Das kleine große Kulturjuwel gehört ganz zweifellos zu den prachtvollsten Städten im Freistaat Thüringen. Nicht nur für Freunde der Kunst und historischer Besonderheiten gibt es in Gotha Unvermutetes und Außergewöhnliches zu entdecken.
Am nordöstlichen Fuße des Thüringer Waldes gelegen, thront schon vom weitem sichtbar das Schloss Friedenstein auf einem Hügel, umsäumt von großzügigem Grün des Schlossparks. Die Stadt selbst liegt rund 300 Meter über dem Meeresspiegel und kann sich, nicht zuletzt durch seine günstige Lage und der nahen Versorgung der Ohra-Talsperre eines Stausees, einer ausgezeichneten Trinkwasserqualität rühmen, die einen im Durchschnitt besonders niedrigen Kalkgehalt (Härtegrad) aufweist und damit als sehr weiches Wasser gilt.
Gotha zählt mit seiner reichen, weit über 1200 Jahre neueren und bis in die Bronzezeit älteren Geschichte, neben Weimar zu einem der beiden historischen Zentren des ernestinischen Monarchenhauses. Das aus diesem später hervorgehende Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha nahm sich in seiner politischen Bedeutung eher gering aus. Groß hingegen waren die kulturelle Strahlkraft und sein gesellschaftlich prägender Einfluss weit über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus, in die große Welt des europäischen Abendlandes.
Gotha macht Schule
Als einen von etlichen Gründe dafür zu nennen, ist sicherlich die Vorreiterstellung der Stadt und ihrer Landesherren im Bereich der Bildung. Wo Weimar im späten Barock bis ins Zeitalter der Aufklärung (besser bekannt als „Weimarer Klassik“) das künstlerische Zentrum für sich beanspruchte, wurde Gotha das der Naturwissenschaften. So kam es nicht von ungefähr, dass hier die erste allgemeine Schulpflicht auf deutschem Boden ins Gesetzbuch geschrieben wurde und für zunächst alle Mädchen und Jungen im Alter von 5 bis 12 Jahren galt. Erstmals hielt hier die deutsche Sprache Einzug in die Unterrichtsräume, löste das Lateindogma ab und lehrte in zentralen Fächern wie Mathematik, Metaphysik, Ethik, Logik und Rhetorik. Es ging das geflügelte Wort um, die Bauern seien hier gebildeter als anderswo die Edelleute.
Diese grundlegende Neuheit verordneter Bildung fürs Volk als einen Akt reiner Güte und Menschenliebe zu verklären, kann mithin als ein glücklicher Folgeaspekt gesehen werden, wäre als alleinige Kernmotivation aber zu kurz gegriffen. Dahinter stand vielmehr moderner Pragmatismus der Weitsicht, dass ein politisch stabiles und wirtschaftlich florierendes Land das Heranziehen aufgeklärter und gut ausgebildeter Staatsbürger voraussetzt. Während sich diese Erkenntnis als erfolgreich erwies, nahmen sich zunehmend andere Regionen und Länder daran Beispiel.
Im 17. Jahrhundert fand das heutige „Arnoldi Gymnasium“ einen bedeutenden Aufschwung. Bereits 1524 (noch an anderem Ort der Stadt) als ein sogenanntes „Gymnasium illustre“ von dem mit Luther eng befreundeten Reformator Myconius gegründet, zählen beispielsweise nicht nur die Grünen-Abgeordnete und ehemalige Vizepräsidentin des deutschen Bundestages Katrin Göring-Eckhart, sondern auch der Philosoph von Weltrang Arthur Schopenhauer zu dessen prominentesten Schülern.
Das Gedeihen in Stadt und Umgebung geschah unter dem protestantischen Herzog Ernst I., genannt Ernst der Fromme, der zum einen Bauherr des damals in Deutschland größten frühbarocken Schlosses Friedenstein in Gotha war und zum anderen als Schöpfer des Fürstentums nach den Verwüstungen und den harten Entbehrungen des Dreißigjährigen Krieges eine neue Blüte des kulturellen Lebens einläutete.
Kultur geht vor Krieg
Er war Gründer einer bedeutenden Kunstkammer, aus der sich zahlreiche Sammlungen entwickelten, sowie Urheber vieler Reformen zum Wohle seiner Untertanen. Diese fanden unter anderem auch Anklang beim russischen Zaren und dem britischen Staatsmann Oliver Cromwell. Ganz im Erbe seines Vorbildes sahen sich fast alle nachfolgenden Herzöge und Fürsten vielmehr dem liberal gesinnten, dem künstlerischen und kulturschaffenden Fortschritt verpflichtet, denn als kriegslüsterne Feldherren und säbelrasselnde Invasoren nach Ruhm und Ehre zu suchen. Als ein solcher Heerführer war Napoleon auch einmal zu Gast bei Hofe in Gotha und hinterließ dort als Geschenk seinen Hut, welcher heute im Schlossmuseum zu sehen ist.
Ebenfalls Gäste, die hier ein und ausgingen, waren auch Friedrich der Große, Voltaire, Goethe und die Sprachwissenschaftler und Volkskundler Jacob und Wilhelm Grimm, bekannt als die Gebrüder Grimm.
Iffland, Ekhof und die Geburt des neuen deutschen Theaters
Entgegen der Behauptung, Gotha sei vorwiegend naturwissenschaftliches Zentrum, ist als ein kulturelles Highlight das Ekhof-Theater im Westturm des Schlosses zu nennen. Es wurde unter Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha-Altenburg in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts anstelle des ehemaligen Ballsaals eingebaut. Hier standen zunächst die Mitglieder der herzoglichen Familie auf der Bühne, um das freie Reden vor Publikum zu erlernen. Später stellte Herzog Ernst II. das erste feststehende Schauspielensemble an. Die Mitglieder erhielten ein festes Gehalt und profitierten von einer eigens eingerichteten Pensionskasse – ein Novum in der damaligen Zeit. Berühmt wurde das Haus unter der Leitung von Conrad Ekhof, der es mit bemerkenswerten Inszenierungen zu einer Hochburg des deutschen Theaterlebens machte. Schon zu Lebzeiten adelte ihn der Titel „Vater der deutschen Schauspielkunst“. Schillerndster Bühnenkünstler seines einstigen Ensembles war August Wilhelm Iffland, der in Gotha sein erstes Engagement erhielt. Mit einem nach ihm benannten, diamantenbesetzten, eisernen Fingerring werden heute noch die bedeutendsten Bühnenkünstler des deutschsprachigen Theaters auf Lebenszeit geehrt.
Hinweise
- Gastwirtschaft /Restaurant „Pagenhaus“ (Schloss Friedenstein)
- Barrierefreier Zugang Schloss Friedenstein