Kurioses aus Schleswig-Holstein: Ein fürsorglicher Sklavenhändler, ein schläfriger Löwe aus Stein und ein blaues Zimmer im Schloss sind die Höhepunkte von Schloss Ahrensburg zwischen Hamburg und Lübeck.
Es ist ein schöner Tageseinstieg bei nur leicht bewölktem schleswig-holsteinischem Himmel bei unserem Besuch auf Schloss Ahrensburg. Denn direkt vom Reisebusparkplatz aus geht es über eine lange steinerne Schlossbrücke auf eine vom Burggraben begrenzte Baumallee zu, hinter der sich ein prächtiger Bau aus der Renaissancezeit versteckt. Je näher wir ihm kommen, desto imposanter erscheinen die vier zarten dunklen Türmchen, die sich über einer strahlend weißen Fassade und über einem rot gedeckten Dach mit drei Giebeln erheben. Ganz entzückt von dem Eindruck beschließen wir zunächst um das Schloss herum zu gehen, bevor wir uns dem Eingangsportal nähern. Geradezu lieblich sind die Blickachsen, die sich immer wieder ergeben, während wir das ehemalige Herrenhaus umrunden. Bäume, grüne Wiesen und ein Burggraben begrenzen dieses magische prunkvolle Rechteck. Später bei der Führung werden wir erfahren, dass der Burggraben, der schon beim Bau des Schlosses im späten 16. Jahrhundert angelegt und im 18. Jahrhundert absichtlich zugeschüttet wurde, erst in den 80-er Jahren wieder frei gelegt und nach alten Plänen rekonstruiert wurde. Man hatte festgestellt, dass die Hunnau (ein kleiner Nebenfluss der Alster), welche den Burggraben beständig flutet, selbst dafür sorgt, dass das Wasser in seinem schmalen Flussbett weiterfließen kann. Dadurch wird verhindert, dass der gesamte Grund von Feuchtigkeit durchdrungen wird. Das schadete der Bausubstanz, insbesondere dem unter Wasserniveau liegendem Kellergeschoss von Schloss Ahrensburg. Es war also eine denkmalschützende Aufgabe, Schloss Ahrensburg in das Wasserschloss zurückzuverwandeln, welches es einst gewesen war.
Baron von Schimmelmann war der prägendste Eigentümer von Schloss Ahrensburg
Dass Heinrich Carl von Schimmelmann (1724-1782) das Kleinod während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) erstehen konnte, war seinen besonderen Fähigkeiten als Kaufmann zu verdanken. Ursprünglich handelte er mit Getreide und war Getreidelieferant des preußischen Heeres. Das brachte ihn in Kontakt mit König Friedrich II. und auf eine geniale Idee. Der Alte Fritz war ab 1772 König von Preußen und als dieser in den Besitz der schon damals wertvollen Meissner Porzellanmanufaktur gekommen. Schimmelmann erwarb von Friedrich II. in großen Mengen Lagerbestände der wertvollen Keramik. Er brachte sie nach Hamburg, veräußerte sie dort bei Versteigerungen und wurde somit ein reicher Mann. Er stieg zu einem der wohlhabendsten Männer des damaligen Europa auf; seine kleine Handelsflotte bestand aus 14 Schiffen. Aus heutiger Sicht muss man allerdings festhalten, dass er sich dabei mehr als nur die Hände schmutzig machte. Er war federführend bei einem sogenannten Dreieckshandel. Dieser bestand daraus, dass Schimmelmann als Sklavenhändler Sklaven in Afrika erwarb und diese in die Karibik verbringen ließ, wo sie die Zuckerrohrplantagen beackerten, aus deren Erzeugnissen dann in Hamburg Rum gewonnen wurde. Um die Sklaven zu erwerben, belieferte er afrikanische Länder wiederum mit Waffen und Alkohol. Was klingt wie dunkelste Kolonialgeschichte, ist es auch. Ein Beleg dafür ist, dass ein Denkmal zu Ehren der Verdienste Schimmelmanns nach nur wenigen Jahren in Hamburg nach enormem Druck von Bürgerbewegungen und Teilen der Politik wieder entfernt werden musste. Schimmelmann betrieb zu seinen Lebzeiten einer Zuckerraffinerie in Kopenhagen (wo er im Jahr 1782 auch starb), Baumwollspinnereien und Dänemarks einzige Waffenproduktionsstätte. Heute sind Sie also zu Gast im Haus einer Adelsfamilie mit einer mindestens zweischneidigen Vergangenheit. Doch die Zeiten änderten sich und so waren Nachfahren Schimmelmanns maßgeblich daran beteiligt, eben diese Sklavengeschäfte und den Einsatz von Sklaven auf dänischen Schiffen zu beenden. Dänisch-Westindien hießen Regionen der Karibik damals noch. Das ist alles natürlich sehr lange her. Dennoch finden wir es gut, auch um die Umstände zu wissen, die den Prunk und den Reichtum möglich gemacht haben, den wir heute im Schloss Ahrensburg erleben. Ein Schloss, das sich als Museum schleswig-holsteinischer Adelskultur versteht. Die Familie Schimmelmann musste Schloss Ahrensburg übrigens wegen finanzieller Schwierigkeiten im Jahr 1932 veräußern, seit den 50-er Jahren ist es für die Öffentlichkeit zugänglich und heute gehört es einer Stiftung.
Das festliche Interieur von Schloss Ahrensburg
30.000 Besucher empfängt Schloss Ahrensburg jährlich. Sie alle kommen, um die außergewöhnliche Architektur und Ausstattung zu bewundern. So ließ Schimmelmann nach Erwerb des Schlosses dieses im Inneren im Stil des Rokoko umgestalten. Eine barocke Freitreppe aus Eichenholz begeistert die Besucher ebenso wie die Säle mit ihren Gemälden, Porträts, Tapeten und ausgestellten Schätzen an römischen und Meissner Porzellan. Auch am Äußeren wurden damals Veränderungen vorgenommen. In früheren Zeiten waren die Fassaden aus grob verputztem rotem Klinker, danach wurde großflächig in Weiß gestaltet. Mit dem Familiennamen Schimmelmann wurde hierbei die Pflicht zur Kür. Auch heute noch präsentiert sich das Schloss strahlend weiß. Um edle Rösser geht es auch, wenn wir auf die kupfernen Hauben der Türme blicken. Die Wetterfahnen sind Reiterdarstellungen in Erinnerung an den Vorbesitzer der Adelsfamilie Schimmelmann. Die Familie Rantzau errichte auf den Trümmern einer Burg im 16. Jahrhundert das Herrenhaus. Der erste Besitzer aus dem Geschlecht Rantzau starb angeblich, als er reitend von einer Kanonenkugel getroffen wurde. Vom letzten Rantzauer kaufte dann Schimmelmann das im 18. Jahrhundert hoch verschuldete Gut. Schlösser scheinen schon immer ein teures Hobby gewesen zu sein; auch in den letzten Jahrzehnten hat das Schloss Ahrensburg Unsummen an Sanierungskosten verschlungen. Gelohnt hat es sich dennoch, denken wir, wenn wir uns mit vornehmen Schritt und gedämpfter Lautstärke durch die festlichen Räume bewegen.
Schloss Ahrensburg und ein Schlosspark zwischen Vergangenheit und englischem Landschaftsgarten
Für die Abstimmung einer Führung ist es notwendig, im Vorfeld Kontakt mit Schloss Ahrensburg aufzunehmen. Es gibt zwar auch feste thematische Führungen zu bestimmten Terminen (diese sind jeweils aktualisiert auf der Internetseite des Schlosses einsehbar), aber ab 10 Teilnehmenden werden die Führungen durch das Haus durchaus auch für die Gruppe passend gestaltet. Eine eigene Führung zum Schlosspark gibt es leider nicht mehr, aber es ist durchaus möglich, vor dem Schlosstor zu beginnen und sich einiges zum Park und seiner Geschichte erzählen zu lassen. Und wem das dann noch nicht ausreicht, der kann sich noch auf eigene Faust auf den Weg machen über das Gelände, das wegen seiner Ebenerdigkeit wohl nicht ganz das Zeug hatte zum gestalteten englischen Landschaftsgarten. Es geht vorbei an Lindenbäumen aus der Barockzeit und einer Grabanlage aus der Renaissance. Zwei steinerne Vasen aus Sandstein sind ebenso aus dem 18. Jahrhundert wie die zwei steinernen Löwen des in Dresden geborenen Bildhauers Johann Christian Ludwig Lücke (1703-1780). Er war zeitlebens dort unterwegs, wohin ihn seine Aufträge brachten; von Hof zu Hof wurde er gereicht. So war er in den 50-er Jahren des 18. Jahrhunderts in Kopenhagen, Flensburg und Schleswig in Diensten und kam so auch an den Auftrag für die einst prunkvollen und inzwischen etwas schläfrig vor sich hin dämmernden Löwen.
Schloss Ahrensburg und die Gottesbuden
Wenn Sie außer für die Schlossführung noch etwas mehr Zeit mitgebracht haben, verpassen Sie keinesfalls die Gottesbuden. Um zu erfahren, was die sind, verlassen Sie das Wasserschloss über die westliche Schlossbrücke und laufen wenige hundert Meter nach Süden. Dann erblicken Sie bereits die Schlosskirche an der Lübecker Straße. Die Kirche selbst ist nicht das eigentlich besondere an diesem kleinen zusätzlichen Ausflug. Eine langgestreckte flache Gebäudereihe ruht vor dem Gotteshaus. Es sind die sogenannten Gottesbuden. Schon im 16. Jahrhundert (und so alt sind auch diese Häuser) wurden die Gebäude von der Familie Rantzau errichtet, die vor den Schimmelmanns das Herrenhaus besaßen. Sie wurden eigens für alte und kranke Bedienstete des Gutes vorbehalten. Eine karitative Einrichtung für die unter der Obhut des Lehnsherren arbeitenden Knechte, Mägde und Bauern. Eine solidarische Nächstenliebe in Gottes Namen. Noch heute dient nicht nur die Kirche der protestantischen Gemeinde von Ahrensburg als Gotteshaus, auch die Gottesbuden gibt es noch immer. Einst waren es 12, heute sind es noch 11 eingerichtete Appartements, die für eine symbolisch niedrige Miete Bedürftigen überlassen werden. Selbst der Sklavenhändler Heinrich Carl von Schimmelmann hatte in seinem Testament verfügt, was denen gebührt, die nicht am Aufrechterhalten der fürsorglichen Einrichtung festhalten: Gottes Strafe und alles Unglück hier auf Erden. Es gibt wohl kein Schwarz-weiß auf Erden, auch nicht auf Schloss Ahrensburg nördlich von Hamburg.
Hinweise
Das Schloss Ahrensburg hat die Adresse: Lübecker Straße 1 in 22926 Ahrensburg; ein Busparkplatz befindet sich direkt am Schloss.
Kontakt zum Schloss Ahrensburg (wegen der Führungen): 04102-678831 oder per E-Mail an info@schloss-ahrensburg.de.
Öffnungszeiten von Schloss Ahrensburg:
Von März bis Oktober außer montags und freitags jeweils von 11-17 Uhr. Von November bis Februar ist nur mittwochs, samstags und sonntags geöffnet, jeweils von 11-17 Uhr. Auch der Park hat dieselben Besuchszeiten.
Der Eintritt auf Schloss Ahrensburg beträgt 9 € (ermäßigt 6 €). Mit Führung 13 € (ermäßigt 11 €).
Schloss Ahrensburg ist abgesehen vom Schlossgarten leider nicht barrierefrei zugänglich.
Lesenswert
Erich Maletzke hat einen Roman zum Leben von Heinrich Carl von Schimmelmann geschrieben: Schimmelmann. Schatzmeister des Königs.