Seine Stiftung verdankt das an der oberen Havel gelegene Nonnenkloster zum Heiligen Kreuz dem sagenhaften Zehdenicker Wunderblut. Auch heute noch wirft das Kloster einige Rätsel auf.
Stadt und Nonnenkloster Zehdenick liegen an einem vormals bedeutenden Havelübergang zwischen dem seenreichen Ruppiner Land und dem dichten Waldgebiet der Schorfheide, im heutigen Landkreis Oberhavel. Das malerische Landstädtchen zeichnete sich sowohl durch seine strategische Lage – wie die Errichtung einer mittelalterlichen Burg verdeutlicht – als auch durch seine günstige Anbindung an bereits existierende Handelswege aus. Vielleicht ist es die landschaftliche Schönheit, die die ansässigen Slawen veranlasst hatte, diese auf den floralen Namen ihrer Siedlung zu übertragen? Der slawische Terminus Cedenik könnte nämlich mit Blumental übersetzt werden. Allerdings wäre es ebenfalls möglich, dass jener Begriff auf ein fließendes Gewässer hinweist. Die sehenswerten, nicht weit von der Havel stehenden Ruinen des früheren Nonnenklosters befinden sich unmittelbar vor den Toren der kleinen Landgemeinde. Zunächst war die Zisterze der Heiligen Jungfrau Maria und dem Heiligen Georg geweiht. In einer päpstlichen Schutzurkunde des Jahres 1409 erscheint aber plötzlich der spätere Name des Klosters zum Heiligen Kreuz – Monasterium sanctæ crucis in cedenic. Leider bleibt uns die genaue Ursache für die Veränderung des klösterlichen Weihetitels unbekannt.
Ein sagenhafter Beginn – das Zehdenicker Wunderblut
Nach einer mittelalterlichen Überlieferung soll im Jahr 1249 eine geschäftstüchtige Zehdenicker Witwe eine geweihte Hostie vor ihrem Bierfass zur Steigerung des Bierausschanks vergraben haben. Gewissensbisse veranlassten sie jedoch zum Eingeständnis ihrer frevelhaften Tat vor ihrem Beichtvater. Jener gottesfürchtige Mann ließ sofort nach der Hostie suchen. Es wurde nachgegraben und als sie gefunden worden war, war die Erde um sie herum an zahlreichen Stellen blutrot gefärbt. Die aufgefundene Oblate wurde mit großer Reverenz in die Zehdenicker Stadtkirche gebracht und in einem kostbaren Hostienschrein auf den Altar gestellt. Die Verfärbung wurde als das Blut Jesu interpretiert, das aus dem gequälten Leib des Herren – symbolisiert durch die Hostie – gequollen sein müsse. Daraufhin wurde an der Fundstelle eine kleine Kapelle errichtet. Zahllose Pilger kamen in der Hoffnung auf Heilung von ihren Krankheiten und der Befreiung von ihren Sünden zum Wunderblut nach Zehdenick. Unter den unzähligen Frommen waren auch die beiden markgräflichen Brüder Johann I. und Otto III. Fatalerweise ist von der vermutlich an der Stelle des Wunders innerhalb des märkischen Städtchens erbauten Kapelle außer deren Namen – Kapellenstraße – im heutigen Stadtbild nichts mehr erhalten geblieben.
Indessen ist das Mirakel einer blutenden Hostie in der mittelalterlichen Mark Brandenburg des Öfteren bezeugt, beispielsweise in Beelitz, 1247, in Heiligengrabe, 1287, und in Wilsnack, 1384. Sicherlich dürfte eine altfränkische Wallfahrt zum Zehdenicker Blutwunder auch gute Erträge eingebracht haben. Nach der Reformation endete die Tradition als einträglicher Wallfahrtsort zum Wunderblut, womit so lang abgotterei getrieben, wie es nun hieß. Damit war eine stetige Einnahmequelle der umtriebigen Nonnen perdu, die eine mit drei roten Tupfern gekennzeichnete Devotionalie, einen Bildstock, in der Form einer Hostie an die Pilger verkauft und daran partizipiert hatten.
Johann I. und Otto III. fundieren Kloster Zehdenick zu Ehren der heiligen Jungfrau Maria und des heiligen Georg – in honorem beatæ mariæ virginis ac sancti georgii
Wohlwollende Stifter des Klosters Zehdenick waren Bischof Rutger von Brandenburg und das gemeinsam regierende Brüderpaar, die beiden Markgrafen Johann I. und Otto III. der Fromme im Jahr 1250. Sie waren dem Vorschlag ihres franziskanischen Beichtvaters nachgekommen, zum gedechtnis dieser geschicht des soeben geschilderten Wunderblut-Ereignisses ein Jungfrauenkloster zu fundieren. Bereits vier Jahre später erfolgte die päpstliche Zustimmung durch Alexander IV. Außerdem kann die Stiftung im Zusammenhang mit der Erhebung Zehdenicks zur Stadt gestanden haben, die in jenen Jahren erstmals als civitas, als Stadtgemeinde, schriftlich erwähnt wurde.
Wenngleich das im Zuge der Erbauung einer Wallfahrtsstätte gestiftete Frauenkloster nach den Zisterzienserstatuten reglementiert war, so wurde es vermutlich niemals offiziell in den Reformorden aus Burgund inkorporiert (eingegliedert). Weil die neue klösterliche Niederlassung zur Diözese Brandenburg gehört hat, dürfte dessen Bischof auch eine kontinuierliche Aufsicht über die Zehdenicker Nonnen ausgeübt haben.
Nonnenkloster Zehdenick gelangt in den Besitz des johanneischen Zweigs der Askanier
Nach der in den Jahren 1258/60 von den beiden märkgräflichen Brüdern einvernehmlich vollzogenen Erbteilung der Mark Brandenburg gelangte das Nonnenkloster Zehdenick zum johanneischen Zweig der askanischen Herrscherfamilie. Dennoch wurde es auch weiterhin von Markgraf Otto III. gefördert. Um die geplante Vollendung sämtlicher Abteigebäude zu gewährleisten, war in den ersten Jahrzehnten der klösterlichen Existenz eine weitere Unterstützung nötig. Diesbezüglich sind uns eine ganze Reihe von Urkunden überliefert, in denen die kirchlichen Schirmherren des Nonnenkonvents denjenigen Christen großzügige Ablässe versprachen, die sich bereit fänden, pekuniäre Beiträge für den abschließenden Klosterneubau zu leisten.
Die Grafen von Lindow-Ruppin avancieren zu den neuen Herren des Nonnenklosters Zehdenick
Nach dem unerwarteten Erlöschen der Askanier im Jahr 1319 scheinen aufgrund der Abwesenheit von landesherrlicher Macht in der unmittelbar nachfolgenden Zeit zunächst die benachbarten Grafen von Lindow-Ruppin, die Herren des unweit entfernt gelegenen Ruppiner Landes, ihre schützenden Hände über das Zehdenicker Nonnenkonvent gehalten haben. Anschließend nahmen sich die neuen Wittelsbacher Markgrafen von Brandenburg, die drei Söhne Kaiser Ludwigs IV., des Bayern, nacheinander des märkischen Klosters an.
Familie von Arnim übernimmt das Nonnenkloster – Hans von Arnim versucht es zu plündern
Im wechselnden Macht- und Fehdebereich von Branden- und Mecklenburgern sowie den pommerschen Greifen gelegen, wurde die Niederlassung der Zisterziensernonnen des Öfteren bedroht oder sogar geplündert. Als Zehdenick am Beginn des 15. Jahrhunderts an die Familie von Arnim fiel, wurden jenen ursprünglich altmärkischen Burgmannen von den Brandenburger Kurfürsten auch der Schutz des Nonnenklosters übertragen. Andererseits war es der aufrührerische Hauptmann Hans von Arnim, der versucht hatte, das Zehdenicker Kloster zu plündern. Ein auskunftsfreudiger Zeitzeuge überlieferte uns hingegen das glückliche Misslingen der frevelhaften Tat aufgrund des beherzten Eingreifens der Äbtissin und deren Nonnen des mittelmärkischen Monasteriums.
Warum wurden nur wenige Ziegel im Zehdenicker Nonnenkloster verbaut? War das benachbarte Lindower Kloster die Mutterabtei Zehdenicks?
Wenn wir uns heute die Relikte des Zehdenicker Nonnenklosters eingehender anschauen, so stellen wir fest, dass in der ältesten Bausubstanz nur sehr wenige Ziegel verwendet wurden. Dieser Befund erstaunt uns umso mehr, weil in der näheren Umgebung reichliche Ziegellagerstätten vorhanden sind. Jene Region war im Zuge der aufkommenden Industrialisierung sogar zu einem Zentrum des märkischen Ziegelwesens geworden. Da es nicht an fehlenden technischen Fähigkeiten der mittelalterlichen Baumeister gelegen haben konnte – bei vergleichbaren Klöstern in der Region finden wir hervorragende Beispiele der Backsteinbaukunst – müssen wir nach anderen Gründen suchen. Möglicherweise verfügte das oberhavelländische Nonnenkloster nur über einen spärlichen Waldbestand, sodass das Brennen von Ziegeln zu teuer war, verglichen mit dem Transport von reichlich vorhandenen Feldsteinen aus dem näheren Umland. Andererseits ist aber auch eine Übernahme der vergleichbaren Bauweise des nahebei gelegenen Nonnenklosters Lindow möglich, das in seinen älteren Teilen ebenfalls aus Feldsteinen konstruiert worden war. Zudem wurde das Lindower Frauenkloster nicht lange vor der Errichtung des Zehdenicker Nonnenklosters vollendet. Daraus schlussfolgern wir, dass Kloster Lindow hinsichtlich seiner architektonischen Anlage einen gewissen Vorbildcharakter für die Zehdenicker Zisterze gehabt haben dürfte. Vielleicht hatten die Lindower Nonnen sogar den ersten Tochterkonvent für die neue geistliche Niederlassung ihres Ordens im benachbarten Zehdenick gestellt?
Auf einem Merian-Kupferstich gibt es immer viel zu sehen
Von dem ursprünglichen Charakter des märkischen Nonnenklosters legen heutzutage nur noch einige, teilweise stark ruinöse Gebäudeteile ein eher bescheidenes Zeugnis ab. Hingegen ist das mittelalterliche Kloster auf einem Kupferstich des schweizerisch-deutschen Verlegers Matthäus Merian aus dem 17. Jahrhundert noch in seinem gesamten Umfang hervorragend zu erkennen. Gut sichtbar sind auf dem Merian-Stich die in Richtung der Stadt Zehdenick vorgelagerten Wirtschaftsgebäude. Darunter befindet sich das klösterliche Brauhaus mit seinen zahlreichen Kaminen. Es bildete den Ursprung der seinerzeit regional bekannten und beliebten Zehdenicker Klosterlauge. Heute werden die letzten mittelalterlichen Impressionen hauptsächlich durch die Ruine des Ostflügels, das Innere des Nordgebäudes und Teilen des einstigen Kreuzganges vermittelt.
Die sogenannte Klippscheune und ein geheimnisvoller unterirdischer Klostergang
Die Bauausführung der sogenannten Klippscheune muss als spärlich bezeichnet werden. Im Obergeschoss können wir unregelmäßig verteilte Spitzbogenfenster ausmachen, die jetzt vermauert worden sind. Bedauerlicherweise ist der einstige Verwendungszweck der Klippscheune vollkommen ungewiss.
In das Reich der Legende gehört die Existenz eines unterirdischen Ganges von mehreren Kilometern Länge, der zum Zisterzienserkloster Himmelpfort, cœli porta, im Lande Lychen geführt haben soll. Mit dessen Hilfe hätten sich die Mönche und Nonnen zu einem Stelldichein getroffen. Von vergleichbaren geheimnisvollen Klostergängen wurde auch andernorts immer wieder im einfachen Volk gemunkelt.
Seit 1946 unterstehen die ehemaligen Konventsgebäude der Brandenburgischen Landeskirche und beherbergen nun die Wohnungen kirchlicher Mitarbeiter, eine häufig frequentierte Beratungsstelle sowie einige Ausstellungsräume. Im einstigen Refektorium, dem Speisesaal der Nonnen, sorgt das kleine Klostercafé mit seinem hübschen Kaffeegarten für das leibliche Wohlergehen der modernen Klostergäste. Ferner dient die frühere Frauenabtei zum Heiligen Kreuz in cedenic – wie es einst geschrieben wurde – in den warmen Sommermonaten als pittoreske Szenerie für Freilichtkonzerte und Theateraufführungen.
Hinweis
Zisterzienser-Nonnenkloster Zehdenick · Im Kloster 2 · 16792 Zehdenick · Landkreis Oberhavel
Besuchszeiten: Mo-So von 10-18 Uhr. Die Öffnungszeiten gelten für den Klosterhof und den Kreuzgang. Führungen durch das Kloster einschließlich der Räume im Nordflügel kosten 2,00 €.
Telefon: 0 33 07 / 4 20 51 72
Regeneration
Restaurant & Café da Vinci Zehdenick · Schleusenstraße 20 · 16792 Zehdenick
Öffnungszeiten: Mo, Ruhetag · Di-So von 12-21 Uhr · Telefon: 0 33 07 / 4 99 86 52
Lesenswert
Abb, Gustav: Das Bistum Brandenburg, in: Germania Sacra, II. Teil. Stifter und Klöster der Diözese im Bereich der Kurmark Brandenburg. Das Zisterziensernonnenkloster in Zehdenick. Berlin & Leipzig 1929, 2 Bände