Kennen Sie den zweitgrößten Fluss von Dresden? Entdecken Sie mit uns ehemalige Brauereien, Mühlen und Fabriken an der Weißeritz. Ein Aussichtsturm bietet einen tollen Überblick. Und zu Fuß entdecken wir eine großflächig verklinkerte und geschwungene Industriefassade aus den 20er Jahren. Eine Perle der Industriekultur.
Wir machen heute einen Reisebusausflug in den Südwesten von Dresden. Etwa zwei, drei Kilometer entfernt von der barocken Innenstadt liegen die Stadtteile Löbtau und Plauen. Getrennt werden sie seit jeher vom zweitgrößten Fluss Dresdens. Den kennt natürlich fast niemand, da verständlicherweise vieles vom Glanz der Elbe überstrahlt wird. Gerade weil jene so erhaben vor der prächtigen Altstadtsilhouette dahinfließt. Nichtsdestotrotz war und ist die Weißeritz ein wichtiger Fluss in Dresden. Wir folgen heute ein Stück weit ihrem Lauf und entdecken dabei abwechslungsreiche ehemalige Industriekultur. An einer ehemaligen Brauerei werden wir ebenso vorbeikommen wie an einer zu Lofts umgestalteten Hofmühle und an einer architektonisch beeindruckenden Fleischverarbeitungsfabrik aus den 20er Jahren. Aber beginnen wollen wir unseren etwa drei Kilometer langen Spaziergang oberhalb der Weißeritz am Aussichtspunkt Hoher Stein. Idealerweise lassen Sie sich hier vom Reisebus absetzen und innenstadtnah kann dieser Sie dann am Pulvermühlenpark wieder in Empfang nehmen.
Kulturdenkmäler Hoher Stein und Bienertmühle
Seit 1864 existieren die Grundmauern des Aussichtsturms Hoher Stein. Damals gab es hier noch eine Gastronomie. Der Aussichtsturm selbst ist 12 Meter hoch, wurde in den 20er Jahren erweitert, marodierte zu DDR-Zeiten und kann heute wieder bestiegen werden. Als Kulturdenkmal lockt er viele Dresdenerinnen und Dresdener hier hinauf, ganz gleich ob zur Sommerfrische oder für einen herbstlichen Spaziergang. Die etwas unterhalb des Ausflugsziels gelegenen Aussichtspunkte existieren noch immer. Von dort lässt es sich herab schauen auf die an der Weißeritz gelegene ehemalige Bierbrauerei Felsenkeller. Dort, so eine sagenhafte Geschichte, haust ein riesiger Eiswurm in den in den Fels geschlagenen Stollen. Ob er beim Bierbrauen geholfen hat, ist nicht überliefert, aber gewiss ist, dass die Felsenkellerbrauerei vor über einhundert Jahren zu den erfolgreichsten und größten Bierherstellungsorten Deutschlands gehörte. Es lohnt also beim Thema gärende Kaltgetränke auch mal einen Blick nach Sachsen zu werfen. Und nicht nur nach Bayern oder Franken. Wenn wir vom Aussichtsturm kommend in südliche Richtung laufen und dann dem Pfad Am Eiswurmlager folgen, steigen wir zwar nicht ganz barrierefrei, aber doch einfach hinab in das Tal. Hier strömt seit Jahrtausenden der Leben spendende und Arbeit gebende Fluss dahin. Der Weg flussabwärts ist überraschend naturnah. Es ist mitunter holprig, der Blick wandert hinauf zu den steilen bewachsenen Felshängen oder auf die rauschende Weißeritz. An dieser Stelle wirkt der Fluss fast etwas wild, obwohl er überall begradigt ist und in sein Bett gezwungen wird. Wir kommen zum nächsten Höhepunkt der Industriekultur. Die Bienertmühle war tatsächlich schon vor über 500 Jahren Hof- und Getreidemühle. Das bedeutet, sie belieferte das kurfürstliche Dresden und war somit wichtig für den Wohlstand der Stadt. Seit der Wiedervereinigung und einem Brand endete diese lange Historie endgültig. Anstatt einer dort früher ansässigen Brotfabrik gibt es nun Loftwohnungen. Sie passen gut in die anspruchsvolle Blockarchitektur. Trotzdem erinnert ein stehen gelassener Fabrikschlot sowie eine aufwendig sanierte ehemalige Villa mit ihren geschwungenen Freitreppen an das Hand in Hand gehen von Arbeit und Wohlstand. Unter der Woche gibt es hier von 11.00 Uhr bis 14.30 Uhr einen gut schmeckenden regionalen und auf biologische Zutaten bedachten Mittagstisch. Auch ein Naturkostladen ist in das Gebäudeensemble integriert. Hier verschmelzen also alt und neu, historisch und gewachsen. Wir von Buskompass finden, eine schöne Art mit Veränderungen umzugehen. Vielleicht passt es für Sie hier, auf halber Strecke des Ausflugs, einzukehren.
Monument der Industriekultur aus den 20er Jahren
Folgen wir der Weißeritz weiter, inzwischen ist der Aussichtspunkt Hoher Stein schon fast in Vergessenheit geraten, kommen wir zu einem wahrlich beeindruckenden Industriedenkmal. Dem Stil der Neuen Sachlichkeit zugeordnet wird die Fabrik aus den Zwanziger Jahren. Mit rotem Klinker, geschwungener Fassade und einem früher beleuchteten Türmchen war hier tatsächlich der Fleischverarbeitungsbetrieb der Konsum Gesellschaft ansässig. Zuvor diente die Fabrik (passend zum Felsenkeller und zur Bienert-Mühle) als Bäckerei, Brauerei und Brennerei. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Fabrik zwar schwer beschädigt, aber letztlich konnte hier bis in die späten 80er Jahre hinein produziert werden. Lassen Sie sich etwas Zeit und die Fassade auf Sie wirken. Es ist mitunter beeindruckend, wie vor einhundert Jahren gebaut wurde, wenn man bedenkt, mit welchem Elan in heutigen Zeiten Mehrzweckhallen und rein funktionale Fabrikgebäude in die Landschaft (entschuldigen Sie den Ausdruck) geklatscht werden. Als Busreisende wissen Sie sicher wovon ich spreche, wenn Sie bei der Fahrt über Bundesstraßen und Autobahnen ihren Blick aus dem Fenster schweifen lassen. Da ist es sehr wohltuend, in Dresden ein unterschätztes Monument der Industriekultur in Augenschein nehmen zu dürfen. Heute wird das Areal überwiegend für Büros genutzt.
Vom Aussichtsturm Hoher Stein durchs Weißeritztal
Wenn wir uns wieder an die Weißeritz begeben, entdecken wir bei unserem Spaziergang in Richtung Pulvermühle die abwechslungsreichen Seiten des mehr wie ein Bach wirkenden Flusslaufes. Er ist zwar begradigt und teilweise von Mauern umgeben, aber er passt sich harmonisch in die beiden angrenzenden Dresdener Stadtviertel Plauen und Löbtau ein. Hier wirkt die sächsische Landeshauptstadt fast ein wenig ländlich und provinziell. Es ist eben noch nicht die Elbe, auf die wir hier blicken. Auch wenn das der Fluss ist, dem die Weißeritz ihr Wasser zuführt. Mal als rauschender, über die Ufer tretender Strom, wie bei den teilweise verheerenden Hochwassern von 2002, 2006 und 2013. Mal als fast ausgetrocknetes Bächlein wie in den vergangenen klimawandelbedingten Hitzesommern. In die Elbe mündet die Weißeritz übrigens westlich von Dresden Friedrichstadt. Aber so weit wollen wir ihr gar nicht mehr folgen. Schließlich haben wir seit dem Aussichtspunkt Hoher Stein schon eine gehörige Wegstrecke hinter uns gebracht.
Landschaftsmalerei rund um den Aussichtspunkt Hoher Stein
Zum Abschluss wollen wir noch ein wenig in der Zeit reisen und versuchen, Ihnen das vergangene Weißeritztal nahezubringen. Aus dem Weg! rufen die Burschen, während sie die Fässer der Felsenkeller Brauerei auf die Pritschen der Kutschen laden. Ein Pferd wiehert unruhig, Arbeiter strömen auf dem Weg zur neu gebauten elektrischen Straßenbahn an uns vorbei. Flussabwärts herrscht ebenfalls großes Treiben. Laut knarzend drehen sich die Mühlräder durch den ungebremst dahinfließenden Strom. Mehlsäcke stehen überall herum, es duftet nach frisch gebackenem Brot. Darunter mischt sich der Qualm, der aus den Schornsteinen steigt und den der vom Hang herabfallende Wind wieder hinunter ins Elbtal drückt. Jenem verwunschenen Stückchen Erde, das seit so vielen Jahrhunderten ein facettenreiches Leben hervorgebracht hat. Nie fair verteilt, aber doch vielschichtig. Handwerker, Fabrikarbeiter, Brauer, Bäcker, Bürgertum und die feinen Herren aus dem kurfürstlichen Dresden. Zum Glück war Elbflorenz damals auch schon wohlhabend und so konnte die Stadt sich die Landschafts- und Architekturmaler leisten, die Dresden und seine Umgebung in unvergleichliche Abbildungen gepinselt haben. Wir verweisen auf den Canaletto-Blick auf die Dresdener Altstadt und auf die Ansichten eines Caspar David Friedrich (1774-1840). Damit heben wir nur zwei herausragende Maler an dieser Stelle hervor. Verabschieden wollen wir uns von Ihnen mit einer Ansicht des Weißeritztals. Gemalt wurde es unweit des Aussichtspunktes Hoher Stein von einem norwegischen Freund Caspar David Friedrichs. Von Johan Christian Clausen Dahl (1788-1857).
Hinweise
Die Adresse vom Aussichtsturm Hoher Stein lautet Coschützer Str. 34, 01187 Dresden
Den Mittagstisch an der Bienertmühle gibt es in der Straße Altplauen 19 in 01187 Dresden. Telefonnummer: 0351-5002261
Der Industriekomplex aus den 20er Jahren befindet sich in der Fabrikstraße in 01159 Dresden – den Anblick sollten Sie sich auf keinen Fall entgehen lassen!