Ein Park an der Elbe. Ein Porzellanschloss. Ein Garten für nachhaltige Küche.
Das alles bietet Ihnen das Japanische Palais.
Wir besuchen den vierflügeligen Palast von August dem Starken.
Drei Annäherungen an den Bau des Dresdener Barock.
Ein ganzes Schloss für Porzellan. So war es mal gedacht, als August der Starke (1670-1733) ein paar Jahre vor seinem Ableben einem der Baumeister des Dresdener Barock, Matthäus Pöppelmann (1662-1736), einen gewichtigen Auftrag erteilte. Der König von Polen (aber immer noch Kurfürst von Sachsen) war völlig der feinen gebrannten weißen Keramik verfallen und wünschte sich für seine umfangreiche und stetig wachsende Porzellansammlung einen angemessenen Bau. So kam es, dass er das 1717 erbaute Holländische Palais am Dresdener Elbufer übernahm und zu einer prunkvollen vierflügeligen Anlage mit großem Garten ausbauen ließ. Das Japanische Palais wurde im Todesjahr August des Starken vollendet.
Das weltweit erste Glockenspiel aus Porzellan schlug im Japanischen Palais
Da der Sohn von August dem Starken Friedrich August II. (1696-1763) mit Porzellan nicht viel am Hut hatte, wanderte bald eine Skulpturensammlung in das Japanische Palais. Der Sohn war dennoch ein wichtiger Sammler und Förderer der Künste. Er führte Sachsen in den siebenjährigen Krieg (1756-1763), an dessen Ende allerdings die Preußen als große Gewinner dastehen sollten. Folgerichtig verstarb Friedrich August II. alsbald bei einem Opernbesuch – da gibt es schlechtere Wege, um abzudanken. Das Porzellan, welches also nie so richtig Fuß fassen konnte im Japanischen Palais, wird heute mitunter im Zwinger ausgestellt. Mehrere hundert Objekte der ursprünglich 40.000 konnten erhalten und wieder zusammengeführt werden. Schön ist die Geschichte des Glockenspiels, welches 1730 in der von August dem Starken 1710 gegründeten Königlich-Sächsischen Porzellanmanufaktur Meissen in Auftrag gegeben wurde. Jahre der Herstellung und tausende Glocken Verschleiß führten letztlich zu einem mittelprächtigen Klang; und dennoch waren die Keramikglocken wie ein Wunder. 1736 an Weihnachten war es endlich soweit – sie ertönten im Japanischen Palais. Noch heute sind sie im Zwinger zu besichtigen; dorthin wurden sie Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts überführt und erklingen alle paar Jahre einmal zu besonderen Anlässen.
Das Japanische Palais in harmonischer Eintracht mit dem Palaisgarten
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich dem Japanischen Palais anzunähern. Das hängt ja vielleicht auch davon ab, wo der Reisebus eine Möglichkeit zum Parken bekommt. In der inneren Dresdener Neustadt nahe der Elbe ist das eine ganz schöne Herausforderung. Wenn Sie sich nicht einfach zwischen Neustädter Markt und Leipziger Tor an der Meißner Straße absetzen lassen können, haben wir drei Empfehlungen für Sie. Ein Parkplatz befindet sich auf der anderen Elbseite Am Ostraufer. Von dort können Sie über die Marienbrücke laufen und haben schon bei der Annäherung einen ganz besonderen Anblick auf das Japanische Palais und seinem riesigen, zur Elbe hin gelegenen Palaisgarten. Der hat freilich nicht die herrliche Pracht, die er vor der Bombardierung Dresdens 1945 hatte. Dennoch beeindruckt er mit seiner ausgedehnten Rasenfläche, den einzelnen prunkvollen Bäumen und nicht zuletzt durch die malerische Elbufernähe. Ursprünglich war er 1718 als französischer Barockgarten von Johann Friedrich Karcher angelegt worden. Damals war er noch reichlich von Skulpturen und herrschaftlich beschnittenen Hecken geprägt. Auch einen von Pöppelmann gestalteten Gondelhafen gab es. Eine solche Anlegestelle für Gondeln des Sächsischen Hofes kann übrigens noch heute am Wasserpalais Pillnitz elbaufwärts bewundert werden. Die zweite Möglichkeit zu parken befindet sich in der Sarrasanistraße beim Carolaplatz. Benannt ist sie nach dem Zirkus Sarrasani, der hier zu Anfang des 20. Jahrhunderts seinen Standort hatte. Der spektakuläre Zirkusbau wurde ebenfalls beim Dresdener Feuersturm zerstört und der Maßstäbe setzende Zirkus kam in den Folgejahren im Filmtheater Schauburg unter. Parkplatzvariante Nummer drei ist an der Theresienstraße. Vom dortigen Standort können Sie etwa 200 Meter bis zum Albertplatz und dann in gerader Linie die Königstraße auf das Japanische Palais zulaufen. Exakt für diese Blickachse wurde das Porzellanschloss erbaut (tatsächlich hätte es nach Willen August des Starken komplett mit Meissner Porzellankacheln versehen werden sollen). 500 Meter zieht sich die von Bäumen gesäumte kleine Allee bis zum Palaisplatz.
Das Leipziger Tor am Japanischen Palais in Dresden
Zwar legt sich die Meissner Straße (sie ist zugleich auch die B 170) unschön zwischen das Japanische Palais und Palaisplatz, aber der im Durchmesser über 20 Meter große flache Brunnen mit einem Beckenrand aus Granit ist ein besonderer Anblick. Insbesondere dann, wenn die Landeshauptstadt Dresden grade ausreichend Finanzmittel zur Verfügung hat und auch die Trockenheit nicht zum Wassersparen mahnt. Dann sprudelt der Brunnen nämlich aus 40 Fontänen, die um eine zentrale, zwei Etagen hoch schießende Wasserfontäne im Zentrum verteilt sind und den Besucher freudvoll empfangen. Ursprünglich 1898 erbaut, wurde er fast einhundert Jahre später rekonstruiert, drei Jahre nach der Wiedervereinigung, um genau zu sein. Am Palaisplatz steht auch das sogenannte Torhaus, welches inzwischen Klub und Bar ist, nachdem sich von den 50er Jahren bis in die 90er Jahre hier etwa 70.000 Paare haben trauen lassen. Es war das offizielle Standesamt. Der fast 30 Meter lange, 11 Meter hohe und mit vier dorischen Säulen versehene Bau im klassizistischen Stil wurde in den 20er Jahren des 19. Jahrhundert vom Dresdener Architekten Gottlob Friedrich Thormeyer (1775-1842) errichtet. Ob ihm das heutige Nutzungskonzept zusagen würde, ist stark zu bezweifeln. Das Leipziger Tor bestand ursprünglich aus zwei solchen Bauten (einer wurde zu DDR-Zeiten abgerissen).
Kunst und Wissenschaft teilen sich das Japanische Palais
Das Japanische Palais wurde in den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts fertig gestellt. Neben Pöppelmann wirkten auch zwei weitere Baumeister des Dresdener Barock mit. Sehr intensiv Zacharias Longuelune (1669-1748) und eher sporadisch der ebenfalls berühmte Johann Christoph Knöffel (1686-1752). Die Verbindung mit der asiatischen Kultur und Architektur gelang vor allem durch die pagodenförmig geschwungenen Kupferdächer. Darüber hinaus gibt es in den steinernen Giebeln Reliefs, die Szenen des kulturellen Austausches zeigen – auf Augenhöhe begegnen sich hier für den wohlwollenden Betrachter die Sachsen und die Asiaten. Sie halten Porzellan aus Fernost und aus der Meissner Porzellanmanufaktur in ihren Händen. Im Japanischen Palais selbst gibt es heute Sonderausstellungen der zahlreichen Museen der Staatlichen Kunstsammlung Dresden zu erkunden. Im Sommer 2022 beispielsweise die Kunst der deutschen Stipendiaten der Villa Massimo in Rom; dabei handelt es sich um einen sehr renommierten Kunstort, der 1910 von dem jüdischen Kunstmäzen Eduard Arnhold ins Leben gerufen wurde und sich bei Architekten, bildenden Künstlern, Literaten und Komponisten höchster Beliebtheit erfreut. Sie präsentieren ihre Ergebnisse und Werke nun folgerichtig in Elbflorenz. Unter dem schönen Ausstellungstitel, der als Ausruf Galileo Galilei bei der Widerrufung seiner Theorien von der Kirche zugeschrieben wird: Eppur si muove – und sie bewegt sich doch! Auch eine Abteilung des berühmten naturkundlichen Frankfurter Senckenberg Museums befindet sich im Bau. Dass der nach Umbauten und massiven Weltkriegsschäden überhaupt noch besteht, ist in erster Linie seinem Wiederaufbau seit Beginn der 50er Jahre zu verdanken. In vielen Etappen geht es zurück zu alter Pracht und noch immer ist einiges im Inneren zu tun.
Gemeinschaft und Nachhaltigkeit – das Japanische Palais geht in die Zukunft
Im Documenta Jahr 2022 steht der 1785 angebrachte und dem Palaisplatz zugewandte Leitspruch dem Japanischen Palais besonders gut zu Gesicht: MUSEUM USUI PUBLICO PATENS (Museum zur öffentlichen Nutzung). Denn was in Kassel bei der fünfzehnten Documenta Programm ist, ist es hier schon seit über 100 Jahren. Das diesjährige Documenta-Motto (des indonesischen Kuratorenteams) lautet lumbug, was sinngemäß für Gemeinschaft und Teilen steht. Kunst im öffentlichen Raum, verstanden als gemeinsamer Prozess, als großes Miteinander. Ein sehr anschauliches Beispiel dafür liefert das Japanische Palais mit seinem Garten im Innenhof. Hier finden wir zu unserer Überraschung ein Café. Entstanden ist es 2019 im Zuge einer Zero-Waste-Kampagne und –Ausstellung. Zero Waste (also Kein Müll) ist ein Leitbegriff der Generation Fridays for Future und ihrer Vorläufer. Nachhaltige Wirtschaftskreisläufe stehen im Zentrum dieses auch im Japanischen Palais ehrenamtlich getragenen Engagements. Das Café war schnell so beliebt, dass es sich nachhaltig verstetigte und bis heute zum Verweilen und Essen einlädt. Es ist ein Ort entstanden, der Ökologie und Gemeinschaft ins Zentrum eines Gebäudes stellt. Ein Gebäude, deren Erbauer Gärten damals oftmals nur als Lust- und Wandelgärten für wenige begriffen haben. Nun wird das Konzept umgedreht und alle sind eingeladen teilzuhaben oder auch gleich mitzuwirken (Kontakt: garten@skd.museum). Es gibt Tartes, Suppen, kleine Gerichte mit Gemüse und Kräutern; letztere natürlich aus dem Hof des Japanischen Palais. So gestärkt kann es dann gleich weiter zu den nächsten Sehenswürdigkeiten Dresdens gehen. Es sei denn, es findet gerade der Palais Sommer statt. Dabei handelt es sich um ein jährlich stattfindendes Kunst- und Kulturfestival in den Gärten des Japanischen Palais. Hier gibt es Konzerte, Lesungen, Malerei und Workshops zum Mitmachen. Da lässt man doch den Reisebus gerne noch eine Weile stehen und den Tag am Elbufer mit Blick auf die Dresdener Altstadt ausklingen. Eine schöne Atmosphäre bietet der ufernahe Glockenspielpavillon (auch hier ertönt ein Glockenspiel aus Meissner Porzellan). Der, es verwundert uns inzwischen nicht mehr, im Zweiten Weltkrieg ebenfalls zerstörte (und in den 90er Jahren wieder rekonstruierte) kleine Rundbau hieß vor dem Krieg Milchpavillion. Hier vertrieb die Pfunds Molkerei seit 1936 einen Milchverkauf direkt am Elbufer – Ideen muss man haben!
Hinweise
- Kontakt zum Besucherservice der Staatlichen Kunstsammlung Dresden (zu der auch das Japanische Palais gehört) bekommen Sie unter der Telefonnummer 0351-49142000 oder Sie schreiben eine E-Mail an besucherservice@skd.museum
- Die Adresse des Japanischen Palais lautet: Palaisplatz 11, 01097 Dresden
- Das Japanische Palais hat täglich außer Montag von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet
Lesenswert
Es gibt eine große Auswahl an Literatur und Bildbänden zu japanischer und asiatischer Architektur. Vielleicht hilft Ihnen ein solches Buch, die subtilen und weniger subtilen Einflüsse auf das Bauen im Dresdener Barock zu identifizieren. Nicht umsonst spricht man in Bezug auf diese asiatischen Einflüsse in Dresdens Kunst und Architektur von Chinoiserie. Auch zu dem Begriff finden sich reich bebilderte Bücher. Viel Freude beim Entdecken!