Nachdem wir die äußere Architektur der in der Brandenburger Neustadt gelegenen Sankt Katharinenkirche bewundert haben, möchten wir das reiche Interieur des spätgotischen Gotteshauses anschauen.
Uns erwarten eine farbenprächtige Ausmalung, der Hoch- und Hedwigsaltar, die größte Orgel des Landes Brandenburg, die Kanzel sowie zahlreiche Epitaphe im Inneren von Sankt Katharinen.
Die prunkvolle Ausstattung, das Interieur der Kirche Sankt Katharinen belegt den damaligen Wohlstand in der Neustadt von Brandenburg an der Havel. Neben der reichen Innenausstattung mit ihren bedeutenden Kunstwerken ist die mittelalterliche Wand- und Deckenmalerei besonders beeindruckend für den staunenden Besucher.
In den 1980er Jahren konnte die spätgotische Ausmalung des 15. Jahrhunderts zunächst freigelegt, fast lückenlos gesichert und anschließend wiederhergestellt werden. Dazu gehört ein weißes Fugennetz auf rotem Grund. Wobei die Gewölbefelder und die Gewölberippen vielfältige florale Formen aufweisen. Hingegen sind die Basen, die schlanken Säulen, sogenannte Dienste, und die oberen Teile des Gewölbes, die Kämpfer, grau abgesetzt. Im zentralen Chorgewölbe werden die gotischen Gewölbebemalungen durch einzelne Heiligendarstellungen und groteske Fabelwesen bereichert, die auch Drôlerien genannt werden.
Der große Hochaltar von Meister Gerard Weger im Chor des 15. Jahrhunderts
Im Chor beziehungsweise im Langhausmittelschiff erhebt sich der imposante Hochaltar, ein vierflügliger Schnitzaltar, der Sankt Katharinenkirche. Auf der mittelalterlichen Mensa, dem von einem Bischof konsekrierten Altartisch, steht die Predella, ein flacher Sockel, in dem fünf Szenen der Katharinenlegende dargestellt sind. Darüber befindet sich der geschnitzte Altaraufsatz, das mit Heiligenfiguren geschmückte Retabel, das zwei Flügelpaare aufweist.
Im mittleren vergoldeten Schrein erkennen wir unter reichen Baldachinen als primäre Schnitzfigur die Madonna, die zwischen vier Heiligen – links Katharina und Andreas sowie rechts Amalberga und Ägidius – steht. In den beiden Flügeln sind jeweils vier Reliefs der Kindheit Jesu zu sehen. In der ersten Wandlung werden farbige Szenen aus dem Leben der heiligen Katharina und der heiligen Amalberga abgebildet. Hingegen wird auf den Außenseiten der Altarflügel die Passion Christi, der überlieferte Leidensweg des Gottessohnes, wiedergegeben.
Im sogenannten Gesprenge, dem geschnitzten Zieraufsatz oberhalb des gotischen Hochaltars, befindet sich unter dem mittleren Bogen das ausdrucksstarke Relief der Kreuztragung Christi nach Golgatha. Jeweils seitlich davon sind Christus vor Pontius Pilatus, dem Präfekten des römischen Kaisers Tiberius in der Provinz Judäa, und eine Szene aus der Vorhölle oder dem äußersten Kreis der Hölle bildnerisch gestaltet. Darüber können wir zwischen Engeln und Propheten die zentrale Kreuzigungsgruppe auf dem historisch nicht eindeutig identifizierten Kalvarienberg außerhalb des antiken Jerusalem ausmachen.
Der mittelalterliche Meister des großen Hochaltars Gerard Weger hat sich an einer versteckten Stelle seines großartigen Werks mit seinen beiden Initialen und der Jahreszahl 1474 verewigt. Erste Restaurierungen des imposanten Altars fanden bereits im 19. Jahrhundert und nach 1945 statt.
Die aus dem 18. Jahrhundert stammende Orgel des Orgelbauers Joachim Wagner
Der brandenburgische Orgelbauer Joachim Wagner hatte am Beginn des 18. Jahrhunderts die prächtige Orgel in der Neustädter Kirche Sankt Katharinen konstruiert. Mit Sicherheit gehört ihr von Johann Georg Glume stammendes Barockgehäuse zu den schönsten in ganz Deutschland.
Bildhauer Glume hat auch das vom preußischen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. in Auftrag gegebene Sandsteindenkmal für den volkstümlichen Großen Kurfürsten im havelländischen Rathenow angefertigt, über das unser Buskompass-Autor bereits berichtete.
Am Ende des 19. Jahrhunderts baute der aus Frankfurt an der Oder kommende Orgelbauer Wilhelm Sauer ein neues mechanisches Werk in das vorhandene Gehäuse von Glume ein. Anschließend erneuerte in den 1930er Jahren die renommierte Potsdamer Orgelbaufirma Alexander Schuke die Orgel in Sankt Katharinen. Schließlich wurde die mit beinahe 6400 Orgelpfeifen ausgestattete größte Orgel des Landes Brandenburg in den Jahren 2019/20 noch einmal von der Orgelbaufirma Schuke umfassend restauriert. Insgesamt betrugen die Gesamtkosten der Sanierung stolze 925.000 Euro.
Die im 17. Jahrhundert gestiftete Kanzel im Langhausmittelschiff
In der Mitte des Langhauses ist am dritten nördlichen Pfeiler die im Jahre 1668 von Matthäus Hesse und dessen Ehefrau Magdalena Kramer gestiftete Kanzel angebracht. Es handelt sich um einen polygonalen, von der stattlichen Figur des Missionars Paulus von Tarsus gestützten Korb. An der einheitlich gestalteten Treppe sind bewegte Schnitzfigürchen Christi und der Apostel dargestellt, die in kleinen Muschelnischen zwischen gewundenen Säulen stehen.
Der Schalldeckel mit seiner durchbrochenen Laterne, einem turmartigen Aufsatz, ist von mehreren die Leidenswerkzeuge haltenden Engeln umgeben. Es soll erwähnt sein, dass die Darstellung der Leidens- oder Passionswerkzeuge Jesu Christi seit dem ausgehenden Mittelalter in der christlichen Ikonographie gängig geworden war. Bekrönt wird die Kanzel durch den auferstandenen Heiland. Mehrere Restaurierungen erfolgten im frühen 18. und zweimal im 20. Jahrhundert.
Der im 15. Jahrhundert angefertigte Hedwigsaltar in der südlichen Schöppenkapelle
Bei dem in der südlichen Schöppenkapelle befindlichen Hedwigsaltar handelt es sich um einen niederländisch beeinflussten Flügelaltar aus der Zeit um 1480. Er wurde in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts restauriert.
An dem flachen hölzernen Sockel, der Predella, zwischen den hochformatigen Heiligenbildern von Anna selbdritt, der trauernden Schmerzensmutter und des heiligen Antonius von Padua, sind tafelartige Streifenkompositionen christologischer Szenen wiedergegeben.
Im mittleren Schrein sehen wir unter einem filigranen Baldachin die drei Schnitzfiguren der heiligen Hedwig von Schlesien zwischen den beiden Schutzpatronen gegen die Pest oder den Schwarzen Tod, den heiligen Adrianus von Nikomedien sowie den heiligen Rochus von Montpellier. Alle drei Heiligen wurden vor einem blau bemaltem und mit plastischen Kanten versehenen Brokatvorhang drapiert.
Auf den beiden Flügeln des Altars sind hochwertige Malereien aus der Hedwigslegende beziehungsweise aus dem Leben Christi dargestellt. Außen links erkennen wir tradierte Szenen der Rochusvita, rechts können wir die Adrianuslegende und die legendäre Gregorsmesse bewundern. Die sogenannte Gregorsmesse war ebenfalls ein gern verwendetes Bildthema der christlichen Ikonographie des ausklingenden Mittelalters. Nach der althergebrachten Legende hatte Papst Gregor I., der Große, bei der Feier der Heiligen Messe eine bildhafte Vision von der Erscheinung des leibhaftigen Christus als Schmerzensmann mit den Leidenswerkzeugen gehabt.
Ein Höhepunkt der Grabkunst – das Renaissance-Wandepitaph für den Ritter Berndt von der Schulenburg und dessen Familie
Einen fulminaten Höhepunkt der Grabkunst in Sankt Katharinen bildet das prunkvolle Renaissance-Wandepitaph für den brandenburg-preußischen Ritter Berndt von der Schulenburg (†1601) und dessen Familie. Das aus Sandstein von bemerkenswerter Qualität angefertigte Epitaph wurde in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts restauriert. Bei dem versierten Künstler dürfte es sich sehr wahrscheinlich um den in Magdeburg an der Elbe geborenen Bildhauer und Steinmetz Christoph Dehne (*1575) gehandelt haben, der auch das im Brandenburger Dom Sankt Peter und Paul befindliche Epitaph für den Domherren Adam von Königsmarck geschaffen hat. Der aufmerksame Betrachter des Grabdenkmals in Sankt Katharinen sieht sich einem mehrgeschossigen Architekturaufbau mit antiken Doppelsäulen, Beschlagwerk und reichem Figurenschmuck gegenüber. Wobei der porticusähnliche Aufbau des Schulenburger Epitaphs eindeutig in wohl proportionierten Renaissanceformen ausgeführt wurde. Im Vordergrund des konzentrierten Besuchers befinden sich die vollplastischen, lebensgroßen und knienden Figuren der Stifterfamilie, während im Hintergrund einige Statuetten sowie an der Rückwand eine Schattenbemalung zu sehen sind. Im Mittelpunkt des Wandepitaphs befindet sich das zentrale Relief mit der Auferstehung Christi am dritten Tag nach seiner Kreuzigung. In den beiden seitlichen Nischen sind Christus Salvator mundi, der Erlöser der Welt, und Johannes der Täufer zu erkennen. Über dem jeweiligen klassischen Säulenpaar sind die herrschaftlichen Wappen derer von Quitzow und von der Schulenburg zu sehen. Aus der in der Altmark bei Salzwedel ansässigen Adelsfamilie von der Schulenburg entstammten Feldmarschälle, Generäle, preußische Offiziere, Staatsminister und Bischöfe. Zwei Angehörige des Geschlechts, Fritz-Dietlof und Friedrich-Werner Graf von der Schulenburg, gehörten zum Verschwörerkreis des 20. Juli 1944. Sie wurden nach dem gescheiterten Attentat gegen den Diktator Hitler in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
Brandenburg an der Havel – Südpunkt der Europäischen Route der Backsteingotik
Die alte Hanse- und Fernhandelsstadt Brandenburg an der Havel bildete im Spätmittelalter den unbestrittenen Knotenpunkt zwischen Elbe und Oder. Heute ist sie die südlichste deutsche Stadt, die an der Europäischen Route der Backsteingotik liegt. Neben der in der Brandenburger Neustadt gelegenen Sankt Katharinenkirche sind der Dom Sankt Peter und Paul, das Altstädtische Rathaus mit dem Roland, die Sankt Gotthardtkirche, das ehemalige dem Orden der Dominikaner gehörende Kloster Sankt Pauli und weitere mittelalterliche Gebäude ansehenswerte gotische Bauwerke in der langlebigen Havelstadt.
Bevor wir mit unserem Reisebus weiterfahren, können wir uns im Caféhaus Pauline sammeln und ausruhen.
Hinweis
Sankt Katharinen ∙ Katharinenkirchplatz 2 ∙ 14776 Brandenburg an der Havel (Neustadt) ∙
Telefon: 0 33 81 / 52 11 62
geöffnet: Mo-Sa 11-15 Uhr ∙ Sonn- und Feiertage 13-16 Uhr
Café Pauline ∙ Neustädtische Heidestraße 28 ∙ 14776 Brandenburg an der Havel (Neustadt)∙ Telefon: 0 33 81 / 8 04 88 04
geöffnet: Di-So 10-18 Uhr ∙ Frühstück 10-12 Uhr ∙ Mittagsimbiss 12-14 Uhr ∙ Abendbrot ab 16 Uhr
Lesenswert
Zaske, Nikolaus: Hinrich Brunsberg, in: Große Baumeister, hg. von Ule Lammert, Berlin 1990, Band 2