Der Linden-Boulevard ist die älteste Flaniermeile Berlins und war das Zentrum der früheren Preußenresidenz.
Von jener Zeit zeugen Staatsoper, Hedwigskathedrale, Humboldt-Universität und viele Gebäude mehr. Am Beginn des 20. Jahrhunderts bezogen auch Hotels, Bankhäuser und Verwaltungsgebäude großer Unternehmen an der ersten Berliner Adresse ihr Quartier.
Unser Autor stellt ein Objekt vor.
Das geschichtsreiche Verwaltungsgebäude Unter den Linden 40 – das die Berliner auch Französisches Palais nennen – errichteten der umtriebige Bauunternehmer und Architekt der Hackeschen Höfe Kurt Berndt, sowie der routinierte Innenarchitekt Lange gemeinsam in den Jahren von 1906-08.
Mit der Hofumbauung erstrecken sich dessen Seitenflügel bis in die Mittelstraße 43. Während die beiden mit Werksteinen verkleideten Sockelgeschosse die monumentale Basis des kultivierten Gebäudes Unter den Linden bilden, sind die drei darüber liegenden und vornehmeren Etagen mit kannelierten Kolossalpilastern, sogenannten Halbsäulen, zwischen hohen Rundbogenarkaden, zusammengefasst. Ein breiter Ornamentfries unter dem mächtigen Gesims bildet den Abschluss des eleganten Palais. Hervorzuheben ist das ornamentverzierte schmiedeeiserne Eingangsportal, über dem sich jeweils links und rechts allegorische Figuren befinden, die das goldene Handwerk symbolisieren. Gleichermaßen reich dekoriert ist der Eingangs- und der Treppenbereich mit neoklassizistischen Stuckdecken, wertvollen Marmorintarsien an Wandverkleidungen und einem kostbaren Deckenmosaik.
Das Französische Palais ist mit dem rückwärtigen Gebäude Mittelstraße 43 verbunden
Der rückwärtige Trakt des geschmackvollen Französischen Palais ist mittels der Umbauung zweier Höfe mit dem Gebäude Mittelstraße 43 verbunden. Jenes schmalere Haus weist ebenfalls eine kalksteinverkleidete Fassade im klassizistischen Stil wie das erlesene Französische Palais am Linden-Boulevard auf. Ebenso befinden sich an den drei oberen Etagen des Gebäudes in der Mittelstraße ionische Kolossalpilaster. Zudem schmücken plastische Rosetten das breites Gebälk. Allerdings wurden sie in einer schlichteren Form als am feudalen Hauptgebäude am Linden-Boulevard 40 ausgeführt.
Vom Verwaltungsgebäude zur Botschaft der Republik Frankreich
Zunächst diente das Verwaltungsgebäude mit seinen rund 10 000 Quadratmetern Bestandsfläche der im Jahr 1877 gegründeten Internationalen Schlafwagengesellschaft Wagon-Lit., dem größten Betreiber von gediegenen Schlaf- und Speisewagendiensten in Europa, als Firmensitz.
Die exklusive Firma führte eigene Luxuszüge wie den Lesern aus Agatha Christies Kriminalroman Murder on the Orient Express bekannten gleichnamigen Zug und den Train Bleu.
Nachdem die im Zweiten Weltkrieg unbeschädigte Berliner Immobilie viele Jahre lang leer stand, beherbergte das geschmackvolle Gebäude von 1973 bis 1990 die Botschaft der Republik Frankreich in der DDR, wodurch es im Berliner Volksmund auch den wohlklingenden Namen Französisches Palais erhielt.
Nach dem Auszug der französischen Botschaft zog in das herrschaftliche Palais das Institut français d’Allemagne, das französische Kulturinstitut, in das prachtvolle Gebäude am pulsierenden Linden-Boulevard ein. Seitdem auch die französische Kulturabteilung am Ende der 1990er Jahre ihren Mietvertrag gekündigt hatte, stand das prächtige Gebäude wiederum weitgehend leer und lag in einem tiefen Dornröschenschlaf.
Ein Hamburger Immobilieninvestor erwarb das Französische Palais
Mit dem Wahlberliner und geborenen Hamburger Immobilienunternehmer sowie leidenschaftlichen Sportsegler Harm Müller-Spreer bekam das ehrwürdige Französische Palais Unter den Linden 40 schließlich einen neuen Eigentümer. Es wird gemutmaßt, dass der rastlose Wahlberliner Käufer das neoklassizistische Gebäude für einen mittleren zweistelligen Millionenbereich erwarb. Schließlich gehört es zu den interessantesten Berliner Immobilien, da seine exquisite Lage zwischen dem mondänen Café Einstein am geschäftigen Linden-Boulevard 42 und dem informativen ZDF Hauptstadtstudio in den modernisierten Gebäuden Unter den Linden 36-38, dem einstigen Zollernhof, kaum besser sein könnte.
Sir David Chipperfield baute das Französische Palais zu einem modernen Geschäfts- und Bürohaus um
Müller-Spreer beauftragte mit dem fachkundigen Umbau des Französischen Palais den Londoner Stararchitekten Sir David Chipperfield, der bereits das von Friedrich August Stüler in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf der bekannten Museumsinsel erbaute Neue Museum umfassend rekonstruierte. Im Zuge der tiefgreifenden Neuorientierung sollte das großräumige Palais nach Möglichkeit von dessen bisherigen 10 000 Quadratmeter auf 17 000 Quadratmeter erweitert werden. Nach der versierten Komplettsanierung wird es seit dem Jahr 2016 als modernes Geschäfts- und Bürohaus genutzt.
Hinweis
Ehemaliges Verwaltungsgebäude der Internationalen Schlafwagengesellschaft Wagon-Lit, sogenanntes Französisches Palais, Unter den Linden 40, 10117 Berlin-Mitte
Anfahrt: Buslinien 100, TXL & N5, Haltestelle: S+U Bahnhof Brandenburger Tor, 300 Meter zu Fuß
Buslinie 147, Haltestelle: Unter den Linden / Glinkastraße, 100 Meter per pedes
Einstein Unter den Linden • Restaurant & Kaffeehaus • Telefon-Büro: +49 30 2043 632, 9-15 Uhr
Unter den Linden 42, 10117 Berlin-Mitte
ZDF Hauptstadtstudio Berlin im früheren Haus Zollernhof, Unter den Linden 36-38, 10117 Berlin Mitte
Lesenswert
Christie, Agatha: Mord im Orientexpress, Frankfurt (Main), 2004
Hoebbel, Dagobert: Unter den Linden 40. Ein Stück Berliner Boulevard und seine Umgebung. Berlin, o.D.
Reichardt, Hans D. & Joachim Deppmeyer: Die Blauen Schlaf- & Speisewagen. Eine Geschichte der Internationalen Schlafwagen-Gesellschaft. Düsseldorf, 1976