Mit dem Reisebus steuern wir den Neuruppiner Tempelgarten an, der sich unweit des Ruppiner Sees, nordwestlich des Stadtzentrums, zwischen der B167 und der Präsidentenstraße befindet. Kronprinz Friedrich von Preußen hatte sich hier im Verlauf seines Garnisonsdienstes ein Gartenrefugium mit einem Apollo-Rundtempel, zahlreichen Sandsteinskulpturen, seltenen Bäumen, Stauden und barocken Prunkvasen geschaffen.
Ein Neuruppiner Garten wird nach der Nymphe Amalthea benannt
Nach der Aussage eines Zitats des langjährigen Freundes, Gesprächs- und Briefpartners König Friedrichs II. von Preussen, soll der französische Philosoph der Aufklärung, Historiker und Geschichts-Schriftsteller Voltaire, eigentlich François-Marie Arouet, ungefähr gesagt haben: „Vous devriez prendre soin de votre jardin.“ Ins Deutsche würden wir übersetzen: „Sie sollten sich um ihren Garten kümmern.“ Bereits der jugendliche Kronprinz Friedrich hatte diesen späteren Rat Voltaires, den er damals noch gar nicht kannte, antizipiert, in dem er sich 1732-36 von seinem langjährigen Architekten-Freund Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff einen aparten Nutz- und Ziergarten, einen Rokokogarten, in Neuruppin anlegen ließ.
Friedrich, der selbst gerne Obst, insbesondere Kirschen aß, benannte den mit Hainbuchenhecken, Eiben-/Taxuspyramiden, Stauden und barocken Prunkvasen ausgestatteten Garten nach der aus der griechischen Mythologie stammenden Nymphe Amalthea. Als Attribut führt die den griechischen und späteren Göttervater Zeus als kleines Kind mit Ziegenmilch aufziehende Amalthea ein abgebrochenes Horn als Inbegriff für reichen Überfluss und immer währende Fruchtbarkeit mit sich. Es gilt als niemals versiegendes ‚Füllhorn’ und als mythologisches Symbol des Glücks, das die alten Lateiner cornucopia nannten.
Der Garten selbst diente dem auf hohem Niveau die Querflöte spielenden und ebenso komponierenden Friedrich als ein Ort der Kontemplation, der musikalischen Aufführungen und als Treffpunkt für geselliges Beisammensein mit den preußischen Offizieren. Neuruppiner Bürger hatten den 20jährigen Kronprinzen deshalb ab 1732 zeitweise in ihrer Landstadt am Ruppiner See angetroffen, weil er dort dienstlich als Kommandeur mit ‚seinem’ Infantrieregiment, dem sogenannten 15. Infantrieregiment, auch ‚Kronprinzenregiment’ genannt, vom gestrengen königlichen Vater Friedrich Wilhelm I. einquartiert worden war.
Knobelsdorffs Debüt, der Apollo-Tempel – Solitär und Zentrum des Amalthea-Gartens
Ein leuchtender Solitär und zugleich dominanter Mittelpunkt des Amalthea-Gartens ist sein erstes, 1735 von dem damals 36jährigen Baumeister Knobelsdorff errichtetes Bauwerk, der an antike Vorbilder erinnernde Apollo-Rundtempel mit abschließendem Kuppeldach, dessen runde Bauform im klassisch-griechischen Altertum als ‚Monopteros’1 bezeichnet worden war.
Im Inneren des Tempels gibt es ein sehenswertes Deckengemälde zu bestaunen, das von dem Neuruppiner Maler Karl Wilhelm Gentz, dem zweiten Sohn des stadtbekannten Kaufmanns Johann Christian Gentz, 1830 ausgeführt worden ist. Vom kunstbegeisterten Fabrikanten Gentz senior und seinen nicht minder musisch interessierten Söhnen, die den verwaisten Tempelgarten in der Mitte des 19. Jahrhunderts erwerben werden, werden wir in einem weiteren Artikel lesen.
Zwei Monopteros-Rundtempel in Friedrichs II. Schloss Sanssouci
Georg von Knobelsdorff wird sich später zum wichtigsten Architekten des Friderizianischen Rokoko entwickeln, zu dessen legendären Bauwerken die Berliner Lindenoper, die französische Kirche in Potsdam und der Neue Flügel des Schlosses Charlottenburg zählen. Ein unsterbliches Denkmal hat sich Knobelsdorff allerdings mit dem Bau des unvergleichlichen Schlosses Sanssouci auf dem Königlichen Weinberg am Klausberg in Potsdam für seinen königlichen Förderer Friedrich II. selbst gesetzt.
Darüber hinaus wurde die architektonische Konzeption von Knobelsdorffs Neuruppiner Apollo-Rundtempel weiterentwickelt. Demzufolge ließ sich Friedrich der Große 1748, der offensichtlich an der kreisrunden Bauform des Apollotempels aus seinen unbeschwerten Jugendtagen in Neuruppin Gefallen gefunden hatte, von seinem Lieblingsbaumeister Georg von Knobelsdorff einen zweiten Rundtempel in der Art eines dorischen Monopteros auf dem Potsdamer Ruinenberg, nördlich des Schlosses Sanssouci erbauen. Im Jahre 2014 wurde der reparaturbedürftig gewordene Tempel erfolgreich saniert.
Schließlich hatte der junge, aus einer Hugenottenfamilie stammende Architekt Carl von Gonthard, den wir gewiss als geistigen Nachfolger Knobelsdorffs bezeichnen können, 1768/70 auf Anregung des großen Preußenkönigs nach dem Vorbild des Neuruppiner Rundtempels einen dritten Monopteros, den sogenannten Freundschaftstempel2, am Rande des Rehgartens, südlich der Hauptallee in Potsdam-Sanssouci errichtet. Dieser kleine, offene Pavillon war dem treuen Andenken der 1758 verstorbenen, älteren Lieblingsschwester des Königs, Markgräfin Wilhelmine von Brandenburg-Bayreuth, gewidmet worden.
Insgesamt war Kronprinz Friedrichs Aufenthalt in seinem ‚Sans Souci in Neu-Ruppin’ aber nur von kurzer Dauer gewesen.
Bereits 1736 hatte er, mit der gnädigen Erlaubnis seines königlichen Vaters, Friedrich Wilhelm I., die kleine märkische Stadt am Ruppiner See wieder verlassen müssen, um künftig mit seiner ungeliebten Gemahlin, Kronprinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern, in dem am Ostufer des Grienericksees gelegenen Schloss Rheinsberg zu residieren.
Nach Friedrichs Tod 1786 in Potsdam, der volkstümlich schon längst der ‚Alte Fritz’ genannt worden war, war auch das verlassene Neuruppiner Gartenensemble im Laufe der kommenden Jahrzehnte verwildert.
Unser Reisebus darf noch ein wenig mit seiner Weiterfahrt warten, weil nach einer kurzen Pause unser unermüdlicher Buskompass-Autor in einem zweiten Artikel die neuen Aktivitäten im Neuruppiner Tempelgarten vom 19. Jahrhundert bis in unsere heutigen Tage näher untersuchen wird.
Literatur
1Vgl. Gorys, Andrea: Wörterbuch Archäologie – mit Zeichnungen von Christel Gorys. München 1997. S. 290. Monopteros/Rundtempel dienten zur Einfassung, heiliger Orte, Kultmale, Gräber und Altäre.
2Vgl. Büttner, Horst; Ilse Schröder & Christa Stepansky: Kunstdenkmäler, Bildband IV, hg. vom Institut für Denkmalpflege, Berlin 1987. S. 96, Nr. 201, Text zum Freundschaftstempel in Potsdam-Sanscouci. Bildtafel 201, der Freundschaftstempel für Markgräfin Wilhelmine v. Brandenburg-Bayreuth
Vgl. Krumbholz, Hans: Burgen, Schlösser, Parks und Gärten, in: Tourist-Führer, Berlin · Leipzig, 31988. S. 107. Tempelgarten
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www.potsdam.de