Nachdem wir uns die Alte Bibliothek, die Berliner „Kommode“, angeschaut haben, zieht uns die monumentale Kuppel der benachbarten Sankt-Hedwigs-Kathedrale wie ein magischer Magnet an. Wer schon einmal in Rom war, besuchte vielleicht das mit dem Berliner Sakralbau vergleichbare Monument – das antike Pantheon auf dem Campo Marzio? Über architektonische Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
Zu den prominentesten Sakralbauten nördlich der Alpen, die sich am Vorbild des antiken, auf dem Marsfeld, dem Campo Marzio, in Rom stehenden Pantheons orientieren, gehört zweifelsohne die katholische Sankt-Hedwigs-Kathedrale in Berlin. Versteckt liegt sie ein wenig schräg hinter der berühmten Staatsoper Unter den Linden in der zweiten Reihe, am südöstlichen Abschluss des geplanten Forum Fridericianum, dem heutigen Bebelplatz, im pulsierenden Herzen der deutschen Hauptstadt. Mit der durchdachten Bebauung des majestätischen Prachtplatzes hatte Friedrich der Große die spätbarocke Aufwertung seiner bis dato ein wenig bescheidenen märkischen Residenzstadt immens gefördert.
In freundschaftlicher Kooperation verbunden, lieferten der allseits geschätzte Lieblingsarchitekt Friedrichs II., der talentierte Baumeister der Linden-Oper, Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, und der gebürtige Pariser Jean Laurent Legeay gemeinsam den architektonischen Plan zur Errichtung der imposanten Sankt-Hedwigs-Kathedrale. Sie entstand als zweites Bauwerk auf dem weiten Forum Fridericianum, dem „Marktplatz Friedrichs [des Großen]“, in der Mitte des 18. Jahrhunderts.
Allerdings sollten bis zur Weihe des kolossalen Sakralbaus über 25 Jahre vergehen. 1747 war die feierliche Grundsteinlegung für den barocken Zentralbau erfolgt. Indessen wurden aufgrund von knappen Finanzen der aufwendige Weiterbau im Jahre 1755 nicht nur unterbrochen, sondern zwei Jahre später auch noch wegen des nicht enden wollenden Siebenjährigen Krieges komplett eingestellt. Inzwischen hatte der leidenschaftliche Bauherr Friedrich der Große seine rastlose Bautätigkeit in das bei Berlin gelegene pittoreske Potsdam verlagert, was dazu führte, dass das vormalige Interesse an seinen älteren Projekten in seiner expandierenden Spree-Residenz massiv zurückgegangen war.
Die Wahl der Heiligen Hedwig, der Königin Jadwiga, als Schutzpatronin erfolgte mit Absicht
Weder die Errichtung noch das Patrozinium, die Schutzherrschaft, der neuen katholischen Kirche Berlins, die der beliebten Patronin Schlesiens, der Heiligen Hedwig, der polnischen Königin Jadwiga, geweiht war, erfolgte rein zufällig. Vielmehr hat Friedrich der Große nach seinem siegreichen schlesischen Krieg, dem sogenannten Siebenjährigen Krieg, ein klares Signal der religiösen Toleranz an seine katholischen Untertanen in seiner neu eroberten Provinz gesendet, die gleichermaßen in der wachsenden Berliner Gemeinde stetig an Einfluss und Bedeutung gewonnen hatten.
Die gleiche Absicht der religiösen Toleranz galt auch für die Wahl des architektonischen Vorbilds, mit dem Knobelsdorff und Legeay auf ein bedeutendes Hauptwerk des antiken Sakralbaus zurückgriffen.
Obwohl die grandiose Sankt-Hedwigs-Kathedrale mit ihrem vorgesetzten antikisierenden Säulenportikus und der kuppelbekrönten Rotunde keine direkte Kopie des antiken Pantheons ist, das die Römer umgangssprachlich La Rotonda nennen, steht das Berliner Gotteshaus dennoch unverkennbar in dessen baulicher Tradition.
Da der altgriechische Name Pantheon eine Weihung an alle Götter impliziert, wird es auch in der festen Absicht des in sämtlichen Religionsfragen toleranten Friedrich II. gelegen haben, seine protestantischen und katholischen Untertanen in einem neu konzipierten Sakralbau, der Sankt-Hedwigs-Kathedrale, friedlich unter einem gemeinsamen Dach zusammenzubringen.
Der christliche Figurenschmuck an der barocken Sankt-Hedwigs-Kathedrale
Am 1. November 1773 erfolgte die sakrale Weihe der neuen Kathedrale. Niemand dürfte bestreiten, dass die hübsche Sankt-Hedwigs-Kathedrale ein fulminanter Höhepunkt des barocken kirchlichen Zentralbaus in Berlin darstellt. Vor dem unter der hohen Kuppel liegenden kreisrunden Zentralbau befindet sich der giebelbekrönte Säulenportikus mit dem zum Bebelplatz gewendeten Eingangsportal.
Im oberen Giebelfeld ist die sogenannte Hedwigsgruppe zu sehen, die aus dem späten 18. Jahrhundert stammt. Hingegen wurde der darunter befindliche und christliche Szenen abbildende Skulpturenschmuck erst im 19. Jahrhundert ausgeführt. Ebenso wie der mächtige Zentralbau ist der rückwärtige Kapellenanbau überkuppelt, in dem die obligatorische Sakristei für die liturgischen Gewänder und die Accessoires für den Gottesdienst untergebracht ist.
Die Sankt-Hedwigs-Kathedrale nach dem Zweiten Weltkrieg
Bei einem alliierten Luftangriff in den 1940er Jahren wurde die altehrwürdige Sankt-Hedwigs-Kathedrale bis auf die tragenden Umfassungsmauern zerstört. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte der über 10 lange Jahre andauernde Wiederaufbau des zentralen Sakralbauwerks. Im Zuge dessen wurden nicht nur der immense Innenraum des gewaltigen Gotteshauses neu gestaltet, sondern auch die ursprüngliche Krypta als sogenannte Unterkirche mit in den weihevollen Andachtsraum einbezogen. Heute ist sie die imposante Bischofskirche des Bistums Berlin und eine beliebte Sehenswürdigkeit auf dem allzeit belebten Bebelplatz.
Hinweis
Sankt-Hedwigs-Kathedrale, Bebelplatz, 10117 Berlin-Mitte
Eintritt: frei
Achtung: Die Sankt-Hedwigs-Kathedrale ist derzeit für einen Umbau des Innenraums geschlossen.
Anfahrt: Haltestelle der Busse 100, 300 & N5 an der Staatsoper Unter den Linden. Von dort aus sind es zu Fuß gut 200 Meter über den Bebelplatz bis zur Sankt-Hedwigs-Kathedrale.
Lesenswert
Büttner, Horst; u.a.: Bau- und Kunstdenkmale Berlin I, Berlin 1984
Goetz, Christine & Victor H. Elbern: Die St. Hedwigs-Kathedrale zu Berlin. Regensburg 2000
Knell, Heiner: Vom Parthenon zum Pantheon. Meilensteine der antiken Architektur. Darmstadt 2013