Neben dem kolossalen und älteren Dom Sankt Peter und Paul ist die in der Brandenburger Neustadt gelegene Sankt Katharinenkirche ein herausragendes Beispiel der spätmittelalterlichen Backsteingotik des 15. Jahrhunderts.
Unser Buskompass-Autor berichtet von ihrem berühmten Baumeister Hinrich Brunsberg und von der ansehenswerten Architektur des Gotteshauses in der ehrwürdigen Stadt an der Havel.
Die dreischiffige spätgotische Sankt Katharinenkirche, eine sogenannte Hallenkirche, ist nicht nur ein exorbitantes Meisterwerk norddeutscher Backsteinbaukunst, sondern sie gehört neben dem großen Dom Sankt Peter und Paul mit zu den höchsten Gotteshäusern der Stadt Brandenburg an der Havel. Ein wenig versteckt steht die evangelische Katharinenkirche, die als Pfarrkirche der ab 1180 planmäßig angelegten Neustadt dient, unweit des Neustädtischen Markts auf dem höchstgelegenen Platz der altehrwürdigen Havelstadt. Lediglich schmale Zugänge führen von den städtischen Hauptstraßen auf den hübschen Katharinenkirchplatz, der einstmals als Friedhof genutzt wurde und der stets von Bauten umgeben war. Aufgrund ihrer imposanten Größe und ihrer reichen Ausstattung machte die Katharinenkirche den hart erarbeiteten Wohlstand der Brandenburger Neustadt weithin sichtbar. Im Jahre 1401 war sie der heiligen Katharina, der heiligen Amalberga und dem heiligen Nikolaus geweiht worden.
Baumeister Hinrich Brunsberg schuf die Sankt Katharinenkirche
Bis in das Jahr 1395 stand an der Stelle der heutigen Katharinenkirche eine einfache Feldsteinkirche. Anschließend schuf der vermutlich in Stettin geborene deutsche Baumeister Hinrich, auch Henryk, Brunsberg an jener Stelle die gotische Katharinenkirche. Bemerkenswerterweise hatte er zunächst um das alte, aus Feldsteinen errichtete Kirchenschiff geschickt das neue herum bauen lassen. Danach wurde der ältere Bau gegen Ende des 14. Jahrhunderts komplett niedergelegt. Brunsberg vollendete sein eindrucksvolles Meisterwerk in nur 6 Jahren Bauzeit, was für die damalige Zeit eine beachtliche Leistung darstellte. In diesem Zusammenhang müssen wir berücksichtigen, dass die neue Kirche mit beeindruckenden Abmessungen aufwarten kann. Sie ist stolze 73 Meter lang und 29 Meter breit. Nicht nur der Dachfirst der Katharinenkirche erhebt sich immense 38 Meter über ihre Umgebung, sondern auch ihr mächtiger Turm ist 72,5 Meter hoch. Ursprünglich wurde das Langhaus mir einem glatten Ostgiebel abgeschlossen, der in der Höhe des Dachstuhls noch immer gut erkennbar ist. Wobei der polygonale Chor erst später angebaut wurde. Aufgrund ihrer besonderen Konstruktion im Inneren konnte der mittelalterliche Baumeister nicht nur die Außenwände relativ dünn und leicht halten, sondern sie auch noch reichlich mit filigranem Schmuck überziehen. Gleichzeitig sind die hoch aufragenden Fassaden der spätgotischen Kirche mit durchbrochenen Rosetten und Figuren versehen worden. Insgesamt tritt uns die durch die klare Formensprache von Hinrich Brunsberg geprägte Katharinenkirche in einer großartig geschlossenen Gesamtwirkung gegenüber.
Die Nordkapelle wurde auch Fronleichnamskapelle genannt
Spektakulär ist die an der Nordseite des Langhauses gelegene Fronleichnamskapelle, die im späten Mittelalter von der Neustädter Fronleichnamsgilde genutzt wurde. Diese von drei Seiten geschlossene und mit prächtigen Giebeln versehene Nordkapelle wird heute als Marienkapelle bezeichnet. Interessantweise ist der Name des bekannten Baumeisters Hinrich Brunsberg mit der Jahreszahl 1401 in einer Inschrift an der Nordkapelle vermerkt.
Aufgrund ihres in der norddeutschen Tradition verwurzelten Dekorationsstils wird sie zu den schönsten Bauten der edlen Backsteingotik gezählt.
Die Süd- beziehungsweise Schöppenkapelle
An der Südseite von Sankt Katharinen befindet sich die neben der doppelgeschossigen Sakristei gelegene und ebenfalls von Hinrich Brunsberg im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts errichtete sowie reich verzierte Schöppenkapelle. An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass bereits im Mittelalter die rechtserfahrenen Beisitzer bei den Gerichten als Schöppen oder auch Schöffen bezeichnet wurden. Sie hatten sich in den aufstrebenden Städten in eigenen Kollegien, sogenannten Schöppenstühlen, zusammen geschlossen.
Ebenso wie an der nördlichen Fronleichnamskapelle sind auch an der südlichen Schöppenkapelle die freistehenden Schmuckgiebel mit ihren aus ursprünglich hellem Ziegelton geschnittenen Rosetten, krabbenbesetzten Wimpergen, den giebelartigen Bekrönungen und maßwerkgefüllten Flächen bewundernswert. Darüber hinaus steigert die geschickte Verwendung verschiedenfarbig glasierter Steine ihre malerische Wirkung unermesslich. Alles in allem bilden die filigranen Ziergiebel und die fulminanten Fassaden der zwei Kapellen die beiden Höhepunkte innerhalb der reichen dekorativen Außengestaltung der spätgotischen Katharinenkirche.
Die Turm-Katastrophe des Jahres 1582 und ein kleines Wunder
Am 30. März 1582 um 3 Uhr in der Früh war es zu einer schrecklichen Katastrophe gekommen, bei der der gewaltige Turm der Katharinenkirche einstürzte. Schon zwei Jahre zuvor waren durch die vehementen Stürme eines verheerenden Orkans mehrere Risse im bislang stabilen Gemäuer des Kirchturms aufgetreten. Bei einer anschließend erfolgten Messung noch im selben Jahr war bereits ein Abstand von drei Zoll zwischen dem Turm und dem Langhausgiebel der Katharinenkirche festgestellt worden. In der Nacht vom 29. zum 30. März 1582 schliefen die drei Kunstpfeifergesellen Anton Störtewein, Andreas Drichel und Georg Wolff in der kleinen Wohnung des Kunstpfeifers unter dem Turmdach. Ihr abwesender Lehrherr, der Kunstpfeifer Nehring, war nicht daheim. Nachdem Anton Störtewein gerade die dritte Stunde des 30. März ausgeblasen hatte, fiel der brüchige Kirchturm plötzlich in sich zusammen. Glücklicherweise war es im Verlauf der Katastrophe zu einem kleinen Wunder gekommen, wodurch die drei Türmer den unvorhergesehen Zusammenbruch des angeschlagenen Katharinenturms mit einigermaßen harmlosen Blessuren überleben konnten.
Johann Baptista de Sala und Balthasar Richter bauten den neuen Kirchturm auf
Den Neuaufbau des Kirchturms von Sankt Katharinen leitete der aus der lombardischen Metropole Mailand stammende Architekt Johann Baptista de Sala. Wenngleich de Sala das von dem eingestürzten Vorgängerturm übernommene monumentale Fundament wieder verwendete, konnte er seinen Turmbau nicht fertig stellen, weil dem Rat der Brandenburger Neustadt inzwischen das dafür benötige Geld ausgegangen war. Erst nach 10 Jahren wurde 1592 der erfolgreiche Wiederaufbau des imponierenden Turms mit seiner achteckigen Haube und seiner durchbrochenen Laterne durch den Dresdner Zimmermannsmeister Balthasar Richter abgeschlossen. Hinterher war eine frappierende Ähnlichkeit des neuen Turmdachs der Katharinenkirche mit dem der damaligen Kreuzkirche in Dresden nicht zu übersehen.
Renovierungsarbeiten an den äußeren Bausegmenten der Katharinenkirche
Eine erste durchgreifende Restaurierung der Katharinenkirche erfolgte nach der Mitte des 19. Jahrhunderts. In den Jahren 1911/12 wurde deren Innenraum frisch gestaltet. Einen gewissen anregenden Einfluss übte dabei sogar Kaiser Wilhelm II. aus, der am 30. Mai 1912 seinen Brandenburger Besuch auch dazu genutzt hatte, um das renovierte Gotteshaus wieder einzuweihen.
Die zum Ende des II. Weltkriegs teilweise zerstörte Kirche wurde zu DDR-Zeiten in den 1970er Jahren in begrenztem Umfang mit den Mitteln aus einem Denkmalfonds wieder instand gesetzt. Ab den 90er Jahren begann eine weitere Sanierungsphase, in der die spätgotische Fassung der Inneneinrichtung wieder hergestellt wurde. Die letzte Instandsetzung der Dächer, des Turms und der äußeren Fassaden der havelländischen Kirche konnten im Jahr 2004 erfolgreich abgeschlossen werden.
In der unweit der Neustädter Sankt Katharinenkirche gelegenen Gastronomie Kaffeekännchen können wir unsere erworbenen Eindrücke Revue passieren lassen.
Hinweis
Sankt Katharinenkirche ∙ Katharinenkirchplatz 2 ∙ 14776 Brandenburg an der Havel (Neustadt)
Öffnungszeiten: Mo-Fr, 11-15 Uhr ∙ Sa & So, geschlossen ∙ Telefon: 0 33 81 / 52 11 62
Kaffeekännchen ∙ Hauptstraße 20 ∙ 14776 Brandenburg an der Havel (Neustadt)
Öffnungszeiten: Do-Di, 9-17 Uhr ∙ Mi, geschlossen ∙ Telefon: 0 33 81 / 3 06 52 38
Lesenswert
Dehio, Georg: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Brandenburg. München/Berlin 2000