Wir besuchen Lehnin in der historischen Landschaft Zauche, wo sich das älteste Zisterzienserkloster der Mark Brandenburg befindet.
Während unser Buskompass-Autor von der Geschichte der Abtei berichtet, brechen wir zum Rundgang zu den einzelnen Gebäuden und der Kirche Sankt Marien auf.
Zum Abschluss werden wir uns in einem Kloster-Café ausruhen.
Eine alte Gründungslegende, die uns in einer Böhmischen Chronik des 14. Jahrhunderts überliefert ist, berichtet über den Anlass der Lehniner Klostergründung. Es sei erlaubt, die Erzählung in knapper Form wiederzugeben:
Otto I. von Brandenburg, Sohn Albrechts des Bären, ruhte sich an jener Stätte, wo jetzt das Kloster Lehnin steht, allein im Schatten einer Eiche von der Jagd aus. Im Traum begegnete ihm eine Hirschkuh, die ihn nicht schlafen ließ. Als das Tier ihn wieder bedrängte, ergriff er Pfeil und Bogen und schoss es nieder. Vom Schlaf erwacht, erzählte er seinen eintreffenden Begleitern den Traum, worauf er meinte, die Stätte sei zur Anlage eines Klosters geeignet. Die meisten rieten ihm aber, hier eine Burg zu bauen, die sich gegen die heidnischen Slawen richten sollte. Daraufhin erwiderte der Markgraf, eine Burg wolle er tatsächlich gründen, doch sollten es die Stimmen geistlicher Männer sein, die die Heiden in die Flucht schlügen. Hier wollte er auch ruhig den Jüngsten Tag erwarten.
Vergleichbare mit Hirschen, Bäumen und Träumen verknüpfte Gründungslegenden finden wir bei vielen Zisterzienserklöstern. Wenngleich der Ansatz, Lehnin mit dem slawischen Wort für Hirsch, Jelenin, oder Hirschkuh, Lanye, in Verbindung zu bringen, der Intention der Gründungslegende entspricht, dürfte er aber dennoch kaum zu halten sein.
Lehnin dürfte ein slawischer Siedlungsname sein
Im Gebiet des Klosters Lehnin wird es eine slawische Vorgängersiedlung gegeben haben. Darauf weisen wendische Siedlungsplätze und slawische Ortsnamen hin. Dazu gehört wahrscheinlich auch der slawische Siedlungsname Lehnin selbst, der sich vermutlich von den Personennamen Len ableitet. Damit wäre er als Ort des Len zu übersetzen. Es hat den Anschein, als ob die Wenden in der Frühzeit der Abtei noch eine Gefahrenquelle gewesen waren, weil der erste Zisterzienserabt Sibold von heidnischen Fischern erschlagen wurde. Außerdem waren die deutschen Klosterbauern von Markgraf Albrecht II. – dem jüngsten Sohn Ottos I. – zur Verteidigung ihres Grund und Bodens verpflichtet worden.
Markgraf Otto I. von Brandenburg stiftet das Zisterzienserkloster Lehnin
Die Geschichte des Klosters Lehnin umfasst von seiner Stiftung im Jahr 1180 bis zu seiner Aufhebung 1542 immerhin einen Zeitrahmen von 362 Jahren. Zu keinem Zeitpunkt ist die Abtei vom Schicksal der Mark Brandenburg zu trennen. Das auf der dünn besiedelten Hochfläche der Zauche gegründete Kloster erwies sich als ebenso brandenburgisch, wie es zisterziensisch war. Im Jahr 1180 hatte Markgraf Otto I. das Zisterzienserkloster Lehnin als Haus- und Grablegekloster der brandenburgischen Askanier gegründet.
Es war die erste Niederlassung des Zisterzienserordens in der Mark überhaupt. Einige Jahre später wurde sie nach der Gepflogenheit der weißen Mönche mit 12 Brüdern und einem Abt vom Kloster Sittichenbach in der Diözese Halberstadt aus besiedelt. Lehnin verdankte den Askaniern ein beachtliches Grundeigentum, so dass das Kloster bis in das 16. Jahrhundert zu einer der reichsten Zisterzen und zu einem der größten Grundbesitzer in der Mark avancierte. Im Jahr 1540 zählten zu den Lehniner Liegenschaften das Landstädtchen Werder, 39 Dörfer und 54 Seen (!) zu dessen umfangreichen Vermögen.
Unser Klosterrundgang beginnt an der Klosterpforte, dem Tetzeltor
Wir betreten die Zisterzienserabtei Lehnin durch die ruinösen Relikte der mittelalterlichen Klosterpforte – des Tetzeltors – mit seinem spitzbogigen Haupt- und seinen rundbogigen Nebeneinlassen. Die Bauzeit des auf einem flachen Feldsteinfundament fußenden Tors datiert in das 13. Jahrhundert.
Gleich nebenan – die gotische Kapelle
Neben dem alten Torbogen der Klosterpforte befindet sich eine in den 1980er Jahren in Privatinitiative wiederaufgebaute gotische Kapelle. Ihre erhalten gebliebenen Schildbögen, Rippenansätze und Konsolen zeugen davon, dass das Gebäude einstmals kreuzrippengewölbt war. Dieser Befund ist authentisch, weil die originalen Außenmauern der Kapelle noch intakt geblieben waren, als sie rekonstruiert wurde. Heute ist ihr Innenraum zweigeschossig ausgebaut.
Das mittelalterliche Kornhaus war dreimal größer
Südlich der gotischen Kapelle befindet sich das imposante aus dem 14. Jahrhundert stammende Kornhaus, das Granarium. Wenngleich es in schlichter Backsteinbaukunst errichtet wurde, weist es eine schöne Nord- und Südfassade auf. Ursprünglich war das Gebäude noch größer gebaut worden. Der heutige Bau repräsentiert lediglich das Mittelschiff des ursprünglich dreiteiligen Speichers. Demzufolge sind die jetzigen Längswände des Kornhauses die vormaligen Trennwände zwischen den insgesamt drei Langhäusern des Granariums gewesen. In der daneben gelegenen Geländesenke lagen früher die Klostergärten.
Friedrich Wilhelm IV. gab seinen Namen – das Königshaus
Das aus dem 14. Jahrhundert stammende und nach Friedrich Wilhelm IV. von Preußen benannte Königshaus befand sich südlich der Klausur. Das Gebäude, dessen ansehenswerte Fassade mittels Blenden schmuckreich und vielfältig strukturiert ist, weist damit auf eine erneute spätmittelalterliche Blütephase des Klosters unter den nun die Mark regierenden Hohenzollern-Kurfürsten hin. Nicht nur die Lage südlich der Klausur, sondern auch der Baubefund sprechen dafür, dass es sich bei dem Königshaus einst um das Hospital, das domus hospitalis, des Klosters gehandelt hat. Offenbar war es durch einen Gang mit dem Südflügel des Konventsgebäudes verbunden, genauso wie es bei vergleichbaren Hospitälern in Zisterzienserklöstern üblich war.
Im Untergeschoss des Königshauses treffen wir auf eine prachtvolle hölzerne Renaissance-Decke, die wahrscheinlich im 16. Jahrhundert eingebaut wurde. Eine im 19. Jahrhundert konstruierte Wendeltreppe verbindet das Untergeschoss mit der oberen Etage. Das Obergeschoss war kreuzgewölbt. Der im hinteren Zimmer gelegene Kamin datiert ebenfalls in das 16. Jahrhundert. Außerdem gehörte zum Königshaus eine noch im 18. Jahrhundert bekannte Kapelle, was den Bauregeln eines Hospitals entsprechen würde. Obwohl uns die Identifizierung des Königshauses als Lehniner Siechenhaus überzeugend erscheint, so ist dies aber noch nicht endgültig bewiesen worden.
Falkonierhaus und Ludwig Persius‘ Superintendentur
Gleich daneben befindet sich das Falkonierhaus, das einstmals als Gästehaus des Klosters fungierte. Heute sind in seinen Räumen eine evangelische Kindertagesstätte untergebracht. Gegenüber des Königshauses liegt das im 19. Jahrhundert von dem begabten Schinkel-Schüler Ludwig Persius im neogotischen Baustil errichtete Pfarrhaus beziehungsweise die Superintendentur. Architekt Persius ist nicht nur den Potsdamern, sondern auch den Berliner Bürgern kein Unbekannter, weil er seinem genialen Lehrer Karl Friedrich Schinkel bei der Erbauung des Schlosses Charlottenhof, der Römischen Bäder und der Großen Fontaine im Park von Sanssouci assistierte.
Sie gehört zu den bekanntesten Backsteinbauten der Mark – die Klosterkirche Sankt Marien
Die in Kreuzform erbaute Lehniner Klosterkirche Sankt Marien ist eine dreischiffige spätromanisch-frühgotische Hallenkirche, die zu den bekanntesten Backsteinbauten in der Mark Brandenburg gehört. Die noch original erhaltenen Ostteile der Kirche sind die ältesten des Bauwerks. Wenngleich dessen Baubeginn nicht eindeutig datiert werden kann, wird er aber in den 90er Jahren des 12. Jahrhunderts angenommen. Diese Vermutung wird neben urkundlichen Indizien auch durch das Feldsteinfundament gestützt, auf dem der monumentale Backsteinbau der Sankt Marienkirche entstand. Überdies stimmen die frühesten Schmuckelemente in Lehnin mit vergleichbaren Ornamenten und Verzierungen an der Jerichower Stiftskirche überein, deren Baubeginn ebenfalls in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts fiel.
Die Lehniner Westfassade – schöner dürfte nur noch die Kirche des Klosters Chorin sein?
Den fulminanten Höhepunkt der Klosterkirche Sankt Marien bildet deren augenfällige Westfassade. Sie präsentiert sich den staunenden Besuchern als eine imposante Schauwand, die es versteht, ihre strukturierte und klare Gliederung zu einer großartig wirkenden Repräsentationsfassade hin zu erhöhen. Dieses gelungene Konzept spiritueller und landesherrlicher Herrschaftsrepräsentation wurde anschließend in dem von Lehnin aus gegründeten Tochterkloster Chorin vollendet. Die Westschauwand der Choriner Klosterkirche gilt als die Krönung märkischer Backsteinbaukunst. Bedauerlicherweise war die Westfassade Lehnins bereits bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts fast gänzlich zerstört worden. Praktisch nur die untere Blendarkadenreihe und die untere Hälfte des nördlichen Treppentürmchens können noch heute in ihrer originalen mittelalterlichen Bausubstanz bewundert werden.
Der gesamte übrige Teil ist das Resultat der umfangreichen Restaurierungsarbeiten. Zum Glück haben es die versierten Bauhandwerker verstanden, das grundsätzliche Gliederungskonzept mit den kräftigen Gesimsen wiederherzustellen, die die Wandzonen voneinander trennen und damit die Horizontale der Sankt Marienkirche betonen. Das gleiche bauliche Restaurationskonzept gilt für die Blendarkaden, mit deren Hilfe die glatte Fläche einer Wand durch das Andeuten einer Arkade aufgelockert wird.
Ausstattung der Klosterkirche Sankt Marien – ein verkieselter Eichenblock im Altarraum
Im Kircheninneren sind einige Einzelheiten hervorzuheben. In die mittlere der drei Stufen zum Altarraum, dem Sanktuarium, ist ein ominöser Eichenblock eingelassen worden, der circa 60 cm lang ist und einen Durchmesser von 45 cm aufweist. Da er verkieselte, könnte er tatsächlich aus dem späten 12. Jahrhundert stammen. Eine dendrochronologische Untersuchung steht noch aus. Möglicherweise weist der verkieselte Eichenklotz auf die Lehniner Gründungslegende und auf ein durch die christliche Klosterkirche überbautes Naturheiligtum der slawischen Urbevölkerung hin.
Im Sanktuarium befindet sich die Grabplatte Markgraf Ottos VI. des Kleinen
Gegenüber der Nordwand des Sanktuariums mit seiner halbrunden Apsis befindet sich die Grabplatte Markgraf Ottos VI. des Kleinen, die auch Ottoko genannt wird. Nach dem Verzicht auf den Titel eines Markgrafen war Otto am 06. Juli 1303 als sogenannter Akoluth, als Priester des vierten Weihegrads und Helfer des Diakons, im Kloster Lehnin verstorben. Am Beginn der Restaurierungsarbeiten im Jahr 1870 hat sich Ottos Grabplatte noch in der Mitte des Altarraumbodens direkt vor dem Hochaltar befunden. Seine Grabplatte ist übrigens die einzige des askanischen Markgrafengeschlechts, die in den brandenburgischen Zisterzienserklöstern erhalten blieb.
Insgesamt hat nur wenig von dem alten Interieur der Lehniner Klosterkirche die Jahrhunderte überdauert. Außer vereinzelten Rudimenten der farbenfrohen Ausmalung gehören die restlichen mittelalterlichen Ausstattungsstücke primär gar nicht in die Lehniner Klosterkirche.
Lehnins Altarschrein steht im Brandenburger Dom
Beispielsweise wurde der heutige in Lehnin stehende spätgotische Schnitzaltar aus dem 15. Jahrhundert mit der Darstellung von Marienkrönung und Marientod erst vor wenigen Jahrzehnten aufgestellt. Hingegen befindet sich der authentische, im 16. Jahrhundert in einer Leipziger Werkstatt angefertigte Altarschrein jetzt im Brandenburger Dom Sankt Peter und Paul. Er wird dort als Lehniner Altar bezeichnet. Dessen hölzerner Sockel, die bemalte Predella mit ihrer Reliquiennische, datiert in das Jahr 1502.
Zisterzienser mögen es schlicht – das Triumphkreuz
Das in seiner eindrucksvollen Schlichtheit im östlichen Vierungsbogen befindliche Triumphkreuz stammt aus einer märkischen Werkstatt. Es dürfte in das 13. Jahrhunderts zuzuordnen sein. Wahrscheinlich war es ursprünglich für eine andere Großkirche konzipiert worden, die aber nicht mehr zu eruieren ist.
Als weitere Ausstellungsstücke der Klosterzeit existieren noch zwei Tafelbilder zur Klostergeschichte, die die Ermordung des ersten Zisterzienserabtes Sibold thematisieren.
Abtshaus, Klostermauern und ein Wehrturm
Ebenfalls hat sich das alte Abtshaus erhalten. Sein auffälligstes Merkmal ist die breite Tordurchfahrt zum Wirtschaftshof. Später wohnte in jenem Gebäude der Amtshauptmann, als dessen Kanzlei es diente. Schließlich sind von dem mittelalterlichen Klosterkomplex noch Teile der Klostermauer intakt geblieben. Besonders die Ruine des als Kuhbier oder Hungerturm bezeichneten Wehrturms ist erwähnenswert. Er fungierte mitunter auch als ein Gefängnis.
Das Dorf Lehnin entsteht – sein Kloster wird noch heute vielfältig genutzt
Im Anschluss an die Klosterepoche entwickelte sich ab dem 16. Jahrhundert die kleine Siedlung Lehnin mit ihrem eigenen überregionalen Markt, der noch auf das Kloster selbst zurückging und der einige Nachbargemeinden an sich ziehen konnte. Heute befindet sich im Kloster Lehnin das Luise-Henrietten-Stift, ein Diakonissenhaus, eine Klinik, eine Kindertagesstätte und ein Altenpflegeheim.
Hinweis
Zisterzienserkloster Lehnin • Klosterkirchplatz 4 • 14797 Kloster Lehnin OT Lehnin
Besucherdienst, Museumsleitung, Anmeldung von Führungen. Telefon: (0178) 61 871 38
Kloster-Café Fiedler • Marktplatz 6 • 14797 Kloster Lehnin OT Lehnin. Telefon: 03382 333
Lesenswert
Gisela Gooß & Jacqueline Hennig (Hrsg.): Alle Brandenburger Zisterzienserklöster. 1997