ferne Mittelalter zurückversetzen lassen wollen, sondern die auch das Erlebnis der Natur mit der Einkehr an historischen Plätzen zu verbinden wünschen, endet schließlich an der Alten Bischofsburg in Wittstock an der Dosse.
Kontakt
Kreismuseen Alte Bischofsburg
Amtshof 1 – 5
16909 Wittstock
Tel. 03394 – 433725
Link
Grafischer Rekonstruktionsversuch der Alten Bischofsburg in Wittstock/Dosse:
www.burgrekonstruktion.de/rekonstruktionen/brandenburg/
www.mdk-wittstock.de/seite/9044/kreismuseen.html
Literatur
Piltz, Georg: Kunstführer. Leipzig· Jena· Berlin, 31972. S. 131f.