Unsere Urgroßeltern mussten Theodor Fontanes berühmte Ballade über den Herren von Ribbeck in der Schule noch auswendig lernen.
Wir steigen in unseren Reisebus ein, um das 30 Kilometer von der westlichen Stadtgrenze Berlins entfernt gelegene Ribbeck aufzusuchen, um mehr über den populären Birnen- und Kinderfreund Hans-Georg Henning von Ribbeck herauszubekommen.
Vorgeschichte der Herren von Ritbeke
Interessanterweise ist eine ursprünglich niederländische Herkunft der Familie derer von Ribbeck im Verlauf der in der Mitte des 12. Jahrhunderts erfolgten deutschen Ostsiedlung nicht gänzlich auszuschließen. Erstmals urkundlich erwähnt wurde ein gewisser Heinricus de Ritbeke als Domherr an Sankt Gotthard in Brandenburg an der Havel im Jahre 1237. Mit ihm fängt die Geschichte der Familie von Ribbeck, wie vieler vergleichbarer märkischer Familien, unter den ersten askanischen Markgrafen von Brandenburg an.
In dem im Landbuch Kaiser Karls IV. aus dem 14. Jahrhundert erwähnten Dorf Ribbeck wurde zum ersten Mal eine Verbindung mit dem havelländischen Rittersitz Ribbeck genannt. In einem Lehnsbrief des Hohenzollern-Kurfürsten Johann Cicero aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurden gleich acht Mitglieder der Familie von Ribbeck in Ribbeck mit drei Gütern belehnt. Mit jenen beginnt die gesicherte Stammreihe der Herren von Ribbeck in der Mark Brandenburg.
Die Herren von Ribbeck im 16. und 17. Jahrhundert
Obwohl die Herren von Ribbeck nicht zu den einflussreichsten und vermögendsten märkischen Adelsfamilien zählten, gelangten einzelne Familienangehörige dennoch in die unmittelbare Nähe der brandenburgischen Kurfürsten, so dass sie für sich herausgehobene Ämter besetzen konnten. Dadurch war es ihnen im Verlauf des 16. Jahrhunderts möglich, den Umfang ihrer Besitzungen beträchtlich zu erweitern. Aufgrund der notorischen Verschuldung der brandenburgischen Landesherren konnten einzelne Herren von Ribbeck wichtige Teile des kurfürstlichen Domänenbesitzes käuflich erwerben. Ebenso hatten am Ende des 16. bis weit in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts drei Angehörige der Herren von Ribbeck nacheinander das bedeutende Spandauer Amt inne. Trotzdem gehörten sie in jener Zeit nicht zu dem aus gut einem Dutzend nobler Familien bestehenden inneren Führungszirkel, aus dem sich die adlige Machtelite im Kurfürstentum Brandenburg rekrutierte. Allerdings dokumentieren mehrere eheliche Verbindungen zu hochherrschaftlichen Familien das mittlerweile gewachsene Prestige des Geschlechts derer von Ribbeck. Herausragende Positionen in der Nähe des jeweils regierenden brandenburgischen Souveräns konnten der Hofmarschall Georg von Ribbeck am Ende des 16. Jahrhunderts und dessen talentierter Sohn Hans-Georg der Ältere am Anfang des 17. Jahrhunderts einnehmen. Hans-Georg I., wie er auch genannt wird, wirkte nicht nur in der kurfürstlichen Kammerverwaltung an führender Position mit, sondern er verfügte auch über eine gewichtige Stimme in den ständischen Gremien.
Das Ribbeck-Haus in der Breiten Straße 35 – Berlins ältestes erhaltenes Renaissance-Gebäude
Heute ist Hans-Georg der Ältere architektonisch interessierten Berlinern eher indirekt bekannt. Als kurfürstlicher Kammerrat hatte jener sich in der repräsentativen Breiten Straße 35 im historischen Stadtteil Alt-Cölln im Jahre 1624 das aus zwei zusammengelegten älteren Häusern mit einer einheitlichen Fassade versehene Ribbeck-Haus als stattliches Domizil errichten lassen. Das noch heute ansehenswerte Ribbeck-Haus ist Berlins ältestes erhaltenes Renaissance-Gebäude. Unser Buskompass-Autor berichtete in einem früheren Artikel über dessen abwechslungsreiche Geschichte.
Die Herren von Ribbeck machen Karriere als Amtsträger und Offiziere in Brandenburg-Preußen
Nach dem verheerenden im 17. Jahrhundert erfolgten 30-jährigen Krieg, der auch die Ribbeck’schen Güter stark in Mitleidenschaft gezogen hatte, verbesserten sich mit dem allmählichen Aufstieg Brandenburg-Preußens jetzt auch die Möglichkeiten für adlige Karrieren. Zahlreiche Herren von Ribbeck standen als zukünftige Amtsträger und Offiziere in den Diensten der preußischen Könige.
Landgewinn erzielte das Geschlecht derer von Ribbeck auch durch die Beteiligung an der Trockenlegung des havelländischen Luchs durch den preußischen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. und dessen legendären Sohn Friedrich II. Überdies verfügte die Familie noch über Besitz im Osthavelland. Allerdings verschlechterten sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts die Vermögensverhältnisse der havelländischen Großfamilie erneut.
Teilung der Familie – Veräußerung des Besitzes des osthavelländischen Zweigs
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts teilte sich die Familie in einen in Ribbeck verbleibenden westhavelländischen Zweig und in einen osthavelländischen Zweig in Groß Glienicke. Der dort begüterte Hans- Georg III. beeinflusste maßgeblich die Geschichte der Stadt Spandau, wovon noch heute das Erbbegräbnis der Familie in der Sankt Nicolaikirche zeugt. Ihre diversen Güter in Groß Glienicke und in Seegefeld, in dessen Dorfkirche sich Wappen und Epitaphe derer von Ribbeck befinden, sowie das bereits erwähnte Renaissance-Haus in der Alt-Cöllner Breiten Strasse 35 mussten in jenen schwierigen Tagen von dem osthavelländischen Familienzweig jedoch wieder veräußert werden. Schließlich blieb nur noch der alte Stammsitz der Ribbecks, mit Bagow als Zentrum der westhavelländischen Linie, erhalten. In dieser Landschaft konnte sich das Geschlecht derer von Ribbeck behaupten, weil es ihm gelang, merkantilen Gewinn aus der durch die Agrarreformen im frühen 19. Jahrhundert veränderten Sozial- und Wirtschaftsstruktur zu ziehen.
Das Neue Schloss Ribbeck und seine beiden Vorgängerbauten
Das heute vor uns liegende Neue Schloss ist ein am Ende des 19. Jahrhunderts von Hans-Georg Henning von Ribbeck im neobarocken Baustil errichtetes Gebäude. Der Vorgängerbau des neobarocken Schlosses war am Beginn des 19. Jahrhunderts als eingeschossiges Herrenhaus an der gleichen Stelle eines ersten Landhauses erbaut worden.
Dieses Herrenhaus war das Bauwerk, das unser großer Historiograf Theodor Fontane kannte und das er im Jahre 1898 in seiner berühmten Ballade Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland als sogenanntes Doppeldachhaus erwähnte. An diesen Bau erinnert uns noch immer die römische Jahreszahl MDCCCXXII (1822) am Südgiebel des Neuen Schlosses.
Junge, wiste ’ne Beer? – Lütt Dirn, Kumm man röwer, ick hebb ’ne Birn.
Es ist rührend zu erfahren, wie der großzügige Gutsherr, der Alte Hans-Georg Henning von Ribbeck (*1689), immer freundlich zu den einheimischen Bauern und Büdnern – den Häuslern war. Er verschenkte in jedem Herbst, wenn’s Mittag vom Turme scholl, gerne Birnen an die Kinder des Dorfs.
Als er im hohen Alter im Jahre 1759 starb und auf dem Familienfriedhof neben seinem Schloss beigesetzt wurde, erbat er sich angesichts seines knauserigen Sohnes in weiser Voraussicht eine Birne mit in sein Grab zu legen. Drei Jahre später wuchs aus der Ribbeck’schen Gruft an der evangelischen Pfarrkirche ein prächtiger Birnbaum, der seine saftigen Früchte wieder den Kindern anbot. So spendet Segen noch immer die Hand des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland – wie es Fontane dichtete.
Den alten Birnbaum des gütigen und listigen Hans-Georg Henning von Ribbeck gibt es nicht mehr. Er ist im Jahre 1911 bei einem Sturm gebrochen. Aus dem Stumpf des abgebrochenen legendären Birnbaums wurde ein Aschenbecher gemacht, der einst im Herrenzimmer des Schlosses stand. Heute hat er einen Ehrenplatz in der Ribbecker Pfarrkirche gefunden.
An der Stelle des gleich neben dem Gotteshaus gelegenen alten Birnbaums wurde in den 1970er Jahren ein neuer Baum gepflanzt. Einem kundigen Pomologen ist es gelungen, den Birnbaum zu bestimmen, von dem der Alte Gutsherr dessen süße Früchte verschenkt hatte. Offensichtlich handelte es sich um eine Melanchton-Birne, die auch Römische Schmalzbirne genannt wird.
Der letzte Rittmeister Hans-Georg Karl von Ribbeck auf den Gütern Ribbeck und Bagow
Der letzte Herr auf den Gütern Ribbeck und Bagow war Rittmeister Hans-Georg Karl von Ribbeck, der zu einer Gruppe von märkischen Gutsbesitzern gehörte, die dem Diktator Hitler die Gefolgschaft versagte. Hans von Ribbeck galt nicht nur als kaisertreu und gottesfürchtig, sondern auch als ein überzeugter Gegner Adolf Hitlers, woraus er keinen großen Hehl machte. Zudem nannte er jenen öffentlich einen Halunken und lehnte den Deutschen Gruß strikt ab. Es hieß, dass der Rittmeister von Ribbeck auch einen geheimen Sender betrieben und mit dem Feind korrespondiert hätte. Der Auslöser für seine spätere Liquidierung als Feind des Volkes durch die Gestapo erfolgte im Mai 1944 nach einem Zwischenfall auf einem Ribbeck’schen Feld. Hans von Ribbeck hatte sich zu der Absturzstelle eines britischen Kampfbombers begeben. Am Ort des Geschehens ermahnte er einen dort abgestellten Wehrmachtsoffizier energisch an seine Pflicht, die herbeigeeilten Schaulustigen am Zertrampeln seines aufkeimenden Getreides zu hindern. Es ergab sich ein heftiges Wortgefecht, in dem der energische Rittmeister von Ribbeck auch mit seiner Reitpeitsche drohte.
Kurz danach wurde er verhaftet und von der Geheimen Staatspolizei in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht, in dem er im Februar 1945 ums Leben kam. Daraus folgte, dass der landwirtschaftlich geprägte Ribbeck’sche Stammsitz auf Veranlassung der NSDAP noch im Jahre 1944 unter dessen Verwaltung gestellt wurde und die armen Hinterbliebenen die Verfügung über ihre lebensnotwendigen Güter Ribbeck und Bagow verloren.
Traurige Jahre von 1945-1947 in Ribbeck
Nach dem Ende des II. Weltkriegs durften die Angehörigen als Neusiedler zunächst im havelländischen Ribbeck bleiben, wo ihnen im Rahmen der Bodenreform aus ihrem ehemaligen Eigentum 25 Hektar Land und Wald sowie ein Haus zugewiesen worden waren. Zwei Jahre später wurde die demoralisierte Familie als ehemalige Grundbesitzer durch einen stringenten Befehl der sowjetischen Militäradministration aber endgültig aus Ribbeck ausgewiesen und gelangte in den freieren Teil des Landes.
Rückkehr der Herren von Ribbeck nach Ribbeck im Havelland – das Schloss in heutigen Tagen
Die Familie legte gegen die Enteignung im Zuge der kommunistischen Bodenreform des Jahres 1945 einen Rückgabeanspruch ein, der aber abgelehnt wurde. Ende 1999 stimmte sie letztendlich einem salomonischen Vergleich vor dem Potsdamer Verwaltungsgericht zu. Damit wurde sie auf der Grundlage des Einheitswerts des Jahres 1935 mit einer größeren Summe Geld entschädigt. Aus der inzwischen wieder zusammengeführten Großfamilie hat der Osthavelländer Dietrich von Ribbeck einen Hof in Ribbeck erworben und ausgebaut. Ebenfalls ist der Enkel des letzten Herrn von Ribbeck und Bagow, der Westhavelländer Friedrich-Carl von Ribbeck, nach Ribbeck zurückgekehrt. Er hat nicht nur den desolaten Kutschpferdestall gegenüber dem Neuen Schloss und die ehemalige Brennerei in Ribbeck zurückgekauft und erneut aufgebaut, sondern sich auch zum Ziel gesetzt, zusammen mit seinem Vetter Dietrich die über 777-jährige Familientradition im märkischen Ribbeck fortzusetzen.
Das Ribbeck’sche Schloss ist weiterhin im Besitz des Landkreises Havelland. Fast 50 Jahre lang diente es als stadtbekanntes Altenheim. In den 2000er Jahren ist es denkmalgerecht renoviert worden, so dass es nun als ein gut frequentiertes Zentrum des havelländischen Tourismus fungiert. Für die zahlreichen Besucher und Gäste ist es der Anlaufspunkt mit einem kleinen Museum, eine Tagungsstätte mit modernen Räumen, ein gediegenes Hotel sowie ein nobles Restaurant mit einem angeschlossenen Gartencafé. Einige Räumlichkeiten des Neuen Schlosses können für eigene Veranstaltungen von Familienfeiern über Geburtstage bis zu Hochzeiten genutzt werden.
Hinweis
Schloss Ribbeck GmbH • Theodor-Fontane-Straße 10 • 14641 Nauen OT Ribbeck. Tel 33237-8590-0
Schloss Ribbeck. Mo+Di geschlossen. Mi-So 11-16 Uhr
Restaurant. Mo+Di geschlossen. Mi-So 11-16 Uhr
Museum und Shop. Mo+Di geschlossen. Mi-So 11-16 Uhr. Letzter Einlass in das Museum ist 15:30 Uhr. Ausnahmen. Heiligabend, Neujahr und geschlossene Gesellschaften (Familienfeiern, Hochzeiten, usw.)
Anfahrt mit dem Reisebus und dem PKW. Von Berlin aus fahren Sie die Bundesstraße 5 in Richtung Nauen, danach Richtung Friesack. Nach der Durchquerung der Ortsteile Lietzow und Berge erreichen Sie den Ortsteil Ribbeck. Der kostenlose Besucherparkplatz befindet sich vor dem Ortsausgang rechts an der B 5. Ein barrierefreie Promenade führt nach cirka 100 Metern zum Neuen Schloss hin.
Lesenswert
Ribbeck, Landkreis Havelland, in: Schlösser und Gärten der Mark, Heft 113, hg. von der Deutschen Gesellschaft e.V., Berlin 2019