Die Staatsoper Unter den Linden in Berlin, neben dem Bebelplatz und dem Humboldt Forum gelegen, ist eines der berühmtesten Opernhäuser der Welt. 1742 im Auftrag Friedrich des Großen eröffnet, ist ihre Anziehungskraft bis heute ungebrochen.
Umgangssprachlich wird sie liebevoll Lindenoper genannt. Zusammen mit der Deutschen Oper, der Komischen Oper, dem Staatsballett und dem Bühnenservice, der für Kostüme, Ausstattung und Abrechnung zuständig ist, bildet sie die Stiftung Oper in Berlin. Berlin hat drei Opernhäuser, aus historischen Gründen. Jedes hat sein ureigenes Profil. Heute schauen wir uns das älteste und traditionsreichste der drei Opernhäuser, die Lindenoper an.
Von der Königlichen Oper, der Preußische Staatsoper und der Deutschen Staatsoper zur Staatsoper Unter den Linden
Als Jugendliche Ende der 70er Jahre – zu der Zeit hieß das Haus Deutsche Staatsoper – nahm ich hier an einer Ballettwerkstatt teil. Schon damals sollten Schülern, ich war Baufacharbeiter-Lehrling beim VEB-Tiefbau Berlin, durch Einblicke in die Arbeitsweisen der Theaterleute Zugang zu Opernhäusern eröffnet werden. Wir waren bei einer Probe zu Tschaikowskis Nussknacker in der Weihnachtszeit dabei. Ich war fasziniert, wie klar und verständlich der Choreograph, also derjenige, der die Bewegungen der Tänzer in einem Ballett entwickelt und festlegt, mit den Tänzern sprach und wie selbstverständlich sich daraus ein kleines Stück des Balletts entwickelt. Die Körperlichkeit der Tänzer in Verbindung mit der Suche nach einem inhaltlichen Ausdruck von Gedanken und einer Geschichte faszinierten mich. Ich wollte mehr wissen, besuchte eine Aufführung des Nussknackers, natürlich zu Schülerpreisen von vielleicht 2 Mark der DDR und war hingerissen. Ja, natürlich die Aufführung, die Musik, das Ballett, aber auch das Publikum erstaunten mich. Auch zu DDR-Zeiten besuchte ein internationales Publikum gern die Lindenoper. Ich sah Herren in roter Livree, mit Federhut und silbernem Säbel, vermutlich französische Soldaten, Vertreter der Alliierten in Berlin, ich erinnere mich an das Bild wie heute, die abends problemlos und ohne Passierschein die Grenze, die Berliner Mauer, passieren konnten. Wo gab es das sonst? Ich hörte verschiedene Sprachen, wo gab es das sonst? Ja, so ein altes repräsentatives Opernhaus gab es in West-Berlin nicht! Und auch für mich Ost-Berliner Teenager war das Haus eine Entdeckung. Ich kaufte mir die Schallplatte Der Nussknacker und hüpfte und sprang durch unser Haus in Grünau, voll Freude und Sehnsucht auf das Leben.
Die Oper, auch wenn es Ballett war, hatte mich gewonnen. Es war eben Tschaikowski und seine Musik!
Ein altes Haus – immer wieder neu
Die Staatsoper Unter den Linden oder Staatsoper Berlin hat natürlich schon sehr viel erlebt und gesehen. 1741 bis 1743 im Auftrag Friedrich des Großen nach Plänen von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff im Stil des Friderizianischen Rokoko erbaut, wurde sie mehrfach wiederaufgebaut. Zuerst nach einem Brand 1843 und dann nach Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg 1951 bis 1955 durch den Architekten Richard Paulick. Sie ist das älteste Opernhaus Berlins und das erste bedeutende Theater überhaupt, das als monumentales, frei stehendes Bauwerk in einer Stadt errichtet wurde. Das heißt eben, dass das Gebäude der Staatsoper nicht wie sonst zu der Zeit üblich innerhalb des Schlosses eingebaut und integriert war, sondern seinen eigenen Platz am Boulevard Unter den Linden, an einer Hauptachse der Stadt erhielt. Auch der spätere Architekt des Brandenburger Tors, Carl Gotthard Langhans, wurde später von Friedrich dem Großen in den Umbau des Bühnenhauses mit einbezogen.
Die Staatsoper Unter den Linden – ein Haus, das vieles vereint
Berühmte Intendanten und Dirigenten der Staatsoper waren: Gaspare Spontini (1819-1841), August Wilhelm Iffland (1796-1814), Felix Mendelssohn Bartholdy (1842-1846), Richard Strauss (1898-1918), Wilhelm Furtwängler (1934-1935), Herbert von Karajan (1939-1945), Franz Konwitschny (1955-1962), Otmar Suitner (1964-1991) und in unserer Zeit Daniel Barenboim (1992-2023).
Natürlich habe ich hier einige nicht genannt und manche vergessen. Es ist hier nicht der Platz, um eine vollständige Geschichte zu schreiben. Es soll allerdings aufgezeigt werden, welche wichtigen Dirigenten mit der Staatskapelle Berlin gearbeitet haben. Seit 1992 prägt Daniel Barenboim, Dirigent und Pianist, bis vor Kurzem als Generalmusikdirektor und künstlerischer Leiter das herausragende Profil der Staatsoper Unter den Linden und der Staatskapelle Berlin.
Die Staatskapelle Berlin, eines der führenden Orchester der Welt, wurde 1570 gegründet und ist somit älter als die Staatsoper. Noch heute ist es eine große Auszeichnung und Anerkennung, hier spielen zu dürfen. Eine Nichte von mir hat es kürzlich geschafft, als Violinistin mitzuspielen. Das war für mich ein Anlass, erneut Vorstellungen zu besuchen.
La Traviata und Rigoletto – berühmte Opern in neuem Glanz
Ich sah La Traviata in der Inszenierung von Dieter Dorn und Rigoletto in der Inszenierung von Bartlett Sher. Beide Opern von Giuseppe Verdi gehören zusammen mit Der Troubadour zur trilogia populare, der populären Trilogie. In den zwischen 1851 bis 1853 geschriebenen Werken stehen jeweils gesellschaftliche Außenseiter im Mittelpunkt des Geschehens, sie sind die Hauptfiguren. Zusammen mit der wundervollen, mitreißenden und mittlerweile auch sehr populären Musik gehören diese Opern zum zentralen Repertoire der Opernhäuser heute.
Beide Aufführungen waren ein Fest für Ohren, Augen und die Sinne überhaupt. Sänger von Weltruhm, die Fantasie anregende Ausstattungen in Bühne und Kostüm, kurz, es bleiben keine Wünsche offen.
Noch ein Wort zum Bühnenservice Berlin. Hier in den zentralen Werkstätten werden die Kostüme und die Bühnenbilder, also die Ausstattungen der Berliner Opernhäuser und für das Deutsche Theater angefertigt. Der größte Theaterdienstleister Deutschlands sorgt für Nachhaltigkeit. Da hier zentral gearbeitet wird, kann manches Stück, manches Kostüm, mancher Tisch, manche Treppe wieder- und mehrfach verwendet werden. Das ist heute wichtiger denn je.
Staatsoperngeschichten aus dem geteilten Berlin – Der Troubadour
Es gibt mindestens tausendundeine Geschichten über die Staatsoper zu erzählen. Hier noch eine persönliche. Mein Vater war zweimal verheiratet. Seine Kinder, meine Geschwister aus der ersten Ehe, lebten in West-Berlin bei ihrer Mutter. Der Bau der Berliner Mauer, 1961, war also für uns nicht nur eine politische, sondern auch eine familiäre Katastrophe. Ab Dezember 1963, zunächst beschränkt auf die Weihnachtsfeiertage, gab es jeweils so genannte Passierscheinabkommen, die Besuche im Ostteil der Stadt erlaubten. Nun konnten meine Geschwister, die ich sehr liebte, phasenweise wieder zu uns kommen. Wir freuten uns sehr. Das ist fast eine andere Geschichte, eigentlich eine Oper! Schlag Mitternacht mussten alle Ost-Besucher wieder am Grenzübergang sein, auch Kinder, auch Jugendliche. Alle. In dieser bizarren Situation fuhr also mein Vater seine geliebten Kinder spätabends mit seinem grauen VW-Käfer zum Grenzübergang in Berlin Mitte. Er wusste nicht, ob und wann er sie jemals wiedersehen würde. Ich erzähle das hier an dieser Stelle, denn mitunter ging er am Abend mit Ele, Kordula, Hubertus und Uli in die Staatsoper. Er setzte damit einen unvergesslichen Höhepunkt. Musik hat es etwas Transzendentes, über den Alltag und unsere Empfindungen und Sorgen und Ängste Hinausgehendes. Musik beschreibt das Unsagbare. Auf der Fahrt von Grünau zur Staatsoper Unter den Linden, im Auto auf der Rückbank, zog meine vierzehnjährige Schwester Ele sich mal eben fix um. Sie hatte sich etwas Festliches, einen schwarzen Plissee-Rock – ich erinnere mich genau – von meiner Mutter, ihrer Stiefmutter, geliehen. Andere gingen so wie sie waren, in Alltagskleidung in die Staatsoper. Zusammen sahen sie den Freischütz, Die Zauberflöte, den Troubadour und andere Opern.
Gabriele hat diese Opernbesuche anschließend in Zeichnungen, sie kann wunderbar zeichnen, verarbeitet. Für alle, auch für mich, die ich nicht mitkonnte, weil ich zu klein war, sind diese Opernabende unvergesslich.
Umzug in drei Akten – Eine Baustellen-Oper
Von 2010 bis 2017 war die Staatsoper Berlin wegen Renovierung geschlossen. Sie spielte in der Zeit im Schillertheater. Meine Freundin und Kollegin Anne Osterloh hat über die Zeit davor und die Zeit der Renovierung einen sehr sehenswerten Film gemacht. Umzug in drei Akten – Eine Baustellen-Oper. Hier kommen Bühnentechniker und Star-Tenöre wie Rolando Villazòn zu Wort. Es ist ein Film über das Lebenselixier Kunst, Menschen an der Oper, eine 275-jährige Tradition und die sehr realen Anforderungen eines Umzuges eines ganzen Opernhauses. Es geht um Hoffnungen und Sehnsüchte. Es ist eine Hommage an die Schönen Künste.
Und nebenbei, ich bin wieder bei meinem Anfang angelangt, als ich bewusst zum ersten Mal als Baufacharbeiter-Lehrling im Winter 1975 die Staatsoper besuchte.
Kommen Sie nach Berlin an die Staatsoper Unter den Linden! Mieten Sie einen Bus! Hier findet jede und jeder etwas für sich, das über den eigenen Alltag hinaus geht.
2 Kommentare
Mir gefällt deine persönliche und anschauliche Beschreibung der Staatsoper sehr gut, KARIN. Für mich war einiges auch neu. DANKE aus Bielefeld – Hella
Liebe Hella, vielen Dank!
Und vielen Dank für Dein Lob aus berufenem Munde!
Deine Karin