Unser Reisebus fährt an den im märkischen Barnim gelegenen Parsteiner See.
Wir wollen die konservierten Rudimente des Zisterzienserklosters Mariensee anschauen, das nach nur 10 Jahren seiner Existenz nach Chorin verlegt wurde.
Es wird die Gründung des zweiten Lehniner Tochterklosters geschildert, das als Eigenkloster des johanneischen Zweigs der Askanier über die Brandenburger Landesgrenzen hinaus bekannt wurde.
Das der Heiligen Jungfrau Maria geweihte Kloster, Monasterium sancte Maria virginis, Mariensee-Chorin ist, ausgehend von seiner in Burgund befindlichen Primarabtei Morimond, die Abbatia Morimundus, bereits die 6. Generation der von unserem Buskompass-Autor vorgestellten Filiation. Um genau zu sein, erfolgte die Gründung der Abtei Mariensee auf dem mit alten Bäumen bewachsenen Pehlitzwerder genau 160 Jahre nach der ganz Zentraleuropa verändernden Etablierung des Reformordens der Zisterzienser in Cîteaux, rund 25 Kilometer südlich von Dijon im Osten Frankreichs gelegen.
Nach der Teilung der Mark benötigt die johanneische Linie der Askanier ein eigenes Hauskloster
Ähnlich wie bei seiner honorigen Mutterabtei Lehnin ist auch die Geschichte Mariensees eng mit der Historie der Mark Brandenburg verknüpft. Nach drei Jahrzehnten gemeinsamer Regierungszeit hatten die beiden Askanierbrüder, Johann I. und Otto III. der Fromme, 1258/60 beschlossen, die Mark Brandenburg einvernehmlich unter sich aufzuteilen. Damit musste jeder Familienzweig auch ein eigenes Hauskloster besitzen. Für die ottonische Linie erfüllte diese Aufgabe weiterhin die in der Zauche gelegene und von dem Markgrafen Otto I. – dem Großvater Johanns I. und Ottos III. – gestiftete Abtei Lehnin. Hingegen mußte für die johanneische Linie ein neues Haus- und Grablegekloster erst noch gefunden werden. Dieser dringliche Wunsch der märkischen Askanier für die Neugründung eines Zisterzienserklosters wurde im Jahr 1255 an das Generalkapitel des Ordens der Weißen oder auch Grauen Mönche herangetragen und dort beraten. Die ehrwürdigen Äbte des Zisterzienserordens legten expressis verbis Folgendes fest: Die Besichtigung des Ortes, auf dem die ehrbaren Männer, die Markgrafen von Brandenburg, eine Mönchsabtei erbauen wollen, wird den Äbten von Zinna und Dobrilugk in der Vollmacht des Ordens übertragen […] das Kloster soll Tochter von Lehnin sein.
Aus dem Jahr 1260 ist uns eine Urkunde erhalten, in der der hoch geschätzte Vaterabt Johannes von Lehnin bestätigte, dass der ehrenwerte Markgraf bereits den Vorgängern des Lehniner Kirchenfürsten den Ort der Klostergründung angewiesen hatte.
Kloster Mariensee beteiligt sich am Landesaufbau der neu erworbenen Uckermark
Darüber hinaus hatte die neugestiftete Niederlassung der Weißen Mönche eine weitere dringliche Aufgabe zu erfüllen. Nachdem die Brandenburger Markgrafen in den vorangegangenen Jahren die nördlich des Barnims befindliche Uckermark erworben hatten, sollten die durchsetzungsfähigen Zisterziensermönche in jener Region wiederum die langerprobten Kolonisationsaufgaben des Ordens realisieren. Dafür wurde in der markgräflichen Stiftungsurkunde vom 2. September 1258 die Mutterabtei Lehnin damit beauftragt, eine neue Ordensniederlassung auf dem barnimschen Pehlitzwerder im Parsteiner See zu gründen, die den Namen Monasterium sancte Maria virginis tragen sollte. Diese markgräfliche Order wurde 1260 mit der zeitnahen Entsendung eines Lehniner Gründungskonvents nach Mariensee erfüllt.
Verlegung des Klosters Mariensee vom Pehlitzwerder an den Amtssee nach Chorin
Allerdings blieb das neue Kloster an seiner ursprünglichen Stelle auf dem abgeschiedenen Pehlitzwerder nur gut 10 Jahre bestehen, bevor es an seinen heutigen Standort an das Südufer des malerischen Amtssees – des einstigen Choriner Sees – nach Chorin verlegt wurde. Zuvor hatte der ehrsame Abt von Mariensee im Jahr 1266 um die Verlegung seiner Zisterze gebeten, worüber wie folgt entschieden worden war: Die Besichtigung des Ortes, zu dem hin [der Abt] seine Abtei Mariensee beabsichtigt zu verlegen, wird den Äbten von Lehnin und Zinna übertragen.
Die endgültige Genehmigung diesbezüglich wurde am 8. September 1273 erteilt und mit der Bestätigung aller Besitzrechte der Name der Abtei in Chorin umgewandelt. Das johanneische Eigenkloster nannte einen Besitz von 13 Dörfern, fünf Ackerhöfen und sieben märkischen Seen sein Eigen. Hinzu kamen eine große Anzahl von Einzelbesitzungen an diversen Orten, die wir Streubesitz nennen.
Markgraf Johann I. findet in der unvollendet gebliebenen Basilika auf dem Pehlitzwerder seine letzte Ruhestätte
Recht bald nach dem Einzug in die provisorischen Konventsgebäude in Mariensee durch den ersten Lehniner Tochterkonvent dürften die Bau- und Handwerksarbeiten an den dortigen Kirchen- und Klausurgebäuden aufgenommen worden sein. In diesem Zusammenhang ist es möglich, dass der in der Besiedlungsurkunde für Mariensee erwähnte Lehniner Baumeister – der versierte magister operis Konrad – an den dynamischen Anfängen der Errichtung der Marienseer Abteikirche mitgewirkt hat. Indessen wurde der gotische Klosterbau auf dem romantischen Pehlitzwerder nie vollendet. Vor Ort hatten sich bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts noch immense klosterzeitliche Grundmauern und Relikte von gotischen Gewölben und Kellern erhalten. Von Beginn an scheint die unvollendet gebliebene Pfeilerbasilika – deren drei Schiffe auf einer Linie gerade abgeschlossen sind – genauso konzipiert gewesen zu sein. Damit wich jenes geplante Gotteshaus deutlich von dem architektonischen Grundriss seiner Lehniner Mutterabtei ab. Heute sind auf dem beschaulichen Pehlitzwerder vor allem die konservierten Rudimente des Ostteils der Marienseer Klosterkirche zu sehen, von denen beachtliche Feldsteinfundamente mit beeindruckenden Abmessungen bis in unsere Zeit intakt blieben. In der behelfsmäßigen Basilika war im Jahr 1266 der Stifter von Mariensee, Markgraf Johann I., der Städtegründer, bestattet worden.
In Folge der Verlegung der Zisterzienserabtei nach Chorin im Jahr 1273 – dessen slawischen Siedlungsnamen Koryn sie dabei übernahm – war es zur vollständigen Einstellung sämtlicher Bautätigkeiten auf dem märchenhaften Pehlitzwerder im Parsteiner See gekommen.
Hinweis
Klosterruine Mariensee ∙ 16230 Chorin OT Brodowin-Pehlitz ∙ Landkreis Barnim
Die Klosterruine ist jederzeit frei zugänglich.
Lesenswert
Erdmann, Wolfgang: Zisterzienser-Abtei Chorin. Geschichte, Architektur, Kult und Frömmigkeit, Fürsten-Anspruch und -Selbstdarstellung, klösterliches Wirtschaften sowie Wechselwirkungen zur mittelalterlichen Umwelt, in: Die Blauen Bücher, Königstein im Taunus 1994