Giganten aus Stahl. Industriekultur. Freilichtmuseum. Besuchen Sie mit uns den Bergbau-Technik-Park Leipzig.
Hier erfahren Sie, was mit den früheren Dörfern geschehen ist und was es mit dem Leipziger Neuseenland auf sich hat.
Und ob Schaufelradbaggerfahrer noch ein Beruf der Zukunft ist?
Unfassbar klein kommt man sich vor, wenn man vor den Schaufeln des Kolosses steht. Direkt vor einem scheinen sie sich in den kargen Boden hineingefressen zu haben. Rostig und riesig blickt man dem Schaufelradbagger 1547 in sein Antlitz. Ein Volumen von fast 1000 Litern kann eine einzige der zwanzig Schaufeln abbaggern, 1300 Tonnen wiegt das gesamte Ungetüm.
Aber aktiv ist das mächtige Raupenfahrzeug aus Stahlträgern, Seilen, Gewinden, Auslegern und Kränen schon lange nicht mehr. Seit sich in den 90er Jahren das Umland der Leipziger Braunkohlelandschaft nach und nach in das touristisch attraktive Neuseenland verwandelt hat, ist hier vieles im Umbruch. So schnell wird aus Arbeit und Industrie Naherholung und Industriegeschichte. Zwischen dem Störmthaler See und dem Markkleeberger See am Rande der A38 (und auch von dort aus unübersehbar) liegt der Bergbau-Technik-Park direkt südlich von Leipzig.
Die Geschichte des Bergbau-Technik-Parks
Etwa 5 ha groß ist der Themenpark, der die ganze Geschichte erzählt: vom Abbaggern der Ortschaften, vom gezielten Absenken des Grundwasserspiegels, von der Braunkohleförderung, vom Entstehen riesiger Abraumhalden und von der Umgestaltung der Landschaft und der Renaturierung in den letzten beiden Jahrzehnten. Seitdem wurden die ehemaligen Tagebaurestlöcher mit dem Wasser der weißen Elster und anderer kleinerer Flüsse geflutet, die sich von Süd nach Nord durch Leipzig ziehen. An die verschwundenen Dörfer erinnern übrigens Schautafeln auf dem Gelände.
Der Bergbau-Technik-Park e.V. hat es sich auf die einstmals vom Braunkohlestaub verrußten Fahnen geschrieben, die Historie zu vermitteln. Zehn Jahre vergingen von Vereinsgründung bis sich im Frühjahr 2012 die Tore öffneten. Unter enormen Aufwand waren aus dem ehemaligen Tagebau Espenhain der Schaufelradbagger und ein weiteres gigantisches Zeugnis der jüngeren Zeitgeschichte hierher verfrachtet worden. Auch der sage und schreibe 2.400 Tonnen schwere 1985 in Betrieb gegangene Bandabsetzer, mit dem der Abraum, also das Schüttgut, auf langen Förderbändern an den Rand einer Halde gekippt wird, konnte vor der Verschrottung gerettet werden.
Führungen für Reisegruppen
Wenn Sie mit dem Reisebus anreisen, gibt es auch für größere Gruppen tolle Führungen. Bei einer eineinhalbstündigen Tour begleiten Sie ehemalige Mitarbeiter des Tagebaus Espenhain über das Gelände. Diese wissen Faszinierendes aus ihrem vergangenen Arbeitsleben zu berichten. Sie sind Zeitzeugen der Transformation. Leipzig, Sachsen, Deutschland. Im Übergang vom Braunkohleausstieg zu einer Welt der erneuerbaren Energien und der Nachhaltigkeit. Nicht nur bei dieser Führung kann festes Schuhwerk ratsam sein. Noch wichtiger ist das bei den Sonderführungen. So besteht nach Voranmeldung für bis zu 20 Personen die Möglichkeit einer 2h Wanderung (inklusive Rückweg) vom Bergbau-Technik-Park zur Deponie Cröbern. Von dort oben gibt es einen tollen Blick über die Neuseenlandschaft zu genießen und es geht durch renaturiertes Gelände. Hier erobern sich Pionierpflanzen und Vögel ihren Raum zurück.
Der Bergbau-Technik-Park. Eine Reise durch die Zeit
Unzählige Arten und ungebändigte Natur gab es hier, wenn wir viele Millionen Jahre zurückblicken. Denn vor der Neuseenlandschaft war die Braunkohle. Aber vor der Braunkohle war der Torf und vor dem Torf das Moor. Während des sogenannten Tertiärs, also nach dem Aussterben der Dinosaurier, entwickelte sich die Pflanzen- und Tierwelt, von denen unseren heutigen Arten abstammen. In Leipzig herrschte tropisch-subtropisches Klima. Die abgestorbenen Pflanzen versanken im Wasser, wurden dadurch nicht abgebaut, sondern verwandelten sich mit unendlicher Geduld in Braunkohleflöze, die uns gedanklich wieder in die Gegenwart katapultieren.
Riesige Bagger – ein Kindertraum!
Sehr anschaulich ist das auf dem Gelände des Bergbau-Technik-Parks übrigens anhand des Spielplatzes für Kinder dargestellt. Ein großes Klettergerüst in Form eines Haies aus der Urzeit fehlt hier ebenso wenig wie Findlinge aus der Endmoränenzeit, als Gletscher sich kreuz und quer über Europa schoben. Hier gehen Abenteuer und Lernen Hand in Hand. Also nicht nur die Großen werden begeistert sein, sondern auch die Kleinen. Was angesichts von Dutzende Meter hohen Baggern allerdings eh außer Frage steht.
Hunger wie ein Baggerfahrer. Stilechter Imbiss im Bergbau-Technik-Park
Beim Freilichtmuseum eigenen Imbiss Zum Bagger 1547 erwartet Sie Bodenständiges wie Bouletten, Currywurst und Kartoffelsalat. Irgendwie passend in einer Landschaft der Tagebaurestlöcher und ausgedienten Schaufelradbagger. Freilich soll nicht unerwähnt bleiben, dass es der Bergbau-Technik-Park als großes und beliebtes Open Air Museum auf Sachsens Route der Industriekultur geschafft hat. An vielen dieser Orte öffnen sich für den Besucher im Reisebus nicht nur an den Tagen der Industriekultur (jedes Jahr im Herbst) die Werkstore. Es gibt noch viel zu entdecken in Sachsen – beehren Sie uns bald wieder – Glück auf!
Hinweise
Erkundigen Sie sich auf der Homepage des Bergbau-Technik-Parks nach den genauen Öffnungszeiten der Saison (i.d.R. von März bis November) und den aktuellen Führungen. Kontakt: 034297-1401 27 / Email: info@bergbau-technik-park.de
Achtung bei der Anfahrt: Die Adresse des Bergbau-Technik-Parks ist Am Westufer 2, 04463 Großpösna – Die Hauptstraße 19 in Großpösna ist lediglich der Verwaltungssitz und eine halbe Stunde Fahrt entfernt. Eine irrtümliche Anreise sollten Sie sich ersparen!
Auch zeigt sich der Bergbau-Technik-Park nicht nur rückwärtsgewandt; hier gab es auch schon progressive Veranstaltungen mit Elektroakustik, Soundcollagen und Lichtinstallationen. Ein unvergessliches Erlebnis in der Dunkelheit unter dem Bagger. Fragen Sie einfach mal nach!
Lesens- / Sehenswert
Patrick Hofmanns Die letzte Sau ist ein Mehrgenerationenroman über das Wegbaggern eines Dorfes im Leipziger Süden. Penguin Verlag, München, 2020
Die biographische Film Gundermann von Andreas Dresen aus dem Jahr 2018 handelt zwar vom singenden Baggerfahrer der Lausitz, ist aber absolut sehenswert!