Auf der A4 unterwegs zwischen Erfurt und Eisennach, nahe der Residenzstadt Gotha, sind sie vom aufmerksamen Blick kaum zu übersehen. Eine der bekanntesten Burggruppen Deutschlands.
Wie eine rechts, bald eine andere links sich in den sanften Hügeln am Vorland des Thüringer Waldes aus dem Profil heben, hat eine beschauliche Anmut längst vergangener Zeiten. Ehrwürdig und malerisch, wie ein Schauplatz romantischer Erzählungen und märchenhafter Sagen in die Landschaft getupft, ziehen sie nacheinander, in gemessenem Schritt der Fahrt vorbei, so man nicht – und das sei hier als Ausflugsziel ausdrücklich empfohlen – die entsprechende Ausfahrt mit Hinweis „Wandersleben /Mühlburg“ wählt.
Bastion von 1500 Jahren deutscher Zeitgeschichte
Die Mühlburg ist eine von insgesamt drei früh-mittelalterlichen Festungen an diesem Ort und gilt als das älteste noch erhaltene Bauwerk Thüringens. Aus der architektonischen Anordnung hervor ragt der 22 Meter hohe Turm, auch „Bergfrieden“ genannt, mit einer Wanddicke von 2,7 Meter und einem Durchmesser von 7,4 Meter, von dem aus man einen herrlichen Blick in die Weite des Umlandes genießen kann. Die Entstehungszeit der Burg geht nach Überlieferungen bis ins Jahr 531 zurück, als gerade das Königreich Thüringen von den fränkischen Merowingern besetzt wurde. Eine bewegte Vergangenheit mit zahlreichen, mitunter sehr heftigen Belagerungen zeichneten ihre nunmehr anderthalb Jahrtausende währende Geschichte. Darunter auch ein Versuch zur feindlichen Eroberung des Kaisers Heinrich IV., welcher unter dem wehrhaften Regiment der damaligen Besitzer und Grafen von Orlamünde erfolglos blieb. Als ein späterer Schlosshauptmann wurde 1521 Hermann von Hoff mit den Obliegenschaften der Burg betraut, der seines Zeichens kritisch dem katholischen Klerus eingestellt, Luther zu dem schicksalshaften „Reichstag zu Worms“ Beistand in Begleitung leistete. Andere Eckpunkte zur Geschichte, beispielsweise zu Töpferei und Hausrat des Mittelalters, gibt es in dem kleinen Museum zu sehen, was dort untergebracht ist.
Die Mühlburg ist somit auch älteste der drei Gleichen, welche, angeordnet im Abstand geübter Fußmärsche, durchaus allesamt innerhalb einer guten Tageswanderung der Reihe nach erklommen werden können. Aber natürlich auch einzeln und bequem mit dem Bus oder dem Auto, das den Gast direkt bis vor die Tore bringt.
Aus ritterlicher Herkunft in geschichtsbewusste Zukunft
Solche sind bei der stattlichen Wachsenburg am Städtchen Holzhausen die weithin massivsten und am besten erhaltenen des Trios. Ganz zweifellos ist sowohl dem interessierten Laien wie auch dem enthusiastischen Wanderer auf historischer Spurensuche schon von weitem ersichtlich, dass es sich hier bei der Wachsenburg um eine wohl sehr gut erhaltene Burg handelt, die, im Gegensatz zu ihren zwei Geschwistern, keine Ruine ist. Schon zunächst vom bloßen Augenschein der Ferne und nach Betreten außen- wie innenarchitektonisch eindrucksvoll, eröffnet sich hier dem Besucher eine altertümlich-authentische Ritterwelt mit viele Details, Schätzen und Symbolen vergangener Epochen. Dazu gehören, neben einem dort bereits Ende des 19. Jahrhunderts gegründeten Museum über deutsche Kriegsgeschichte, auch vielfältige Sammlungen, wie beispielsweise über Heimatkunde und völkerkundliche Gegenstände aus ehemaligen Kolonien und verschiedensten Regionen der Welt. Einige Teile davon fielen nach dem Zweiten Weltkrieg den US-Truppen und der Roten Armee als Beutekunst zum Opfer, wovon manche auch zurückgegeben oder anderen Einrichtungen wie dem Deutschen Historischen Museum zu Berlin überführt wurden.Die seit der Wende privat geführte Trägerschaft der Veste Wachsenburg unterhält neben drei stillvollen Restaurants, „Rittersaal“, „Bar Anno 1861“ und „Burghof“ auch ein kleines Hotel, das Gästen komfortable Übernachtungen in der historischen Kastell-Anlage bietet.
Von Ränken zu Ruinen und sagenhaften Affären
Auch die dritte im Bunde des Festungsensemble, die Burg Gleichen, kann auf eine ähnlich wechselvolle Historie zurückblicken wie ihre beide Nachbarn. In den Aufzeichnungen des südlich davon, im Thüringer Wald gelegenen Klosters Reinhardsbrunn, erstmals offiziell 1034 als „Gliche“ erwähnt, gehen archäologische Funde baulicher Anlagen vor Ort auf das frühe 8. Jahrhundert zurück.Waren ohnehin nicht selten jede der drei Gleichen von etlichen Ereignissen der Geschichte gleichermaßen mal betroffen wie begünstigt, so wurden Kriegswunden und Zerstörungen über die Jahrhunderte, die denkbarerweise auch hier nicht halt machten, im Gegensatz zur Mühl- und Wachsenburg, auf der Burg Gleichen insgesamt weniger mit Restaurierung, Neu- und Umbau bedacht.
Gab es beispielsweise zu Zeiten im Besitztum der Grafschaft von Tonna-Gleichen, welche von Mitte des 12. bis Mitte des 16. Jahrhunderts verschiedene Nutzungen der Burg betrieben, auch manch Blütezeiten der Anlagen, die durch sie mitbefördert waren, so begann der Verfall zum Zustand von heute bereits Anfang 1600 mit dem Erlöschen des Gleichenschen Adelsgeschlechts. Nicht zuletzt auch durch missliche Erbfolgen, Fehden, finanzielle Verpflichtungen und Lehnschaften nun als katholische Enklave an das Mainzer Erzbistums übergegangen, inmitten protestantischen Gebiets und den Wirren des Dreißigjährigen Krieges, wurde ein zunehmender Niedergang – trotz verschiedentlicher Pläne nachfolgender Zeiten zum Wiederaufbau – als heutige Ruine besiegelt.
(An dieser Stelle sei dem geneigten Leser eine wirklich ausgezeichnete, weiterführende Lektüre ans Herz gelegt, die sich in fundiertem Wissen auf inspirierend klarsichtige wie ebenso humorvolle Weise mit dem Thema »Vergänglichkeit« im Allgemeinen und in einem ganzen Kapitel mit dem von Ruinen im Besonderen beschäftigt. Ein auch international beachteter Literaturerfolg von Midas Dekkers:
„An allem nagt der Zahn der Zeit – Vom Reiz der Vergänglichkeit.“ im btb Verlag.)
Gleichwohl dieser Tatsachen wurde die Burg bereits früh über die Landesgrenzen hinaus bekannt und nährte diese Prominenz von der etwas skurril anmutenden Sage her: Der einstige und bereits verheiratete Graf Ernst von Gleichen hätte sich des (für die Zeit und Region völlig untypischen) polygamen Glücks zweier Ehefrauen erfreuen können, nachdem ihm, als einer der Zahlreichen von missionarischem Eroberungseifer durchdrungenen Teilnehmer der Kreuzzüge im fernen Osten, von einer schönen Sultanstochter zur Flucht aus Gefangenschaft geholfen wart. Dies habe sie aufgrund eines Eheversprechens von ihm an sie gewagt und sei fortan an seiner Seite geblieben, obendrein unter neuem Namen Angelika, vom Papst höchstselbst getauft und in Zustimmung zur Zweitehe gesegnet. Jene Stelle, wo sich beide Frauen nach seiner Rückkehr zum ersten Mal begegnet haben sollen, wird seither das „Freudenthal“ genannt. Das Thema dieser Vielehe „dreier glücklicher Ehegatten“ wurde von verschiedenen Künstlern in ihren Werken aufgegriffen, so zum Beispiel von Franz Schubert in seiner (unvollendet gebliebenen) Oper „Der Graf von Gleichen“ mit einem Libretto von Eduard von Bauernfeld.
Literatur
Midas Dekkers, „An allem nagt der Zahn der Zeit – Vom Reiz der Vergänglichkeit.“ im btb Verlag
Hinweis
Gaststätten: „Rittersaal“; „Bar Anno 1861“; „Burghof“ in der Wachsenburg