Weimar ist immer eine Reise wert. Goethes Wohnhaus am Frauenplan, die herrlichen Parks – besonders der Park an der Ilm mit Goethes Gartenhaus und die Herzogin Anna Amalia Bibliothek laden ein. Mit dem Bus kann man auch die umliegenden Sehenswürdigkeiten – das Gesamtkunstwerk Klassik Stiftung Weimar wie Schloss Tiefurt, Schloss und Park Belvedere, Schloss Ettersburg und die berühmte Kirche in Gelmeroda besuchen.
Es war die einzige Reise, die ich mit meiner Mutter allein machte. 1972, ich war vierzehn, fuhren wir von Berlin aus mit dem Zug nach Weimar und wohnten im berühmten Hotel Elephant. Meine Mutter war sonst aus guten Gründen eher sparsam, ich bekam wenig Taschengeld im Vergleich zu meinen Klassenkameradinnen – aber diesmal sollte es was richtiges und besonderes sein! Wir fuhren allein, meine kleine Schwester blieb zu Hause, und wir stiegen im Hotel Elephant ab. Da ich damals naturgemäß wenig Erfahrung mit Hotels hatte, kam mir das Interhotel, so hieß die Kette der Oberklasse Hotels in der DDR, nicht so besonders vor. Ich genoss allerdings, dass wir abends essen gingen, in mehreren Gängen, und das ausgiebige Frühstück. Ich hatte eine enge grüne Latzhose aus Feincord an, aus dem Westen – und war bereit für die schöne Welt.
Wir besuchten Goethes Wohnhaus am Frauenplan. Meine Mutter war mit ihrer Mutter auch in Weimar gewesen, das muss so ungefähr 1940/41 gewesen sein, also im Krieg – und ich war 1972 genauso hingerissen und erstaunt über die vielen verschiedenen, wohnlichen Zimmer, die Gestaltung und feine Farbwahl. Das war kein herkömmliches Museum – alles wirkte lebendig und echt. So, als ob der Dichter gerade nur mal fortgegangen wäre und gleich wieder zurückkommt. Goethe hatte die Räume nach seinen Kunstidealen und vielseitigen Interessen gestalten lassen. Er wohnte fast fünfzig Jahre hier. Zahlreiche originale Stücke sowie Möbel aus seinem Nachlass können noch heute in achtzehn zugänglichen Räumen besichtigt werden. Höhepunkte sind das Arbeitszimmer mit der Bibliothek des Dichters, sein Schlafzimmer und der Garten.
Doch nun zum Deutschen Nationaltheater Weimar, kurz DNT genannt. Es ist eines der geschichtsträchtigsten Theater des Landes. 1779 als Komödienhaus gegenüber des Wittumspalais gegründet, wurde es 1771 unter Herzog Carl August zum Hoftheater. Heute noch befindet sich hier das DNT. Sein erster Direktor war Johann Wolfgang von Goethe! 1791 eröffnete er mit Ifflands „Die Jäger„. Hier entwickelte er die Vorstellung eines Schauspielensembles, die er 1803 in seinen „Regeln für Schauspieler“ niederschrieb. Hatten Schauspieler vorher einen eher anrüchigen Ruf, wurden sie unter Goethe zu Künstlern. Doch Goethe veränderte noch mehr: das Hoftheater wurde 1798 auf 1000 Sitzplätze vergrößert und verschönert. 1799 kam Friedrich Schiller von Jena an das Weimarer Hoftheater und blieb bis zu seinem Tod im Jahre 1805. Seine Stücke inszenierte er selbst, wie die drei Teile des „Wallenstein“, die von 1798 – 1799 hier ihre Uraufführung fanden. Auch alle anderen berühmten Dramen Schillers wurden zuerst am Hoftheater auf die Bühne gebracht – einzige Ausnahme die „Jungfrau von Orleans“ und „Die Räuber„. Er fand hier eine künstlerische Heimat und in Goethe eine verwandte Seele. Die produktive Zusammenarbeit wurde 1857 in einem Denkmal von Ernst Rietschel festgehalten. Es wurde es das Wahrzeichen Weimars. Treffpunkt Goethe-Schiller Denkmal!
Und heute? 1906, 1907 entstand das Gebäude im neoklassizistischen Stil, wie wir es heute kennen. Das alte Theater genügte den Anforderungen sowohl von der Bausubstanz als auch von der Technik her nicht mehr. Der Architekt war Max Littmann, der den Theaterbau allgemein reformierte. Weimar mit seiner Geschichte war immer schon ein Ort voller politischer Symbolkraft. Auch das Theater! 1919 die Umbenennung in Deutsches Nationaltheater. Genau hier entstand unter der deutschen Nationalversammlung Deutschlands erste umgesetzte demokratische Verfassung. Wenig später reklamierten die Nationalsozialisten den „Geist von Weimar“ für sich, um ihre politischen Interessen mit den „höheren Weihen“ deutscher Kulturtradition zu versehen.
1948 wurde das Theater als eines der ersten in Deutschland wieder eröffnet, nachdem es durch einen Bombenangriff kurz vor Kriegsende zerstört wurde. Als hochrangige kulturelle Institution wurde es in der DDR zu einem international renommierten Aufführungsort berühmter Klassikerinszenierungen. Das Theater wurde von 1973 bis 1975 allseitig umgebaut und modernisiert. Das DNT, wie wir es heute kennen, entstand in dieser Zeit; insbesondere der Zuschauerraum. Es war damals eines der modernsten Theater.
Ich war 1972 mit meiner Schulklasse zur Jugendweihefahrt in Weimar. Wir besichtigten das Goethe-Haus und den Ilm-Park, trafen uns am Goethe-Schiller Denkmal. Die Jugendweihe hatte ich zähneknirschend mitgemacht, um mir keine Chancen zu verbauen – die Jugendweihefahrt war klasse.
Das DNT als vielbesuchter Anziehungspunkt beschränkt sich nicht nur auf die Region. Mit dem Kunstfest Weimar organisiert es seit 2014 Thüringens größtes und auch bekanntestes Festival für zeitgenössische Kunst. Zum Repertoire gehören Musiktheater und Schauspiel, Performances, klassische und zeitgenössische Stücke. Es ist ein genreübergreifendes Festivalprogramm mit internationalen Gastspielen, Eigenproduktionen und interdisziplinären Projekten.
Man sucht den Dialog mit der Stadt und den Diskurs über aktuelle Fragen. Vor allem Kinder und Jugendliche sollen sich vom Theater und der Musik angesprochen fühlen und so gibt es für sie besonders vielfältige Projekte.
Hasko Weber ist seit der Spielzeit 2013 / 2014 Generalintendant des DNT und der Staatskapelle. Rolf C. Hemke hat im Herbst 2018 die künstlerische Leitung des Kunstfests Weimar übernommen.
Vor oder nach einem Besuch im Theater geht man heute ins Café Resi, ins älteste Kaffeehaus Weimars und hier gibt es alles, was das Herz begehrt für eine Pause.