Die Theater Greifswald, Stralsund und Putbus bilden im Verbund das Theater Vorpommern. Sie wurden 1994 und 2006 aus Gründen der Rationalisierung und der vordergründigen Ersparnis von Geld zusammengeschlossen.
Wer an die Ostsee denkt, denkt zuerst ans Meer. „Das Meer, ich hatte mein Zauberwort“, so sagte der österreichische Dichter und Theaterautor Thomas Bernhard. Meer, Sand und Weite – aber es gibt auch eine andere Seite von Ferien und Badefreuden, den Alltag der Menschen, die dort leben und zum Beispiel ins Theater gehen oder im Theater arbeiten.
So in Greifswald: „Nikolaus ist lang, Marie dick und Jakob klein.“ Damit kann man die Kirchen leicht auseinanderhalten. Die barocke Haube des Doms St. Nikolai (1653) beherrscht das Stadtbild. Ihre Spitze schwebt in 99,98 Metern Höhe. Ihr Turm lässt die Marienkirche kompakt erscheinen. St. Jakobi ist die kleinste der drei mittelalterlichen Kirchen, die alle im 13. und 14. Jahrhundert entstanden. Direkt benachbart ist das im Barockstil gehaltete Hauptgebäude der Universität, die 1456 gegründet wurde.
Das Renaissance-Rathaus am Fischmarkt stammt im Wesentlichen aus dem frühen 18. Jahrhundert. Den 2. Weltkrieg überstand Greifswald so gut wie unbeschadet. Östlich der Stadt steht die Klosterruine Eldena, ein Lieblingsmotiv des gebürtigen Greifswalder Malers Caspar David Friedrich. Seine Bilder kann man im Pommerschen Landesmuseum in der Gemäldegalerie im Original ansehen. Unbedingt hineingehen!
Und das Theater? In den Häusern von Greifswald und Stralsund werden, da es ein Städteverbundtheater ist, Theaterstücke und Opern alternierend aufgeführt. Das Theater mischt sich ein. Bei den Anschlägen auf Charlie Hebdo in Paris. Bei dem Bekenntnis der VIELEN. Ob LGBTQ (also Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender-Personen, Queere) oder Geflüchtete.
Die Theater in Greifswald und Stralsund wurden zu Partnern und Impulsgebern für verschiedene gesellschaftlich aktive Gruppen in Stadt und Land. Vom Krupp-Kolleg bis zur Queer Community, von der Landeszentrale für politische Bildung zur Demokratie-Aktie oder zur Sonderveranstaltung Theater und Kirche. In der Region und über die Region hinaus. Früh öffnete sich das Haus hin zu seinem polnischen Nachbarn. Die seit 2013 bestehende Kooperation mit Opera na Zamku W Szcecinie ermöglicht aufwändige Produktionen, „Lohengrin“ und Mahlers Auferstehungssinfonie. Und gewann Zuschauer aus der Metropolregion Stettin. Mit dem deutsch-polnischen Theaternetzwerk „viaTHEATRI“ wurde diese Achse verstetigt. Mit der „Theater Hanse“ weitet sich der Blick in den gesamten Ostseeraum. Benjamin Brittens „War Requiem“ wurde 2018 mit Chören und Orchestern aus Litauen und Polen mit großem Erfolg aufgeführt und war anlässlich des 100. Jahrestages des Weltkriegsendes von 1918 auch im Berliner Dom zu Gast.
Beide Häuser in Greifswald und Stralsund sind jeweils 100 Jahre alt. Sie sind Zeugnis dafür, was Bürger einer Universitätsstadt, einer alten Hansestadt, sich auch in entlegenen abgelegenen Winkeln des Landes leisteten und für wichtig erachteten. 100 Jahre Weltgeschichte und deutsche Geschichte, die sich hier auf den Bühnen spiegelte und spiegelt.
So in Stralsund. Dem Besucher macht die Hansestadt die Orientierung leicht. Auf einer 48 Hektar großen Insel zwischen Strelasund, Knieper- und Frankenteich konzentrieren sich die Sehenswürdigkeiten. Zentrum der Altstadt ist das im 13. Jahrhundert begonnene gotische Rathaus am Alten Markt. Nebenan erhebt sich die Nikolaikirche (13. bis 14. Jahrhundert), zu deren reicher Ausstattung eine astronomische Uhr (1394) und der Bergenfahrer-Altar (um 1500) gehören. Den Turm der Marienkirche kann man besteigen. Wer 449 Stufen bewältigt, wird mit einem herrlichen Ausblick belohnt.
So in Putbus. Der kreisrunde Repräsentationsplatz, Circus mit Namen, das klassizistische Theater, der Marstall und der Park – man könnte einen Augenblick glauben, die ehemalige Residenz des Fürsten läge in Italien. Schauen Sie sich die Traumstadt des Fürsten Wilhelm Malte zu Putbus an, er hat das Baden auf Rügen salonfähig gemacht.
Das Theater Putbus, das in diesem Jahr sein 200 jähriges Jubiläum feiert, ist ein „Schauspielhaus zwischen Himmel und Meer“ – auf jeden Fall ein Kleinod der besonderen Art. Es ist das älteste und schönste Theater von Mecklenburg-Vorpommern.
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Literatur
Thomas Bernhard, Beton. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1982.