Das Bundesland Brandenburg hat vieles zu bieten. Mannigfaltige Landschaften und Kulturschätze, prächtige Stadt- und idyllische Dorfkirchen. Heute sind wir mit der Stiftung Zukunft Berlin unterwegs zu den Brandenburgischen Sommerkonzerten nach Perleberg.
Los ging es am Sonntagmorgen am U-Bahnhof Fehrbelliner Platz. Hier stand ein Reisebus, den die Stiftung Zukunft Berlin zusammen mit den Brandenburgischen Sommerkonzerten für diesen Tag gepachtet hatte. Die Stiftung Zukunft Berlin ist eine Vereinigung von über 500 Mitgliedern, Persönlichkeiten aus Berlin, die die Zivilgesellschaft in Berlin und Brandenburg stärken und voranbringen wollen. Hier wird bürgerschaftliches Engagement gebündelt und eine Stimme gegeben. So soll ein Netzwerk von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik entstehen, auf dessen Basis Neues möglich ist. Der Dialog zwischen Stadt und Land wird gefördert und Begegnungen zwischen Menschen organisiert. Am vergangenen Sonntag gab es nun zudem eine Kooperation mit den Brandenburgischen Sommerkonzerten, um Dialog, Stadt, Land und Musik zusammenzubringen und neue Publikumsschichten anzusprechen.
Die Brandenburgischen Sommerkonzerte – Kultur an immer neuen Plätzen
Die Brandenburgischen Sommerkonzerte sind das größte Musikfestival in der Region Berlin-Brandenburg. Jährlich finden von Mai bis September rund 30 Konzerte an ungewöhnlichen Orten wie Schlössern, Scheunen, Kirchen, Industrie- und Baudenkmalen statt. Berühmte und bekannte Solisten sind zu Gast. Hinter jedem Konzert, jeder Landpartie steckt eine besondere Idee für Entdeckung und Begegnung. Dies macht die Brandenburgischen Sommerkonzerte nun bereits im 32. Jahr so erfolgreich. Hier ist sozusagen die Welt in kleinen Orten zu finden.
Mit dem Bus ging es in die West-Prignitz, in den Nordwesten Brandenburgs, in das kleine Dörfchen Sückow, das zu Perleberg gehört. Von Berlin aus waren es zwei Stunden und zehn Minuten Fahrt, obwohl wir glatt vorankamen. Brandenburg ist eben größer als man denkt. Beim Kloster Heiligengrabe bogen wir von der Autobahn ab.
Kloster Stift zum Heiligengrabe und die Dorfkirche in Sückow
Das Zisterzienserinnenkloster wurde 1287 gegründet, gilt als das besterhaltene im Land Brandenburg und beherbergt heute noch eine Gemeinschaftsschule und ein Stift. Heiligengrabe ist sicher einen extra Besuch wert.
Unser erstes Ziel am Sonntag war das 700 Jahre alte Dorf Sückow und seine besonders idyllische Dorfkirche. Bei der Ankunft wurden wir von den Leuten des Ortes mit einem kleinen Imbiss herzlich empfangen, der Bürgermeister von Perleberg war zugegen und zudem ein lebender Roland in Ritterrüstung. Der Roland gilt als Sinnbild der Stadtrechte.
Nach einer Stunde freundlichstem Austausch, Unterhaltungen und Begegnungen ging es in die mich besonders anziehende Kirche, einem Feldsteinbau aus dem 14. Jahrhundert, die einfach ein Kleinod ist. Zuletzt wurde sie 2013 bis 2015 restauriert. Der prägnante, barock anmutende Kanzelaltar ist aus dem 18. Jahrhundert.
Hermann Beil, der große Dramaturg, Regisseur und kunstfertig-feiner Vorleser, las Theaterkritiken von Theodor Fontane. Zwanzig Jahre schrieb Fontane für die Vossische Zeitung und ca. 650 Rezensionen. Beil wählte eine kleine aussagestarke Auswahl von sieben Aufführungen von 1870 bis 1889 zu Stücken wie Götz von Berlichingen von Johann Wolfgang von Goethe und Vor Sonnenaufgang von Gerhard Hauptmann. Auch heute unbekannte Werke wie Narziss von Albert Emil Brachvogel und Mademoiselle de Belle-Isle oder die verhängnisvolle Wette von Alexandre Dumas besprach Fontane und las Beil dem erheiterten Publikum in der sommerlich geschmückten Dorfkirche. Da fiel es leicht, aufmerksam zuzuhören, damit man auch alles mitbekam.
Fontane war damals als Kritiker gefürchtet, weil er scharf beobachtete und fein-ironisch kommentierte. Wir sehen hier eher Dorchen Lackenreißer als eine Madame de Pompadour. Den jungen Gerhard Hauptmann hat Fontane früh als Talent erkannt und in der Nachfolge Ibsens gelobt!
Ein junger Pianist von fünfzehn Jahren aus Sükow umrahmte die Lesung mit meditativen Kompositionen von Ludovico Einaudi. Es gab herzlichen Applaus.
Anschließend wurde angeboten, im Landhaus Sükow an einer langen Kaffeetafel mit selbstgebackenem Kuchen Platz zu nehmen oder weiter die Gegend zu erkunden. Ich wählte die zweite Möglichkeit.
Perleberg – sehr sehenswert
Somit ging es wieder in den Bus nach Perleberg zu einem geführten Stadtspaziergang.
Wir erfuhren und konnten erleben, dass Perleberg eine sehr sehenswerte, so gut wie unzerstörte alte Stadt ist. Häuser und Bauwerke aus vielen Zeitschichten seit dem 13. Jahrhundert sind zu bewundern. Alte Bürgerhäuser aus dem 16. Jahrhundert stehen neben Jugendstilbauten. Die Pfarrkirche St. Jacobi, ebenfalls aus dem 13. Jahrhundert, wurde aber mehrfach zerstört und wiederaufgebaut. Das markante Rathaus wurde ab 1836 durch Friedrich August Stüler in großen Teilen neu erbaut.
Perleberg und Lotte Lehmann. Von Perleberg in die Welt
Lotte Lehmann, geboren 1888 in Perleberg, war eine der großen Sängerinnen ihrer Zeit. Sie habe gesungen, dass es die Sterne rührte, sagte Richard Strauss und so steht es auch auf ihrem Grabstein auf dem Wiener Zentralfriedhof. Auch Adolf Hitler war leider sehr begeistert von ihr. Hermann Göring bot ihr an, reichsdeutsche Nationalsängerin zu werden. Da machte sie nicht mit. Das schlug sie aus und erhielt deswegen Auftrittsverbot. Deshalb emigrierte sie 1938 in die USA. Ein sehr mutiger Schritt, in Alter von fünfzig Jahren alles hinter sich zu lassen und neu anzufangen. Zuletzt lebte sie in Santa Barbara, Kalifornien, wo sie Gesang lehrte und berühmte Sängerinnen wie Grace Bumbry betreute. Sie starb dort 1976 und wurde 1977 in einem Ehrengrab der Stadt Wien beerdigt.
Indes – ihre Heimatstadt Perleberg hat Lotte Lehmann nicht vergessen. Sie ist hier besonders im Sommer sehr präsent. Eine Büste ist neben dem Park und der Bibliothek zu finden und im Stadtmuseum kann man ihren Lebensweg nachvollziehen, der sie über Berlin, Hamburg, Wien und weitere Stationen bis nach Kalifornien führte. Dass heute jeder ihren Namen kennt, ist auch Angelo Raciti, dem künstlerischen Leiter der Lotte-Lehmann-Akademie, zu verdanken. Es begann 1998 mit Gedenkveranstaltungen zu ihrem 110. Geburtstag und wird bis heute mit regelmäßigen Sommerkursen weitergeführt. Sängerinnen und Sänger aus der ganzen Welt kommen zu dreiwöchigen Sommerkonzerten zusammen und können hier intensiv an ihrer Stimme, an ihrer Gesangstechnik und Bühnenpräsenz arbeiten. Lotte Lehmann wäre glücklich! Die Lotte-Lehmann-Akademie möchte zudem Publikum ansprechen, das nicht im Abendkleid und Anzug in die Oper geht. Und so finden die Konzerte und Auftritte an ganz verschiedenen Orten statt: in Scheunen, auf einer Wiese, im Eiscafé quer durch die ganze Prignitz.
Das Publikum kann hier Oper sehr niederschwellig erleben. Sozusagen Stimmen in ihrer reinen, natürlichen Form. Bei der Auswahl der Sängerinnen und Sänger wird auch auf Persönlichkeit geachtet – ganz im Sinne Lotte Lehmanns.
Mit den Brandenburgischen Sommerkonzerten besuchten wir nun am Sonntagabend ein Konzert der Lotte-Lehmann-Akademie in der St. Jacobi Kirche, der zentralen Stadtkirche in Perleberg. Das Programm spannte einen Bogen von Mittelalter Hildegard von Bingens über Rossini und romantische Oratorien von Massenet und Schumann bis zur Gegenwart mit Leonhard Bernsteins Mass, die von Jacqueline Kennedy in Auftrag gegeben wurde und von Rock und Pop inspiriert ist. Die Sängerinnen und Sänger Milena Knauß, Vizma Zvaigzne, Yauci Yanes und Hanseong Yun waren allesamt hervorragend und ließen uns Musik hautnah erleben.
Nach einem erfüllten und vollen Tag fuhren wir nach dem großen Konzert zurück nach Berlin.
Mieten Sie sich also einen Bus und besuchen Sie die Sommerkonzerte und die Abschlusswoche der Lotte-Lehmann-Akademie. Sie können dabei in bislang vielleicht unbekannten Kirchen wie St. Marien in Wittstock, dem Havelberger Dom oder Dahses Erbhof in Glövzin zu Gast sein und Land und Leute kennenlernen.