In der Gemeinde Lehnin liegt nicht nur das älteste gleichnamige Zisterzienserkloster der Mark Brandenburg, sondern auch das in einem großen Landschaftspark befindliche Schloss Reckahn.
Es wird über den Schlossbesitzer Friedrich Eberhard Freiherr von Rochow berichtet, der im 18. Jahrhundert als Gutsherr, Pädagoge und Agrarreformer das schwere Leben der märkischen Landbevölkerung verbesserte.
Das alte märkische Adelsgeschlecht der Freiherren von Rochow gehörte im Mittelalter zu den mächtigsten Familien in der historischen Landschaft der Zauche, die ein bedeutendes Kerngebiet der späteren Mark Brandenburg bildet. Es wird vermutet, dass die aus der Altmark stammenden Rochows nach Brandenburg bereits mit unserem legendären ersten Markgrafen Albrecht dem Bären in der Mitte des 12. Jahrhunderts gekommen waren. Im 16. Jahrhundert teilte sich die freiherrliche Familie dann in vier Zweige, die sich nach ihren jeweiligen Herrensitzen in Golzow, in Gollwitz, in dem am Großen Plessower See befindlichen Plessow und in dem am Westrand der Zauche gelegenen Reckahn benannten.
Theodor Fontane und die Gutsbesitzer von Rochow auf ihrem Schloss Reckahn
Reckahn gehörte zu den ursprünglichen Zielen, die unser märkischer Chronist Theodor Fontane nicht nur besuchen, sondern auch näher beschreiben wollte. Nachdem der viel gelesene Fontane seine ausführlichen Kapitel über das benachbarte Zisterzienserkloster Lehnin erfolgreich beendet hatte, besaß er im Frühjahr 1864 noch einige Wochen Zeit, in denen er sich der facettenreichen Historie der Freiherren von Rochow zuwenden wollte, die unweit von Brandenburg an der Havel ausgedehnte Ländereien besaßen. Noch einmal unternahm er im Jahr 1871 einen zweiten vergeblichen Versuch, die Rochower Gutsherren aufzusuchen. Bedauerlicherweise verhinderten jedoch die sogenannten Deutschen Einigungskriege, die zum Deutschen Kaiserreich führen werden, und Fontanes detaillierte Berichterstattung über jene prägenden Ereignisse seine geplanten Besuche bei der Familie derer von Rochow. Dennoch erwähnte unser märkischer Zeitzeuge das Dorf Reckahn in seinem Gedicht Havelland, das anstelle eines Vorworts in seinem 3. Band der Wanderungen durch die Mark Brandenburg erschien. Gleichermaßen schilderte Fontane mehrmals die Freiherren von Rochow. Demnach werden der berühmte Junker Friedrich Eberhard von Rochow (1734-1805) in dem Kapitel Fehrbellin im 1. Band der Wanderungen sowie im Gedicht Fehrbellin als der Schöpfer des ersten, des sogenannten Kleinen Denkmals nach der siegreichen Schlacht bei Hakenberg erwähnt, über die auch unser Buskompass-Autor berichtete.
Friedrich Eberhard Freiherr von Rochow – Gutsherr, Pädagoge und Agrarreformer
Der menschenfreundliche Gutsherr auf Schloss Reckahn bei Brandenburg, Pädagoge und Agrarreformer Friedrich Eberhard Freiherr von Rochow kümmerte sich zeit seines Lebens, vor allem aber in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, um die spürbare Verbesserung der schweren Lebensbedingungen des märkischen Landvolks.
Der katastrophale Niedergang des flachen Landes auf wirtschaftlichem wie auch auf kulturellem Gebiet war durch die beginnende Industrialisierung und der damit einhergehenden Landflucht bei einer weitgehenden Bevorzugung der prosperierenden Städte erfolgt. Damals wurde der geflügelte Begriff: Stadtluft macht frei, geprägt. Um der geschundenen Landbevölkerung aus ihrem unverschuldeten Elend herauszuhelfen, setzte sich Friedrich von Rochow für eine geregelte Armenfürsorge, für Armenhäuser, für Versicherungen und für die Abschaffungen der lästigen Gespanndienste, sogenannter Frondienste, ein, die er zum Teil auf seinen eigenen Gütern verwirklichen konnte. Außerdem forderte er, um seinen ersten Reformen einen bleibenden Erfolg zu sichern, eine umfassende Aufklärung und eine geistig-moralische Erziehung für das weitgehend ungebildete Landvolk durch den täglichen Besuch einer guten Schule. Damit ist von Rochow aus der unermüdlichen Sorge um seine märkischen Landleute heraus zu einem wirklichen Reformer des im Entstehen begriffenen Landschulwesens geworden. Besonders durch seine in Reckahn geschaffene Musterschule, durch seine vielen Lehrbücher für Lehrer und für Kinder sowie durch seine generöse Förderung des schlecht bezahlten Landlehrerstandes hatte sich der Freiherr von Rochow zu einem aufgeklärten Sozialreformer entwickelt. Folglich waren die bahnbrechenden pädagogischen und agrarischen Reformen Friedrich von Rochows wegweisend für die weitere Entwicklung des Volksschulwesens und für die notwendige Modernisierung der Landwirtschaft im anbrechenden 19. Jahrhundert in Preußen geworden. Durch das beharrliche Bestreben des philanthrophischen Gutsherren wurden die neugegründete Volksschule und das spätbarocke Herrenhaus in Reckahn zu einem wegweisenden Forum für die zu einer echten Aufklärung, zu Schul- und zu Agrarreformen entschlossenen Zeitgenossen.
Das Rochow-Museum im Schloss Reckahn
Seit dem Jahr 2001 ist in dem einstigen Wohnsitz der Freiherren von Rochow in ihrem spätbarocken Schloss Reckahn das didaktisch neu aufbereitete Rochow-Museum mit der ständigen Ausstellung Vernunft fürs Volk untergebracht. Aufgeschlossene Besucher können sich an dem historischen Ort auf eine anregende Zeitreise in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts begeben.
Neben authentischen Exponaten bieten Ton- und Bildinszenierungen tiefgehende Einblicke in die umfangreichen und breitgefächerten Themenfelder von Friedrich von Rochow. Mehrere Themenschwerpunkte der ständigen Ausstellung behandeln nicht nur die unerlässliche Bildung des Menschen, seine kontinuierliche Aufklärung und seine lebenslange Erziehung zur Toleranz, sondern auch die komplexen Fragen der anstehenden Agrarreformen. In der im geräumigen Keller des Schlosses eingerichteten museumspädagogischen Werkstatt Rochow-Grotte können Kinder, aber auch Erwachsene exquisites Büttenpapier schöpfen und mit Ton arbeiten. Nach dem Museumsbesuch empfiehlt es sich, eine Pause im hauseigenen Café einzulegen, einen erholsamen Spaziergang durch den weiten Schlosspark zu machen, eine entspannte Wanderung zu den ansehenswerten Fischteichen zu absolvieren und den anschließenden Besuch des lehrreichen Reckahner Schulmuseums in Angriff zu nehmen.
Friedrich Eberhard von Rochow eröffnete 1773 seine Musterschule in Reckahn
Bereits vor über 200 Jahren zog das namhafte von Friedrich Eberhard von Rochow aus seiner privaten Schatulle im Jahre 1773 errichtete Dorfschulhaus jährlich zahllose Besucher aus vielen Ländern in seinen Bann. Fürsten, Minister und Intellektuelle, kurz gesagt die gesellschaftliche Prominenz der damaligen Zeit, sowohl aus großen deutschen Territorialstaaten als auch aus kleineren Duodezfürstentümern gaben sich im bestbestellten Reckahner Schulhaus und im Herrenhaus der Rochows die Türklinke in die Hand. Demzufolge verzeichnet das noch heute erhalten gebliebene Gästebuch am Beginn des 19. Jahrhunderts über 1200 Besucher in über 30 Jahren.
Sicherlich dürften es die damaligen Zeitgenossen Friedrich von Rochows als eine kleine Sensation empfunden haben, dass auch einfache Bauernmädchen und Bauernjungen als vernunftbegabte Persönlichkeiten in einer menschenfreundlich gestalteten Musterschule das Lesen, das Schreiben und das Rechnen lernen konnten. Maßgeblich verantwortlich für diesen philanthropischen und reformpädagogischen gestalteten Unterricht war der märkische Volksschullehrer Heinrich Julius Bruns, an dessen ambitionierte Lebensleistung ein eigenes Denkmal im hübschen Schlosspark erinnert. Infolgedessen konnte bereits im ersten Reckahner Schulhaus auf dem Rochow’schen Gut dreißig Jahre vor den Preußischen Reformen die allgemeine Alphabetisierung flächendeckend realisiert werden. Folglich verwundert es uns auch nicht, dass im Verlauf des kommenden 19. Jahrhunderts das als Muster aller Volksschulen bezeichnete Schulhaus als ein leuchtendes Vorbild der zukünftigen zweiklassigen Landschule in ganz Preußen diente.
Das Schulmuseum heute
Das seit dem Jahr 1992 für das breite Publikum geöffnete Schulmuseum gewährt den interessierten Besuchern nicht nur tiefere Einblicke in die Rochow’sche Musterschule, sondern es gibt auch nähere Auskunft über die regionale Schulgeschichte bis in die Zeit am Ende des Zweiten Weltkriegs. Dabei ist das Herzstück des kleinen Museums das mit 21 Sitzplätzen, einem Lehrerpult oder Katheder und mit Unterrichtsmaterialien aus der wilhelminischen Epoche um das Jahr 1914 komplett eingerichtete Klassenzimmer. In jenem historischen Klassenraum werden heute wissbegierigen und kunstfertigen Gästen historische Schulstunden und einige Schönschreibübungen in der geheimnisvollen Schrift unserer Urgroßeltern, in Sütterlin, angeboten.
Eine Hochzeit im Schloss Reckahn
In dem spätbarocken Schloss, beziehungsweise im Herrenhaus Reckahn der Familie derer von Rochow, ist es ebenfalls möglich, seine private Hochzeitsfeier zu einem unvergesslichen Erlebnis werden zu lassen. Zunächst kann durch das Standesamt Lehnin eine standesamtliche Trauung im klassischen Trauzimmer des altehrwürdigen Schlosses vorgenommen werden. Ebenso ist eine kirchliche Trauung in der benachbarten barocken Kirche von Reckahn zu empfehlen. Anschließend rundet die gemütliche Fahrt mit einer prächtigen Hochzeitskutsche den besonderen Tag ab.
Schließlich wird der stilgerechte und von liebenswerten Blumenkindern umrahmte Empfang im exklusiven Ambiente des festlich dekorierten Schlosses oder auch im geschmückten Gutspark für das glückliche Brautpaar sowie für deren Angehörige und Gäste ein unvergessliches Erlebnis bleiben. Völlig zu Recht dürfte dieses reizende Ensemble einen besonderen Rahmen für eine stilvolle Hochzeitsfeier bilden. Selbstverständlich bietet das gediegene Café im Schloss Reckahn auch seinen täglichen Museumsbesuchern neben kalten und warmen Getränken am Wochenende frisch gebackenen Blechkuchen und einige Torten an. Bei einer entsprechenden Voranmeldung können interessierte Besuchergruppen auch in der Woche diversen Kuchen oder einen Imbiss bestellen.
Hinweis
Schloss Reckahn ∙ Reckahner Dorfstraße 27 ∙ 14778 Kloster Lehnin OT Reckahn ∙ Telefon: 03 38 35-
6 06 72
Öffnungszeiten: März-Oktober: Di-Fr + So 10-17 Uhr ∙ Sa 10-18 Uhr
November-Februar: Di-So 10-16 Uhr
Feiertage: 10-17 Uhr sowie nach Vereinbarung
Museumsferien: Mitte Dezember-Mitte Januar, Besichtigung nur nach Vereinbarung möglich.
Lesenswert
Badstübner-Gröger, Sibylle (Hrsg.): Reckahn, in: Schlösser und Gärten der Mark. Berlin 2002