Ein Theater mit freiem Eintritt – wenn man will. Seine Lage ist exzeptionell. Diesen Besuch wird man nicht vergessen – auch nicht den Jules-Verne-Turm. Fahren wir mit dem Bus in den Oderbruch.
Kein Theater auf dem flachen Land liegt östlicher.
In dieser Gegend, weit weg von allem, bestimmt die Schlichtheit und das Notwendige den Alltag. Und dann ist da noch das Theater… Es durchlief mehrere Umbauten, bis die beiden Betreiber – Tobias Morgenstern, Akkordeonist, und Thomas Rühmann, Schauspieler und gut bekannt als Chefarzt Heilmann in der ARD-Produktion „In aller Freundschaft„, zufrieden waren – erst einmal.
In diesem Theater lebt man von Luft, Weite und Kunst – so scheint es zumindest. Denn anstelle eines Eintrittsgeldes zahlt jeder am Ausgang soviel wie die Aufführung, das Kunst-Erlebnis ihm Wert war und was er kann. Geht das? Ja es geht. Als Austrittspreis wird ein Betrag zwischen 15 und 25 Euro empfohlen.
Wie hat sich das Ganze entwickelt? Anfangs, im Januar 1998, gab es in einem hundertjährigen Fachwerkhaus, dem Wohnhaus von Tobias Morgenstern, Holzbänke für 35 Zuschauer, eine winzige Bühne und fünf Scheinwerfer. „Wir spielten im Wohnzimmer“, erzählte er. Zuerst kamen Freunde, Bekannte. Fünf, Dreizehn, Zweiunddreißig. Im Oderbruch wurde man aufmerksam. Es wurde übervoll. Also Umbau. Das Theater kam ins Wohnhaus. 55 Plätze. Aufsteigend. Im Sommer waren es gefühlte 55 Grad Celsius. „Wir haben noch eine Wand, die raus kann“, sagte Morgenstern.
Wieder Umbau. Platz für siebzig. Aber es wollten neunzig rein, dann hundert. Was tun? „Auf die Wiese“, sagte Morgenstern. „Unter blauem Himmel,“ ergänzte Rühmann.
Im Sommer 2000 baute man einfache Holzbühnen überall verteilt ins Gelände, wirklich und wörtlich überall. Perspektiven, Orte änderten sich. Die Natur spielt immer mit.
Und so setzte ein leiser Wandel ein. Vierhundert saßen und lauschten.
Dann, nach fünf Jahren, befand Morgenstern: „Jetzt ist es soweit.“ „Was meinst du?“ fragte Rühmann. Morgenstern erklärte nicht, sondern baute das neue „Theater am Rand“ mit zugehörigem Künstlerhaus. Organische Architektur. Das fand auch LeaderPlus, ein EU Fond, der ländliche Innovationen unterstützt, fördernswert. Es wurde weiter gespielt. Trotz Umbau und Anbau. Auch Bühnen wurden improvisiert.
Das Theater wuchs. Die Zuschauergemeinde mit. In ungefähr einer Stunde und vierzig Minuten ist das Theater von Berlin aus, zum Beispiel mit einem Bus, zu erreichen. Es sind je nach Ausgangsort ungefähr 90 Kilometer.
Günther Ludewig, ein Ökoarchitekt, Spezialist für Solararchitektur, Niedrigenergiegebäude kam. Erneute Kreativität. Ein Jules-Verne-Turm, silbrig glänzend mit Drachenkamm, war das Ergebnis. Ein Dach aus Eichenstämmen. Innen dagegen modernste Theatertechnik mit Platz für Licht und Ton. Innen heißt hier auch außen, das Theater öffnet sich, verweigert rechte Winkel und erzählt so eine eigene Geschichte. Kunst und Natur vereint. Alle Baumaterialien stammen aus der nahen Region.
2014 die Einweihung. Eine junge Artistin mit Schlangenumdrehungen im roten Schal in der Kuppel. Atemberaubend hoch. Und dann, eines Tages: „Guck mal“, sagte Morgenstern. „Was meinst du?“, fragte Rühmann. Morgenstern schnippste mit den Fingern. Leises Rauschen. Und dann die Sicht auf den Oderbruch, denn die Rückfront des Theaters wird nach hinten freigegeben.
„Wir müssen was essen“, sagte Morgenstern. „Jetzt gleich?“, fragte Rühmann. „In einem Jahr“, war die kryptische Antwort. Das Ergebnis: Die „Randwirtschaft“ kam 2016. Essen, Trinken. Für alle. Schauspieler und Publikum. Zum Reden und Bereden. Im Sommer draußen und drinnen.
„Das reicht nicht“, sagte Morgenstern. „Was denn noch?“, fragte Rühmann. „Wir pachten ein großes Stück Wiese nach hinten raus.“ erläuterte Morgenstern. „Und dann?“, erkundigte sich Rühmann. „Zirkuszelt, Pavillon, Arena, Leichtflugzeuglandeplatz, Kutschenwiese…“, grinste Morgenstern. „Ich kenne dich.“ sagte Rühmann. „Das meinst du im Ernst.“
Das Theater am Rand ist ein nachhaltiges Projekt. In der Weise wie es gebaut ist und wie es mit den natürlichen Ressourcen Sonne, Wind und Energie umgeht – ja, und den Menschen. Hier kann der Zuschauer seinem Bedürfnis nach Erholung in der Natur und nach Kunstgenuss erfüllen. So gleichzeitig hat man das selten.
Und dann die Randwirtschaft: Deutschlands einzige bio-zertifizierte Theatergastronomie. Mühelos fügt sie sich ein; ihr Bau und ihre angebotenen Produkte gleichermaßen nachhaltig. So liefert das Ökodorf Brodowin Bioprodukte aus eigener Herstellung. Die Gerichte sind lokal-international, direkt serviert aus der offenen Küche. Natürlich spielt das Theater auch mit: Tagesgerichte gibt es mit Bezug zum Spielplan, die Getränke sind regional. Wer lieber Kaffee und Kuchen mag, kann ab dem Nachmittag Selbstgebackenes und Kaffeespezialitäten probieren.
„Komm! ins Offene, Freund!“ ist der Beginn einer Elegie von Friedrich Hölderlin. Von Berlin aus ist es nicht weit.
Ein Kommentar
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