Wir besuchen die Belziger Sankt Marienkirche, in der der Reformator Martin Luther predigte.
Nachdem wir uns den markanten Turm sowie die romanischen und gotischen Bauelemente der äußeren Stadtkirche angeschaut haben, betreten wir den Innenraum des Gotteshauses, um die Königinnen der Instrumente, die Orgeln des brandenburgischen Orgelmuseums zu bewundern.
An mittelalterlicher Architektur interessierte Besucher finden in der Belziger Pfarrkirche Sankt Marien ein hervorragendes Beispiel für eine romanische Stadtkirche in der Mark Brandenburg vor. Die im Verlauf des frühen 13. Jahrhunderts aus regelmäßig behauenen Feldsteinen errichtete Marienkirche weist einen kreuzförmigen Grundriss mit einem westlichen Breitturm, den sogenannten Westriegel, auf, der mit dem eigentlichen Kirchenschiff verbunden ist. Ein West- oder Querriegel verkörpert eine spezielle Bauform des romanischen Kirchenbaus. Seine typische Form besteht aus einem quergelegten rechteckigen Baukörper, der vor dem Langhaus des Gotteshauses positioniert ist. Oftmals ist der Westriegel fensterlos und besitzt nur eine kleine Eingangspforte, womit er die Kirche symbolisch als wehrhafte Burg Gottes und als Bollwerk gegen das Böse förmlich abriegelte. Im Mittelalter befand sich das eigentliche rundbogige Hauptportal in jenen romanischen Kirchen nicht im Westriegel, sondern häufig in einem an der Nordseite befindlichen Vorbau, das Paradies genannt wird.
Der auf dem Westgiebel thronende Turm der Marienkirche
Auf dem die gesamte Kirchenbreite um zwei Meter überragenden West- oder Querriegel erhebt sich der südliche Turm. Offenbar wurde der massive Westriegel während des durch die schwedische Soldateska im 30-jährigen Krieg gelegten Stadtbrandes (1636) so stark ruiniert, dass er partiell eingestürzt war. Aus diesem Grund hatten sich die Baumeister der Marienkirche bei dem anschließenden Wiederaufbau nur noch für eine eintürmige Lösung entschlossen. Die eintürmige Lösung verleiht dem oberen Abschluss des Westriegels durch sein Pultdach über dem nördlichen Turmstumpf lediglich einen provisorischen Charakter. Hingegen ist der südliche Turm mit einer frühbarocken Haube bekrönt.
Das Portal des Westriegels mit der an Martin Luther erinnernden Inschrift
In seinem unteren Abschnitt öffnet sich der kolossale Westriegel mit einem rundbogigen Portal, über dem eine Inschrift auf den Besuch des bedeutenden Reformators Martin Luther hinweist, der am 14. Januar 1530 in der Marienkirche eine flammende Predigt gehalten hat. Anschließend hatte Doktor Luther die Nacht oben auf der Burg Eisenhardt im kurfürstlichen Quartier seines gönnerhaften Landesvaters, Friedrich des Weisen von Sachsen, verbracht. Unser Buskompass-Autor berichtete bereits in seinem Beitrag über die kursächsische Festung Eisenhardt von dem generösen Verhalten Friedrich des Weisen seinem geschätzten Untertanen Luther gegenüber, dessen reformatorische Lehre er zeitlebens mit wohlwollender Sympathie unterstützt hat.
Der Chor wird auch Altarraum genannt – einige romanische Bauelemente sind noch zu sehen
An der äußeren Nordseite des rechteckigen Chors verdeutlicht eine im Feldsteinmauerwerk sichtbare Baunaht, dass die ursprüngliche Länge des Altarraums in der Epoche der Gotik verdoppelt worden war. In dessen Folge ging die genuine romanische Apsis verloren. Außerdem besitzt der vergrößerte Chor oder Altarraum statt eines halbrunden nun einen geraden Abschluss. Gut sichtbar sind die beiden zusätzlich eingefügten Fenster, währenddessen der ursprüngliche Teil des Chores seine beiden älteren romanischen Rundbogenfenster behalten hat. In der Südwand des Altarraums befindet sich noch heute die ursprüngliche Priesterpforte aus der Zeit der Romanik.
Kirchenschiff und Querschiff der Belziger Pfarrkirche
An den Altarraum schließt sich das Querschiff an, in dem wir die Rudimente der gleichfalls abgebrochenen Nebenapsis erkennen können. Überdies weisen akkurat bearbeitete Feldsteine und zugemauerte Rundbogenfenster auf den romanischen Vorgängerbau des heutigen Gotteshauses hin. Darüber hinaus sind in der Nordseite des Kirchenschiffs noch die originalen romanischen Fenster vorhanden. Wohingegen das Nordportal später zugemauert wurde. Ferner können aufmerksame Beobachter an der Westwand des Langhauses zwei große, vermauerte Bögen ausmachen, die einstmals die Verbindung zu dem soeben erwähnten West- oder Querriegel herstellten.
Die Südseite mit ihren Querbauten und die Sakristei aus der Zeit der Spätgotik
Der Südteil der Kirche weist vier Querbauten auf, von denen drei mittels großer, spitzbogiger Fenster aus dem späten Mittelalter erhellt werden. Bei dem nächst gelegenen, kleineren Bauwerk handelt es sich um die Sakristei, die ebenfalls aus der Epoche der Spätgotik stammt. Sie verdeckt die ursprünglich romanische Südseite des Chors.
Zerstörungen im 30-jährigen Krieg des 17. Jahrhunderts – lag der Schwedenkönig Gustav Adolf in der Sankt Marienkirche aufgebahrt?
Während des verheerenden 30-jährigen Kriegs war eine schlimme Tragödie über die damals noch kursächsische Landstadt Belzig hereingebrochen. Angeblich sollen schwedische Truppen 1632 ihren in der Schlacht bei Lützen, der Slaget vid Lützen, im heutigen Burgenlandkreis gefallenen protestantischen König Gustav Adolf II. im Verlauf des großen, von Weißenfels nach Wolgast erfolgten Trauerkondukts auch in der Belziger Sankt Marienkirche aufgebahrt haben. Jetzt, zwei Jahre danach, waren die Nachfahren der nordischen Wikinger erneut in den Fläming nach Belzig zurückgekehrt. Wenngleich die schwedischen Kommandeure oben auf der okkupierten Festung Eisenhardt über der kleinen Landstadt Belzig angenehm residierten, wurden unten bei den einfachen Bürgern die landläufigen Beutezüge, Diebstähle und Requirierungen vorgenommen. Obwohl Belzig damals noch mit einem leichteren Schrecken davon gekommen war, kam die kursächsische Stadt zwei Jahre später nicht mehr so einfach aus der Bredouille.
Als die stärkste Militärmacht des damaligen Europas, die Schweden im Jahr 1636 erneut durch Norddeutschland zogen, wurde die Landstadt Belzig von den marodieren Landsknechten nicht nur geplündert, sondern kurzerhand auch in Flammen gesetzt, so dass sie vollständig abbrannte. In Folge dessen wurden die erneut besetzte Festung Eisenhardt, die Pfarrkirche Sankt Marien und sämtliche Bürgerhäuser zerstört. Leider kam der Wiederaufbau Belzigs in jener verarmten Region nur sehr schleppend in Gang. Ein beredetes Zeugnis für die katastrophalen Auswirkungen des 30-jährigen Kriegs können wir am damaligen baulichen Zustand des Westriegels der Marienkirche ablesen.
Das Interieur und das brandenburgische Orgelmuseum in der Bad Belziger Marienkirche
Die barocke Kanzel der Marienkirche wurde von dem Meister Christoph Witt nach der Mitte des 17. Jahrhunderts geschaffen. Ebenso war der Altaraufsatz im Jahr 1660 gestiftet worden. Aus der gleichen Zeit stammen die von Gottfried Hertel angefertigten Malereien und die Gemälde von Daniel Schneider.
Seit dem Jahr 2013 baut der emsige Förderverein Musica Viva e.V. das brandenburgische Orgelmuseum auf, das in der ehrwürdigen Marienkirche eine ideale Heimstätte gefunden hat. Momentan sind neben der von dem Halberstädter Orgelbaumeister Johann Adolarius Papienus 1747 angefertigten Pfeifenorgel der Bad Belziger Stadtkirche sieben weitere Orgeln sowie diverse Orgelteile in einer kleinen, aber ansehenswerten Exposition ausgestellt. Auf vielfältigen Wunsch zahlreicher Besucher werden neben kompetenten Führungen auch einige Klangproben der Königinnen der Instrumente angeboten.
Die einzelnen Orgeln in Kürze vorgestellt
Die im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts erbaute Kabinettorgel könnte von einem märkischen Meister angefertigt worden sein. Sie kann entweder von einem Organisten über ein Fußpedal oder von einem mechanischen Gebläsemotor mit Wind versorgt werden, sodass ihre fünf Register insgesamt 222 Pfeifen erklingen lassen.
Nach der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte der aus Dessau stammende Hoforgelbauer Friedrich Giese eine Orgel für die bei Halle an der Saale gelegenen Ilbersdorfer Kirche erbaut. Das original erhaltene Tasteninstrument steht jetzt im Bad Belziger Museum. Nicht nur eine mangelhafte Pflege, sondern auch eine ganze Marderfamilie hatten den kleinen Metallpfeifen zugesetzt, sodass eine umfassende Restaurierung notwendig geworden war.
Die für die sachsen-anhaltinische Gemeinde Toppel am Beginn des 20. Jahrhunderts von dem kompetenten Potsdamer Orgelbaumeister Alexander Schuke angefertigte Orgel befindet sich als Leihgabe in der Bad Belziger Marienkirche. Mit ihrem formidablen Klang kann sie beinahe die gesamte Pfarrkirche musikalisch beschallen.
Das am Ende des 20. Jahrhunderts von dem Orgelbauer Tzschöckel aus Baden-Württemberg erbaute Tasteninstrument diente dem Kantor Winfried Kuntz als Hausorgel.
Der verstorbenen Kantorin Thea Labes gehörte die kleinste im brandenburgischen Orgelmuseum ausgestellte tragbare Orgel, die Organetto oder Portativ genannt wird, die sie mittels eines handgeführten Blasebalgs betätigen konnte. Gleichzeitig spielte die Frau Kantorin mit der anderen Hand auf winzigen Tasten ein- oder zweistimmige Choräle aus der aufblühenden Zeit der Renaissance des italienischen Cinquecento oder des jubilierenden Frühbarocks, wobei 25 sonore Pfeifen erklangen.
Aber nicht nur im Inneren der Sankt Marienkirche wird musiziert. An den jeweiligen ersten Sonnabenden in den Monaten von April bis Oktober sind immer um 18 Uhr die versierten und schwindelfreien Turmbläser über der märkischen Stadt Bad Belzig zu hören.
In unmittelbarer Nachbarschaft der altehrwürdigen Marienkirche steht ein pittoreskes Fachwerkgebäude, das sogenannte Reißiger-Haus, wobei es sich um das gut erhaltene Geburtshaus des seinerzeit populären Dresdener Hofkapellmeisters Carl Gottlieb Reißiger handelt, das wir uns jetzt anschauen wollen.
Hinweis
Pfarrkirche Sankt Marien ∙ Kirchplatz 1 ∙ 14806 Bad Belzig ∙ Landkreis Potsdam-Mittelmark
Lesenswert
Dehio, Georg: Brandenburg, in: Handbuch deutscher Kunstdenkmäler. Berlin & München 2012