Unser Reisebus fährt in die märkische Prignitz. Wir wollen die Klosterkirche des einstigen Nonnenklosters der Zisterzienser in Marienfließ am Flüsschen Stepenitz anschauen. Der Buskompass-Autor berichtet von der sagenumwobenen Gründungslegende der Abtei, vom Leben der Zisterzienserinnen und von der Klosterkirche, die heute in einem hübschen Park liegt.
Das Nonnenkloster des Zisterzienserordens befindet sich im Ortsteil Stepenitz der Gemeinde Marienfließ. Am beschaulichen Klosterpark fließt die kleine Stepenitz – ein rechter Nebenfluss der Elbe in Brandenburg – vorbei, bei dem es sich um ein sandgeprägtes Tieflandflüsschen handelt. Zwanzig Kilometer entfernt hat sich die im Nordwesten der ehemaligen Vormark und heutigen Prignitz gelegene Kleinstadt Pritzwalk etabliert.

Die Gründungslegende des Nonnenklosters Marienbach / Marienfließ in der Vormark
Eine sagenumwobene Legende rankt sich um die ursprünglich Marienbach genannte Klostergründung. Bei seinem Besuch der heiligen Stätten soll der spätere Kaiser Otto IV. in Palästina vom Sultan Saladin einige Blutstropfen des ans Kreuz geschlagenen Christus zum Angedenken erhalten haben. Nach dem Tod des einzigen Welfen auf dem Kaiserthron des Heiligen Römischen Reiches, 1218, gelangte jene kostbare Reliquie über einige Umwege in die Hände des Edlen Herren Johann Gans zu Putlitz. Ritter Johann verwahrte das heilige Blut zunächst auf seiner Burg auf. Später entschloss er sich einen würdigeren Ort zu stiften, damit die Reliquie in gebührender Form verehrt werden konnte. Demzufolge ließ er 1231 am rauschenden Bach Stepenitz ein Zisterzienser-Nonnenkloster erbauen, dessen originärer Name Marienbach lautet, der aber schon bald darauf in Marienfließ umbenannt wurde.
Marienbach / Marienfließ – ältestes Zisterzienser-Nonnenkloster der Prignitz
Marienfließ ist das älteste Zisterzienser-Nonnenkloster in der märkischen Prignitz. Am 12. August 1231 übertrug der Havelberger Bischof Wilhelm der damaligen Zisterze Marienbach 60 Hufen Land beim Flüsschen Stepenitz. Diese Gemarkung hatte der Edle Herr Johann Gans zum Lehen. Zudem bestätigte der Kirchenfürst die neue Gründung seines Vasallen. Damit liegt die erste urkundliche Nachricht vor, die uns von Marienbach überliefert ist. Da die bischöfliche Bestätigung nicht lange nach der Stiftung des Nonnenklosters erfolgt sein dürfte, gilt 1231 als das Gründungsjahr von Marienbach/Marienfließ.
Die erste Zisterzienser-Regel – ora et labora – bete und arbeite
In Marienfließ lebten die Nonnen nach den strengen Regeln der Zisterzienser. Seinen Ausgangspunkt hatte der Orden 1098 in Burgund genommen, als mehrere Mönche ein neues Reformkloster – die legendäre Abbaye de Cîteaux – in der Einsamkeit gründeten. Leitgedanke der Reform war die Konzentration auf das Gebet und die Arbeit – ora et labora. Vollendung fand die neue Stiftung unter dem berühmten Zisterzienserabt, den Heiligen Bernhard von Clairvaux, † 1153. Als höchstes Ziel des Reformordens galt die Gottesliebe. Beste Voraussetzungen, um die vollkommene Liebe Gottes jener Zeit zu erreichen, boten das zisterziensische Mönchtum und das kontemplative Leben in seinen abgeschiedenen Klöstern. Bei der Konzentration auf diese mühevolle Aufgabe ergab sich zwangsläufig der Rückzug aus der dinglichen Welt in abgelegene Gegenden – in denen wir zahllose Zisterzienserklöster vorfinden – und im Verzicht auf alles Sinnliche. Dieser asketische Weg der Vita contemplativa zeigt sich im Bekenntnis zur Armut, in der Einfachheit der Speisen und in der äußersten Schlichtheit seiner Klosteranlagen. Beispielsweise kannten mittelalterliche Zisterzienserkirchen zunächst keinen prächtigen Glockenturm, ein kleiner Dachreiter oder ein einfaches Heiligenkreuz dienten dafür als Ersatz.
Das Leben der Nonnen in den Zisterzienserklöstern
Das Leben in einem Nonnenkloster entsprach weitgehend dem der Mönchsklöster der Zisterzienser. Der Tagesablauf war durch 7 Gebetszeiten, die Horen, und die zwei Messen, Frühmesse und Konventsamt, bestimmt, die nur durch die Arbeit – getreu dem Grundsatz ora et labora – unterbrochen wurden. Für die ehrwürdigen Fundatoren, die Stifter der Klöster, wurden Messen gehalten und Gebete gesprochen, die in der elitären Denkweise des Adels eine überragende Rolle spielten. Kontakte mit der Außenwelt hatten sich auf das Allernotwendigste zu beschränken. In weltlichen Angelegenheiten vertrat ein Propst, ein Verwalter, das Nonnenkloster Marienfließ. In deren Klosterschulen unterrichteten die Zisterziensernonnen die jungen, noch nicht heiratsfähigen Adelstöchter.
Klösterlicher Besitz von Marienfließ in der Prignitz und in Mecklenburg
Die Besitzungen des Klosters Marienfließ nahmen mit den Jahren durch großzügige Zuwendungen der Edlen Herren Gans zu Putlitz kontinuierlich zu. Bis zur Reformation im 16. Jahrhundert verfügte es über ausgedehnte Güter in der Prignitz und im nahen Mecklenburg, die für den Reichtum und den Wohlstand der Nonnen sorgten.
Brandenburger Reformation – vom Nonnenkloster zum evangelischen Damenstift Marienfließ
Nach dem Übertritt des brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. Hector zur lutherischen Lehre, 1539, wurden auch die Klöster und Stifte seines Landes säkularisiert. Nach der Säkularisation, der staatlichen Enteignung, verpfändete der durchsetzungsstarke Souverän als nunmehriger Landesherr von Putlitz die Stiftsgüter von Marienfließ. Es blieb jedoch als Damenstift erhalten, da der märkische Adel weiterhin eine Heimstätte für die Unterbringung und Versorgung seiner unverheirateten Töchter benötigte. Die Beschlagnahmung der Klöster führte auch bei Marienfließ zum Verlust eines Großteils seiner Besitzungen. In den Statuten war nun festgelegt worden, dass die kultivierten Stiftsdamen keine Kleidung mehr aus feiner Seide tragen durften, damit ihr Hang zur Eitelkeit nicht gefördert würde. Stattdessen wurde eine einheitliche schwarze Tracht unabdingbare Vorschrift.
Der Dreißigjährige Krieg trifft das Damenstift schwer
Im Verlauf des 30jährigen Krieges, 1618-48, war das Stift – ebenso wie die Herrschaft Putlitz – von Verwüstungen der durch die Mark marodierenden Söldnerheere betroffen. Klosteranlagen wurden zerstört, allein die Kirche von Marienfließ blieb dabei verschont. Die Konventualinnen, die stimmberechtigten Mitglieder der klösterlichen Gemeinschaft, verließen das Stift und flüchteten in benachbarte Städte oder zu ihren Familien. Zeitweise war Marienfließ gänzlich verlassen. Nach dem Krieg kehrten die verunsicherten Stiftsdamen zurück und begannen mit dem jahrelangen Wiederaufbau der Klostergebäude. Aufgrund der begrenzten Einkünfte war dies ein mühevolles Unterfangen. Folglich blieb die materielle Ausstattung bescheiden. Der Konvent bestand nach dem Kriegsende nur noch aus 6 Personen. Am Anfang des 18. Jahrhunderts kam allerdings noch eine weitere Präbende, eine kirchliche Pfründe, hinzu, sodass somit 7 fromme Damen im Stift untergebracht werden konnten.

Das Damenstift Marienfließ im 20. und 21. Jahrhundert

Seit 1945 finden ehemalige kirchliche Mitarbeiter in Marienfließ ihren verdienten Ruhesitz. 1950 wurde ein hübsches Feierabendheim eingerichtet. Des Weiteren werden seit 1990 Wohnungen im Stiftsgelände für betreutes Wohnen vermietet.
Architektur der Zisterzienserkirche Marienfließ

Von den zahllosen Klostergebäuden hat leider nur der markante rote Backsteinbau der einschiffigen Klosterkirche die Jahrhunderte überdauert. An der Nordseite der Kirche befindet sich ein vermauertes Portal, das zum einstigen Kreuzgang führte. In der westlichen Seite liegt der ehemalige Eingang zur klosterzeitlichen Nonnenempore. Da sich aufgrund der morgendlichen Gebetszeiten ein Zugang vom Schlafsaal, dem Dormitorium, zur Kirche als nützlich erwies, dürfte sich im Westflügel des Kreuzgangs auch jenes Konventsgebäude mit dem Schlafsaal befunden haben.

Das Interieur des Gotteshauses

Aus der mittelalterlichen Epoche blieb im Inneren des Gotteshauses fatalerweise nichts erhalten. Urkundlich erwähnt ist uns jedoch das Heilige Blut, das sicherlich in einer kostbaren Ampulle aufbewahrt wurde, die in einer geschmückten Nische im Chorraum, dem Sanktuarium, gestanden hat, vor der ein ewiges Licht brannte.

Hinweis
Klosterstift Marienfließ ∙ 16945 Marienfließ OT Stepenitz ∙ Landkreis Prignitz
Öffnungszeiten der Klosterkirche ∙ täglich 10–17 Uhr ∙ Führungen auf Anfrage
Lesenswert
Bergstedt, Clemens & Udo Geiseler: Aus der Geschichte des Stifts Marienfließ. Hrsg. vom Förderkreis Stift Marienfließ. Keine Ortsangabe, 1998