Unser Reisebus bringt uns an die Südspitze des Ruppiner Sees nach Wustrau. In dem märkischen Ort wollen wir uns das barocke Zietenschloss mit seinem im englischen Landschaftstil gestalteten Park, seine historische Pfarrkirche und das Brandenburg-Preußen-Museum anschauen. Anschließende Pausen sind in mehreren Lokalitäten möglich.
Schloss Wustrau und seine gleichnamige Gemeinde liegen an der Südspitze des malerischen Ruppiner Sees, wo jener bei dem unweit gelegenen Dorf Altfriesack durch einen schmalen Wasserlauf mit dem angrenzenden Bützsee verbunden ist. Von dem heutigen Ort Wustrau-Altfriesack kann die gleichfalls am Ufer des pittoresken Ruppiner Gewässers circa 15 Kilometer nördlich sich befindene Fontane- und Kreisstadt Neuruppin, die einstmals ‚preußischste aller preußischen Städte’, auf der L16 und der L164 in nur 15 Minuten Fahrzeit mit einem Reisebus erreicht werden. Zwei historische Ereignisse haben Wustrau geprägt. Zum einen begann von diesem märkischen Ort aus der bekannte Historiograf und Romancier Theodor Fontane 1862 per pedes zu seinen literarischen ‚Wanderungen durch die Mark Brandenburg’ aufzubrechen, zum anderen war im benachbarten Gutshaus im Jahre 1699 der legendäre Husarengeneral Hans Joachim von Zieten, der ‚Stammvater der preußischen Husaren’ geboren worden.
„Zietenritt“, „Zieten aus dem Busch“ und das Zietenschloss in Wustrau
Hans Joachim von Zieten, auch „Zieten aus dem Busch“ genannt, war nicht nur einer der berühmtesten Reitergeneräle in der preußischen Militärgeschichte, sondern auch ein enger Intimus König Friedrichs des Großen. Der schnauzbärtige General erwies sich in den zahlreichen Kriegen Friedrichs II. als routinierter und tapferer Kommandeur des Leib-Husaren-Regiments, der nach ihm benannten „Zieten’schen Husaren“.
Berühmt ist der sogenannte „Zietenritt“, mit dem der mutige Husarengeneral im Frühjahr 1745 einen entscheidenden Durchbruch durch feindliche österreichische Truppen bravourös gemeistert hat und damit seinem bedrängten König die erforderliche Verstärkung dessen Hauptarmee sicherte. Demzufolge siegten schließlich die vereinten preußischen Soldaten in der entscheidenen Schlacht von Hohenfriedberg gegen die zurückweichenden Österreicher der Habsburger Kaiserin Maria Theresia im Zweiten Schlesischen Krieg (1744-45). Der beherzte „Zietenritt“ hat nicht nur die idealen Voraussetzungen für den beeindruckenden Sieg geschaffen, sondern er verhalf dem umtriebigen Kommandanten der Kavallerie auch zu seinem unverwechselbaren Namen „Zieten aus dem Busch“. Über jenen tollkühnen Helden hat der märkische Dichter Theodor Fontane ein prägnantes Gedicht verfasst:
„Der alte Zieten“
Joachim Hans von Zieten,
Husaren-General, –
dem Feind die Stirne bieten,
er tat es hundertmal.
Sie haben’s all erfahren,
wie er die Pelze wusch
mit seinen Leibhusaren,
der Zieten aus dem Busch.
Theodor Fontane
Es verwundert nicht, dass der rastlose Husarenführer aufgrund seines wackeren und treuen Charakters das besondere Vertrauen Friedrichs II. genoss. Der 13 Jahre jüngere König hat den alten Zieten häufig besucht und, entgegen seinen eigenen atheistischen Überzeugungen, auch dessen tiefe Frömmigkeit respektiert.
Seit dem Jahr 1726 lebte der schnurrbärtige Zieten auf dem kurmärkischen Rittersitz Wustrau, auf dem er sich in kurzen Friedenszeiten persönlich um die bodenständige Hofhaltung kümmerte, wofür ihn Friedrich II. häufig beurlaubte. Ebenso förderte der großzügige Monarch den weiträumigen Neubau des mit zwei geschwungenen Freitreppen an der jeweiligen Hof- und an der Gartenseite versehenen Herrenhauses, für dessen Errichtung er kostenloses Bauholz und Rüdersdorfer Kalksteine anliefern ließ. Das später mit einem nahebei gelegenen Kavaliershaus erweiterte Barockschloss des Hans Joachim von Zieten ist heute als Residenz der Deutschen Richterakademie eine imposante Sehenswürdigkeit im historischen Wustrauer Ortskern.
Das Grab des Husarengenerals (†1786), des Ritters vom Schwarzen Adlerorden, befindet sich unweit des großen, im englischen Landschaftstil gestalteten Parks, an der Nordseite der klassischen Dorfkirche. Ein weiteres Grabmonument der in den preußischen Grafenstamm erhobenen Familie von Zieten liegt unter einem riesigen Feldstein. Es handelt sich dabei um die pompöse Begräbnisstätte des königlich-preußischen Rittmeisters und indisponierten Landrats des Ruppiner Kreises, Friedrich Emil Graf von Zieten, dem amusischen Sohn des berühmten Husarengenerals. Mit dessem Tod starb die gräfliche Wustrauer Linie in der Mitte des 19. Jahrhunderts im Mannesstamm aus.
Brandenburg-Preußen Museum Wustrau
Nur wenige Schritte entfernt können aufnahmebereite Besucher in einem 500 m2 großen Museum eine aufregende Zeitreise retour in die brandenburgisch-preußische Vergangenheit unternehmen. In dem von dem rührigen Juristen, Bankier und Historiker Ehrhardt Bödecker initiierten Brandenburg-Preußen Museum sind über viele Jahre hinweg kostbare Raritäten und originale Artefakte aus der wechselhaften Historie Preußens zusammengetragen worden. Die mit vielem Fleiß und großer Liebe zum Detail angefertigten Schautafeln, die Tableaus der Ausstellungsräume, liefern nicht nur plausible Erklärungen zu den damaligen Ereignissen, sondern sie stellen auch die wichtigsten Protagonisten der jeweiligen Epochen vor. Der informative Museumsrundgang von circa einer Stunde lässt die Zeit wie im Fluge vergehen.
Angereiste Gäste sollten die ansehenswerte Sammlung zwanglos betrachten, weil die lange Geschichte der Preußen gar nicht so langweilig ist.
Theodor Fontane und der märkische Tourismus
Im romantischen Wustrau des unvergessenen Husarengenerals Hans Joachim von Zieten begann der gern gelesene Feuilletonist mit hugenottischen Wurzeln, Theodor Fontane, im Jahre 1862 nicht nur seine epochalen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, sondern an diesem verträumten Platz am südlichen Ende des idyllischen Ruppiner Sees hat er sie auch beendet. Im Schlusswort zu seinem vierbändigen Opus griff unser märkischer Chronist den Ort 1882 noch einmal auf: „[G]leich das erste Kapitel“ ergebe, „wie lediglich touristenhaft ich meine Sache damals auffasste.“ An Hand von Wustrau wollte Fontane seinen eigenen Landsleuten exemplarisch aufzeigen, „dass es in ihrer Nähe auch nicht übel sei und dass es in der Mark Brandenburg auch historische Städte, alte Schlösser, schöne Seen, landschaftliche Eigentümlichkeiten und Schritt für Schritt tüchtige Kerle gäbe.“ Wustrau-Alfriesack weist mit seinem bukolischen Ruppiner Gewässer, mit seiner klassischen Pfarrkirche, mit seinem barocken Schloss und mit seinem ‚unsterblichen’ Zieten alle benötigten Ingredienzien auf, aus denen Fontane ein anekdotenreiches Potpourri kreierte, mit dem der ‚Pionier des märkischen Tourismus’ seine breite Leserschaft in das ansehnliche Ruppiner Land locken wollte. Er schrieb dazu dezidiert: „Wustrau liegt an der Südspitze des See’s. Der Boden ist fruchtbar und wo die Fruchtbarkeit aufhört, beginnt das Wustrausche Luch, eine Torfgegend, die an Ergiebigkeit mit den Linummer Gräbereien wetteifert. Das eigentliche Dorf, saubere, von Wohlstand zeugende Bauernhäuser, liegt etwas zurückgezogen vom See; zwischen Dorf und See breitet sich der Park aus, dessen Baumgruppen das etwas hoch gelegene Herrenhaus überragt. Dies Schloß oder Herrenhaus gleicht auf ein Haar den adligen Wohnhäusern, wie sie in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in Städten und Dörfern hier zu Lande gebaut wurden.“1
Über 150 Jahre später sind Theodor Fontanes mannigfaltige Ingredienzien auch für den modernen Tourismus noch immer hochaktuell. Wustrau kann seinen neugierigen Gästen einige schmackhafte Delikatessen anbieten, von denen andere Ruppiner Flecken nur zu träumen wagen – sechs Lokalitäten für jedermanns Gusto, zwei interessante Museen und ein wunderbares Schloss. Außerdem liegen sämtliche Pretiosen an einem märchenhaften See, „der fast die Form eines halben Mondes hat“, wie Fontane ihn beschrieb. Darüber hinaus ist der Ruppiner See mit seiner erstaunlichen Länge von 14 Kilometern zugleich der längste in der Mark Brandenburg.
Fontanes mehrmalige Besuche in Wustrau
Theodor Fontane ist in seinem langen Historiografenleben mindestens dreimal persönlich in Wustrau gewesen.
Die bei seinem ersten Aufenthalt im Juli 1859 gewonnenen Eindrücke fasste er noch im Dezember desgleichen Jahres in einem viel beachteten Aufsatz zusammen, den er unter dem sprechenden Sammeltitel „Märkische Bilder“ in der „Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung“ publizieren konnte.
Ein zweites Mal besuchte Fontane die kleine Gemeinde im Verlauf seiner Ruppin-Reise im Frühjahr des Jahres 1861. Die literarische Ausbeute von diesem Wustrauer Aufenthalt bildeten allein 19 eng beschriebene Notizbuchseiten. Sie dienten ihm als wertvolle Skizzen im Zuge der gründlichen Vorbereitungen für seinen ersten Band der „Wanderungen“, die er mit Wustrau eröffnet hat.
Schließlich war unser märkischer Geschichtsschreiber offensichtlich noch ein drittes Mal nach Wustrau gereist. Einen wichtigen Hinweis über seine dritte Reise bildet ein weiteres Notizbuch aus dem Jahre 1864, in dem sich ein vierseitiger Eintrag zu „Wustrau“ befindet. Überdies gibt es noch eine weitere Gemeinsamkeit. Sowohl die Notizbucheinträge von 1861 als auch die von 1864 beginnen mit Hans Joachim von Zieten, der großen historischen Persönlichkeit, die nicht nur Fontane hoch verehrt hat. „Das ganze Schloss“ in Wustrau gleiche, wie es in den „Wanderungen“ geschrieben steht, einer „Art Zieten-Galerie“. Außerdem zählte unser detailverliebter Reiseschriftsteller „wohl vierzig Zieten-Portaits.“ Wenngleich jene imaginären Gemälde heute vergebens gesucht werden, kommt niemand in Wustrau an dem knebelbärtigen Husarengeneral vorbei. Nicht umsonst wird der charmante Ort auch „Zietendorf“ genannt. Zudem hat sich unser sachkundiger Essayist mit den diversen Besitztümern des ursprünglich havelländischen Adelsgeschlechts und mit deren wechselseitigem Verhältnis zu Wustrau beschäftigt.
„Wustrau bestand bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts aus drei Rittergütern; nur eines derselben gehörte den Zieten, (…). Wann die Zieten in den (theilwesen) Besitz von Wustrau gelangten, ist nicht mehr sicher festzustellen. Eben so wenig kennt man das Stammgut der Familie. In der Mark Brandenburg befinden sich neun Ortschaften, die den Namen Zieten, wenn auch in abweichender Schreibart, führen.“2
Bedauerlicherweise ist das zweigeschossige und mit reichem Fassendekor geschmückte Wustrauer Barockschloss in unseren Tagen weitgehend nur von außen zu besichtigen. Es beherbergt heute die modernen Tagungsräume der Deutschen Richterakademie. Mit Rücksicht auf die dort stattfindenden Tagungsklausuren ist eine erhoffte Besichtigung der Innenräume des eindrucksvollen Zietenschlosses außerhalb der Schulferien lediglich mittwochs von 13.00 bis 16.00 Uhr möglich.
Hinweis
Schloss der Familie von Zieten – heute Sitz der Deutschen Richterakademie
Öffnungszeit: Mittwoch 13 – 16 Uhr
Am Schloss 1, 16818 Wustrau-Altfriesack
Telefon: 03 39 25 – 89 70
Brandenburg-Preußen Museum
Eichenallee 7a, 16818 Wustrau-Altfriesack
Telefon: 03 39 25 – 7 07 98
museum@bpm-wustrau.de
Öffnungszeiten:
April-Oktober: Di – So 10.00-18.00 Uhr
November-März: Di – So 10.00-16.00 Uhr
Winterschließzeit
vom 6. Dezember 2021 bis Mitte Februar 2022
Gesonderte Öffnungszeiten für Schulklassen möglich!
Links
Brandenburg-Preußen Museum Wustrau
Literatur
1+2Zit.: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Band 1. Die Grafschaft Ruppin, Der Barnim, Der Teltow. Berlin 1862, S. 4f.
Drescher, Horst; u.a.: Die Bau- und Kunstdenkmale, hg. vom Institut für Denkmalpflege. Berlin 1978. S. 244f. Mit einer schwarz-weiß Abbildung