Wir reisen heute zurück ins Kaiserreich. Wir besuchen den Geburtsort des Reichskanzlers Otto von Bismarck und wir lüften das Geheimnis der Reichshunde und des Bismarckherings. Außerdem statten wir dem Bismarck-Museum einen Besuch ab.
Jeder kennt den Bismarck-Hering. Und an einem der unzähligen Bismarck-Denkmäler landauf und landab waren Sie vielleicht auch schon einmal. Aber wissen Sie, dass der spätere Reichskanzler im Deutschen Kaiserreich 1815 in Schönhausen an der Elbe geboren wurde? Der kleine, 2000 Einwohner zählende Ort liegt etwa 70 Kilometer nordöstlich von Magdeburg in der Nähe von Stendal und Tangermünde. Nur eben auf der rechten Elbseite; die Elbe selbst ist fußläufig gut drei Kilometer von Schönhausen entfernt. Wenn Sie mit dem Reisebus in diese Region reisen, können Sie also gleich auch den Elbdeichen einen Besuch abstatten. Dass es die gibt, hat schon fast etwas mit Otto von Bismarck (1815-1898) zu tun. Denn nachdem dessen Vater (ein Adeliger) im Jahr 1845 verstorben war, kehrte Otto von Bismarck zeitweise in die Region zurück, aus der er stammte, übernahm das Familiengut und wurde zum Deichhauptmann für das Gebiet Jerichow und Mittelelbe berufen. Allerdings dürfte Otto von Bismarck trotz allem wenig Bezug zu der Region gehabt haben, denn seine Familie verließ mit ihm ein Jahr nach seiner Geburt die sachsen-anhaltische Heimat und siedelte nach Pommern über.
Der eiserne Kanzler Fürst Otto von Bismarck
Das aus der Altmark stammende Adelsgeschlecht Bismarck kam aus dem 20 Kilometer westlich gelegenen Stendal und der Ahnenbaum reicht bis in das 13. Jahrhundert zurück. Der mit Abstand berühmteste Spross der Familie ist Otto von Bismarck. Allerdings stammte seine Mutter nur aus dem gehobenen Bürgertum. Eine solche Liaison der Eltern war durchaus ein wenig ungewöhnlich. Vielleicht trägt sie ja im Kern etwas von den Widersprüchen, die das Leben des kleinen Otto prägen sollten. Eigentlich wollte er Landwirt werden, oder wie man damals von einem landadeligen Gutsbesitzer sprach: ein Junker. Doch nach und nach rutschte er immer weiter in die Politik hinein. 1865 wurde er zum Grafen ernannt, 1867 wurde er Kanzler des Norddeutschen Bundes und 1871 schließlich Reichskanzler des Deutschen Kaiserreichs. Er ist unter anderem berühmt, weil unter seiner Führung als Reichskanzler unter Kaiser Wilhelm I. die Kranken-, Renten- und Unfallversicherung eingeführt wurde. Das war revolutionär zur Zeit um 1883/1884. Seit 1875 existierte zwar die in Gotha gegründete Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands SAP (Vorläufer der seit 1890 existierenden SPD), aber die machte Druck von unten. Bismarck war erbitterter Feind dieser Bewegungen. Nach zwei gescheiterten Attentaten auf Kaiser Wilhelm I. (mit denen allerdings die SAP nichts zu tun hatte) wurden die sogenannten Sozialistengesetze verabschiedet, die konservative und nationalliberale Kräfte durchgesetzt hatten. Verbote, Verhöre, Verhaftungen und Verurteilungen waren die Folge. Und doch taktierte Bismarck in dem Bemühen, die immer größer werdende Arbeiterschaft auf die Seite des Staates zu ziehen; weg von den gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie (wie sie im Reichsgesetz von 1878 genannt worden waren). Er war strikt für ein Durchsetzen von Veränderungen von oben, lehnte die deutschen bürgerlichen Revolutionsversuche von Mitte des 19. Jahrhunderts entschieden ab und äußerte sich stets abfällig gegenüber der Demokratie. Und doch schuf er den Beginn einer bis heute sich weiterentwickelten Sozialgesetzgebung, mit der man damals in Europa der Zeit weit voraus war.
Das Bismarck-Museum
Weit ab von großer Politik wirkt der beschauliche Ort Schönhausen an der Elbe. Zur Zeit von Otto von Bismarcks Geburt hatte er 1000 Einwohner und in seinem Todesjahr bereits in etwa so viele wie heute. Geboren wurde Otto von Bismarck im Schloss, welches zu DDR-Zeiten gesprengt wurde. Ein Gebäudeflügel wurde aber erhalten. In diesem befindet sich heute das Bismarck-Museum. Der Kontrast aus saniertem Hauptbau und der brachen angrenzenden Ruinenwand ist überzeugend, verdeutlicht er doch Geschichte im Wandel der Zeit. Dass vieles der Veränderung unterliegt und dass es nur bedingt Sinn ergibt, Persönlichkeiten des Zeitgeschehens nur von heutigem Standpunkt aus zu interpretieren, ist vielleicht eine lohnenswerte Haltung für unseren heutigen Museumsbesuch. Zumal wenn man bedenkt, dass Otto von Bismarck schon seit 125 Jahren tot ist. Es gibt viele Sichtweisen auf den Staatsmann, Reichskanzler, Politiker, Strategen, Antidemokraten, Jurastudiumabbrecher und landadeligen Stadtbewohner, der lange in Berlin lebte, aber auch zeitweilig in St. Petersburg und Paris war. In dem licht gestalteten Museum mit seinen schönen Holzböden und der freiliegenden Balkendecke unter dem Dach werden Sie einiges über die Biografie von Otto von Bismarck erfahren. Am besten buchen Sie dafür gleich eine Führung, die auch für große Besuchergruppen möglich sind; allerdings nicht barrierefrei. Zum Eintritt von 3 € (ermäßigt 1 €) kommen dann noch einmal 20 € hinzu, wenn ihre Besuchergruppe nicht größer ist als 20 Teilnehmende. Ist Ihre Gruppe größer, kostet die Führung 40 €, bei mehr als 40 Personen 60 €. Allerdings stehen Sie sich dann vielleicht doch eher gegenseitig auf den Füßen. Vielleicht lassen sich ja große Besuchergruppen auch aufteilen; und während die eine Gruppe die Exponate der Ausstellung bestaunt (viele Geschenke an Otto von Bismarck, eine große Münzsammlung, historische Abbildungen und Gegenstände aus dem privaten Besitz der Familie Bismarck), flaniert die zweite Gruppe durch den großen direkt angrenzenden Bismarckpark.
Otto von Bismarck und die Religion
Einer berühmten Persönlichkeit an authentischem Ort nachzuspüren hat immer einen besonderen Reiz. Bei vielen unserer Buskompass-Artikel versuchen wir Sie dafür zu begeistern. Eine Busreise vermittelt stets einen deutlich nachhaltigeren Eindruck, als wenn man sich Wissen nur anlesen würde. Abgesehen davon, dass man bei Otto von Bismarck gar nicht wüsste, wo man anfangen sollte und wo man aufhören sollte zu lesen – so viel ist über ihn geschrieben worden. Aber irgendwann endet auch die größte und längste Biografie. Otto von Bismarck starb auf seinem Gutsbesitz Friedrichsruh bei Hamburg im Alter von 83 Jahren. Wir aber wollen uns heute mit seinem Lebensbeginn befassen. Genauer gesagt mit seiner Taufe. Direkt an das Museum und an den heutigen Bismarckpark angrenzend steht seit über 800 Jahren eine romanische Backsteinkirche. In St. Marien und Willebrord wurde der kleine Otto mit Weihwasser überschüttet und trat damit (wie jeder frühgetaufte Mensch) unfreiwillig in eine Glaubensgemeinschaft ein. Als Spätfolge dieses Rituals entwickelte sich ein preußisch-protestantischer Kulturkampf (der zu großen Konflikten zwischen Bismarck, der katholischen Kirche und Papst Pius IX. führte) und der eine große und eigene Geschichte für sich wäre. Heute begnügen wir uns mit einem kleinen Spaziergang durch die Parkanlage und mit einer Besichtigung des Gotteshauses, welches in engem Bezug zum Kloster Jerichow steht. St. Marien und Willebrord zählt zu den frühesten erhaltenen Backsteinbauten ganz Mitteldeutschlands.
Die Reichshunde von Otto von Bismarck
Eine kuriose Geschichte wollen wir Ihnen noch erzählen. Wussten Sie, dass es den heute sehr fremd anmutenden Begriff des Reichshundes gibt? Die bürgerliche Revolution in Deutschland von 1848, die Otto von Bismarck entschieden bekämpfte (er sollte später auch das erste Deutsche Parlament in der Frankfurter Paulskirche verunglimpfen und übergehen), hatte eine interessante Veränderung gebracht. Früher war das Jagdrecht nur den Adeligen zuteilgeworden; der bürgerliche Revolutionsversuch hatte aber dazu geführt, dass nun auch Bürgerliche Jagdhunde halten durften. Das war im 19. Jahrhundert als repräsentatives Symbol und als Verkörperung von Macht sehr populär geworden. Und da Otto von Bismarck nun einmal Liebhaber von stattlichen Doggen war (ganz gleich ob aus Tierliebe oder aus taktischem Machtkalkül), war er oft mit seinen Hunden unterwegs. Auch wenn er Kaiser Wilhelm I. gegenübertrat oder bei anderen politischen Anlässen. Mit der Zeit setzte sich der Ausdruck Reichshunde für die Hunde des Reichskanzlers durch. Sie begleiteten ihn auf Schritt und Tritt, bis er schließlich 1890 von Kaiser Wilhelm II. abgesetzt wurde. Dann musste er sie mit in den Ruhestand nehmen. Der Generationskonflikt zwischen dem jungen neuen Kaiser und dem alten ehrwürdigen Reichkanzler, Lenker und Taktiker war unüberbrückbar geworden. Am besten machen Sie sich im Bismarck-Museum ein eigenes Bild von der Jahrhundertpersönlichkeit Otto von Bismarck. Um es mit einem von Bismarcks Zeitgenossen zu sagen, Theodor Fontane (1819-1898) schrieb nach dem Tod des ehemaligen Reichskanzlers: Es ist ein Glück, dass wir ihn los sind. […] Seine Größe lag hinter ihm.
Hinweise
Das Bismarck-Museum in 39524 Schönhausen/Elbe liegt an der Straße mit dem schönen Namen Kirchberg 4-5
Die Öffnungszeiten des Museums sind dienstags von 10.00 Uhr bis 13.00 Uhr und von 14.00 Uhr bis 15.30 Uhr. Mittwochs bis sonntags 10.00 Uhr bis 13.00 Uhr und von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr
Sie erreichen das Bismarck-Museum unter der Rufnummer 039323-38874 oder Sie schreiben eine E-Mail an aussenstelle@bismarck-stiftung.de
Das Gasthaus Zur alten Linde liegt an der Bismarckstraße 9 in 39524 Schönhausen/Elbe. Reservierungsnummer: 039323-38420
Lesenswert
Ernst Engelberg hat eine Biografie über Otto von Bismarck geschrieben. Sie ist 2017 erschienen und ist nicht wie viele andere Bücher auf dem Markt eine reine Heldenverehrung. Das Werk heißt: Bismarck: Sturm über Europa