Sport frei! Das Turnen und die Leichtathletik waren hoch angesehen in der DDR und in den 100 Jahren zuvor.
Heute regiert fast allein König Fußball die Welt.
Wir besuchen die RB Arena in Leipzig und graben in der Vergangenheit dieses Standortes.
Frisch, fromm, fröhlich, frei!, lautete der von Turnvater Jahn (1778-1852) propagierte Leitspruch, der zu sportlichen Höchstleistungen motivieren sollte. Fromm bedeutete damals anders als im streng christlichen Gebrauch einfach tüchtig und war dem Mittelhochdeutschen entlehnt. Und diese Tüchtigkeit brauchte es auch, damit nach zwei Jahren Bauzeit 1956 das Leipziger Zentralstadion das Licht der Welt erblickte. Anlässlich der Fertigstellung des von der DDR geschaffenen Stadions der Hunderttausend, es fasste damals tatsächlich über 100.000 Zuschauer, wurde die damalige Stalinallee in Jahnallee umbenannt. Sie führt direkt am Stadion entlang und trägt auch noch heute diesen Namen.
Turnen geht immer
Von 1954 bis 1987 fanden acht Turn- und Sportfeste der DDR im Zentralstadion statt. Genau genommen wurde das Erste auf der noch heute erhaltenen Festwiese gefeiert. Damit wurde eine lange Tradition fortgeführt. Das dritte Allgemeine Deutsche Turnfest wurde schon 1863 in Leipzig abgehalten und ein paar Jahre darauf wurde der Turn- und Sportverein 1867 Leipzig gegründet. Sein Vereinsgebäude hatte der TSV am Standort des damaligen Zentralstadions und der heutigen RB Arena.
Die Festwiese vor dem ehemaligen Zentralstadion
Die RB Arena liegt nicht allzu weit entfernt von der Leipziger Innenstadt. Begrenzt wird sie vom Elsterflutbett im Westen, dem Rosental als Teil des Leipziger Auwaldes im Norden, dem gründerzeitlichen Waldstraßenviertel im Osten und eben von der Jahnallee mit der an ihr gelegenen sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig im Süden. Von der Jahnallee aus hat man auch die beste Annäherung an das ehemalige Zentralstadion. Man überquert die Leipziger Festwiese, auf der mehrfach im Jahr eine große Kirmes mit Riesenrad, Autoscooter und Feuerwerk abgehalten wird. So kommt man auf einen kreisförmigen Wall zu, innerhalb dessen Grenzen die heutige RB Arena wie hineingegossen wirkt. Dieser über 20 Meter hohe und 100 Meter breite Damm ist aus dem Schutt nach den Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg zusammengetragen worden und bildete die Begrenzung des Zentralstadions. Erhalten geblieben ist der 43 Meter hohe Glockenturm des breiten Eingangsbereiches.
Die Erfolgsgeschichte des RB Leipzig
Das alte Zentralstadion wurde, nachdem 1994 alle Veranstaltungen eingestellt worden waren, im Jahr 2000 abgerissen. 2004 wurde das über 100 Millionen Euro teure neue Zentralstadion eingeweiht und 2010 schließlich in RB Arena umbenannt. Fast 45.000 Zuschauer finden hier immerhin noch Platz. Allerdings sind dem europaweiten Trend folgend auch hier die letzten Tartanbahnen für die Leichtathletik einem viel dichter gebauten, reinen Fußballstadion geopfert worden. Längst bestimmt das Geld die Regeln. Mit einer ab und an stattfindenden Leichtathletikveranstaltung lässt sich natürlich ungleich weniger verdienen als mit dem Spielbetrieb der Fußballligen. Offiziell steht das RB zwar für Rasenballsport, aber es ist natürlich unverkennbar, welcher österreichische Energydrinkhersteller hier mit ungeheurer Wucht in den Markt und in die Fußballelite gestürmt ist – die Roten Bullen sind los. Inzwischen blickt RB Leipzig auf eine fast schon unheimliche Erfolgsgeschichte zurück. Aufgrund der Millioneninvestitionen zunächst als Retortenverein verschrien, fragt inzwischen niemand mehr, mit welchen Mitteln der damalige Sportdirektor Ralf Rangnick den Verein im Auftrag seiner österreichischen Geldgeber in wenigen Jahren aus der Regionalliga in die Champions League geführt hat.
Noch mehr Fußball
Wer sich für Fußball interessiert und außerdem gewillt ist, an einer Stadionführung teilzunehmen, dem sei an dieser Stelle Folgendes nahegebracht: Es gibt die unterschiedlichsten Gruppenführungen. Speziell für Kinder, am Abend oder mit abschließendem Torwandschießen. Das Stadion selbst ist zwar barrierefrei (falls man beispielsweise mit Rollstuhl ein Erstligaspiel verfolgen möchte), aber bei den Führungen gilt das nicht uneingeschränkt. Wegen der zahlreichen Treppen und Tribünen wird sogar vom Mitbringen von Kinderwagen abgeraten. Es wird aber vom freundlichen Besucherservice empfohlen, sich zur genaueren Planung per E-Mail an das Service-Center von RB Leipzig zu wenden. Es gebe sehr flexibel die Möglichkeit, die Touren individuell anzupassen. Auch über die Homepage von RB Leipzig gibt es noch mehr Details zu den verschiedenen Führungen, Infos zu Preisen und Ermäßigungen.
Was den Neubau des Zentralstadions möglich machte
Wir haben bisher versucht aufzuzeigen, dass die Historie des Standortes der RB Arena noch aufregender und vielfältiger ist, als es ein Bundesligaspiel sein kann. Wobei das natürlich Geschmackssache ist. Wenn wir noch einem Moment beim Fußball bleiben, so sei erwähnt, dass die damalige Errichtung des neuen Zentralstadions der zwei Jahre später stattfindenden Fußballweltmeisterschaft im Jahr 2006 zu verdanken ist. Das einzige Spiel der K.O.-Runde, welches hier ausgetragen wurde, war übrigens die Achtelfinalpartie zwischen Argentinien und Mexiko. Argentinien konnte das Spiel für sich entscheiden, bevor es im Viertelfinale an der Deutschen Nationalmannschaft scheiterte. Deutschland konnte sein Sommermärchen bekanntlich als WM-Dritter in einem traumhaft heißen Sommer beschließen. Auch die letztlich gescheiterte Leipziger Olympiabewerbung aus dem Jahr 2003 für das Jahr 2012 hatte die schnelle Umsetzung der Neubaupläne befeuert.
Ein Sportmuseum für Leipzig
Die ganze Geschichte ist aber nur verständlich, wenn man die Sportbegeisterung dieser Stadt versteht. Ende des 19. Jahrhunderts fand hier der erste deutsche Marathon statt. 1925 gab es in Leipzig die erste Hochschulprofessur für Sportwissenschaften und der DDR-Sport verdankt seine großen Erfolgen nicht nur dem später viel diskutierten staatlich verordnetem Doping, sondern auch den Leipziger sportlichen Kaderschmieden. Ein Sportmuseum, das all dies angemessen würdigt, kommt seit vielen Jahren nicht aus den Startlöchern. Nördlich des Stadions, dort, wo es auch geeignete Busparkplätze gibt und wo die Straße Am Sportforum in die Landauer Brücke übergeht und über das Elsterbecken führt, dort gibt es eine Außenstelle des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig. Hier soll eventuell einmal das Sportmuseum entstehen, aber aktuell gibt es hier nur eine nicht für die Öffentlichkeit zugängliche Sammlung und Bibliothek. Wünschen wir der Stadt Leipzig, dass sie auch einmal so viel Geld in die Hand nehmen möge wie es der RB Leipzig gewohnt ist, der der ganzen Stadt seinen Stempel aufdrückt. Vielleicht wäre ja auch dort etwas zu holen, damit der Fußball der Stadt etwas zurückgeben könnte von dem Ruhm und Glanz, den er auch dem Standort des früheren Zentralstadions zu verdanken hat. 2021 musste die Tradition der großen Turnfeste übrigens leider unterbrochen werden, aber im Jahr 2025 soll es wieder so weit sein.
Hinweise
Zum Parken für den Reisebus eignet sich die langgezogene Friedrich-Ebert-Straße die in nordsüdlicher Richtung entlang der Ostseite des Stadions verläuft.
Das Service-Center von RB Leipzig ist per E-Mail unter service.rbleipzig@redbulls.com zu erreichen. Neben dem Stöbern auf der Homepage ist der beste Weg, um eine Auswahl für eine der zahlreichen angebotenen Touren zu treffen, sich telefonisch beim Service-Center zu melden. Die Telefonnummer ist 0341-124797777. Für Anfragen von Fans mit Behinderungen gibt es eine zusätzliche Ansprechpartnerin unter der Telefonnummer 0341-124797118. So lassen sich auch speziellere Fragen zur Barrierefreiheit individuell klären.
Es lohnt sich zu verfolgen, welche Konzerte im Stadion stattfinden. Aufgetreten sind hier schon Genesis, Paul McCartney, Depeche Mode, AC/DC, Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer, Helene Fischer und viele weitere nationale und internationale Stars.
Lesenswert
Jedenfalls nicht die politischen Schriften von Turnvater Jahn. Er war ein nationalistischer und judenfeindlicher Agitator. Auch seine Leidenschaft und seine wahren Pioniertaten für das Turnen rücken so leider teilweise in ein etwas anderes Licht. Es sollte vor allem auch der Wehrertüchtigung gegen die verhassten Franzosen dienen. Zu Gute halten kann man ihm vielleicht, dass es eine gänzlich andere Zeit war, zu der er gelebt hat. Seine Geisteshaltung war die des Kampfes gegen Napoleon. Zu seinen Lebzeiten fand die Völkerschlacht von 1813 bei Leipzig statt.