Unser Reisebus bringt uns zur einstigen bischöflichen Residenz in der märkischen Burg Ziesar.
Von der Burggeschichte wird berichtet. Wir freuen uns auf die Burgkapelle, den Palas und das gotische Haus.
Schließlich klettern wir auf den Bergfried, um den Storchenturm zu sehen und die Aussicht zu genießen.
Das beschauliche Landstädtchen Ziesar liegt im äußersten Westen der Mark Brandenburg und grenzt unmittelbar an das heutige Bundesland Sachsen-Anhalt. Bereits vor der ab dem 10. Jahrhundert erfolgten deutschen Ostsiedlung waren die jenseits der Elbe gelegenen Randgebiete des Heiligen Römischen Reichs partiell bewohnt, worauf in unserem vorliegenden Fall der slawische Name Zi-e-sar hinweist. Der frei übersetzte Flurname Ort hinter dem See impliziert die charakteristische und geografische Lage jener märkischen Region. Die noch heute gut erhaltene mittelalterliche Burg Ziesar erstreckt sich auf einem zwischen mehreren Gewässern und dem vermoorten Gebiet des Fiener Bruchs verlaufenden Höhenrückens. In dieser strategisch günstigen Umgebung war die wehrhafte Ziesarer Burgbesatzung in der vorteilhaften Position, eine eminente Heer- und Handelsstraße zu sichern, die aus dem alten, vom Sachsenkaiser Otto I. dem Großen gegründeten Magdeburger Erzbistum im Tal vorbei lief. Sie mündete schließlich in die sich an der mittleren Havel schnell entwickelnde Bischofsstadt Brandenburg. Es sei darauf hingewiesen, dass die Burg Ziesar als civitas Ezeri, als kleinstädtisches Zentrum, erstmals in der bedeutenden Stiftungsurkunde des Brandenburger Bistums aus der Mitte des 10. Jahrhunderts eine entsprechende Erwähnung findet. In dem historischen Dokument heißt es, dass die Ziesarer Burg dem ehrwürdigen Bischof des Hochstifts Brandenburg zum unveräußerlichen Grundbesitz übertragen wird.
Die Burg Ziesar wird zur bischöflichen Residenz der Brandenburger Bischöfe ausgebaut
Der von 1327-47 amtierende Fürstbischof des Hochstifts Brandenburg, Ludwig Schenk von Neindorf, ordnete die erste planmäßige Neugestaltung der Ziesarer Burg zur permanenten bischöflichen Residenz an. Während der zwanzigjährigen Amtszeit des Brandenburger Bischofs Ludwig sind auch mehrere Nonnen des Zisterzienserordens in ihrem Kloster der seligen Jungfrau Maria in Ziesar nachgewiesen. Allerdings erfolgten die spektakulärsten Erweiterungen der bischöflichen Residenz erst über 100 Jahre später, ab 1459, unter der Ägide des baufreudigen Dietrich von Stechow, der als Bischof Dietrich III. von Brandenburg bis zu seinem Tod im Jahr 1472 in seinem hohen Amt verblieb. Auf den tatkräftigen Fürstbischof Dietrich III. geht die Errichtung der bis heute die Jahrhunderte überdauernden Burgkapelle Sankt Peter und Paul zurück, in der er auch seine Grablege gefunden hat. Sein inzwischen entzwei gebrochener Epitaph ist jetzt im Museum für brandenburgische Kirchen- und Kulturgeschichte des Mittelalters in Ziesar zu sehen. Dietrich III. muss seine bischöfliche Residenz sehr an das fromme Herz gewachsen sein, weil er als einziger Kirchenfürst nicht im Brandenburger Dom beigesetzt worden war. Auf die Burgkapelle wird unser Buskompass-Autor in einem gesonderten Beitrag en détail eingehen.
Die Geschichte der Burg Ziesar im 19. und 20. Jahrhundert
Nach der im Jahr 1539 durch den Kurfürsten Joachim II. Hector durchgeführten Reformation in der Mark Brandenburg blieb aber die behördliche Verwaltung des Amtes Ziesar auf der Burg bis in das Jahr 1819 weiterhin bestehen. Danach kaufte ein privater Investor – wenngleich ohne die unabdingbare Burgkapelle – den gesamten Ziesarer Feudalsitz, der nach dem katastrophalen Ende des II. Weltkriegs im Jahr 1945 verstaatlicht wurde. Bis in die Mitte der 1950er Jahre fanden viele Flüchtlinge in den diversen Kemenaten des einstigen Festungsbaus eine erste Wohnstatt. Weil von 1955 bis 1993 auf der Burg ein Schulinternat eingerichtet worden war, konnte damals hinter den mittelalterlichen Burgmauern gelernt werden. Zeitgleich mit dem Anbruch des neuen Millenniums begannen auch die tiefgreifenden Umbauarbeiten und die Renovierung der früheren bischöflichen Residenz, die für ihre zukünftige museale Verwendung hergerichtet wurde. Heute beherbergt das Museum für brandenburgische Kirchen- und Kulturgeschichte die ständige Ausstellung Wege in die Himmelsstadt in ihren altehrwürdigen Gemäuern.
Unser Burgrundgang beginnt –
die Vorburg mit ihrem Rundturm, dem sogenannten Storchenturm mit seinem Storchennest
Von der nordöstlich der imposanten Hauptburg gelegenen Vorburg ist ein in massivem Backsteinmauerwerk errichteter Rundturm – der sogenannte Storchenturm – erhalten geblieben.
Er wird durch eine Plattform mit einem gemauerten Kegelspitzhelm aus dem späten 15. Jahrhundert abgeschlossen. Auf dessen luftiger Spitze hat seit einigen Jahren ein elegant anzuschauendes Storchenpaar sein heimatliches Domizil in ihrem weithin sichtbaren Storchennest gefunden.
Die Pforte zum Storchenturm mit seinem steinernen Wachposten von Alexander Calandrelli
Die für Besucher verschlossene Eingangspforte des Storchenturms wird von einem mit Argusaugen schauenden steinernen Wachposten flankiert. Leider sind von den ehemals vier am Beginn des 20. Jahrhunderts käuflich erworbenen robusten Wächtern heute nur noch zwei auf der märkischen Burg vorhanden. Sie stammen aus dem Atelier des in Berlin geborenen Bildhauers italienischer Herkunft, Alexander Calandrelli. Bildhauer Calandrelli ist aufmerksamen und fleißigen Lesern des informativen Buskompass-Magazins keine unbekannte Persönlichkeit mehr. Beispielsweise hatte der in Lankwitz verstorbene Maestro auch das vor der berühmten Alten Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel stehende Reiterstandbild König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen geschaffen, über das unser Autor bereits berichtete.
Der Zugang zur Hauptburg mit seiner Tordurchfahrt und seinem zweiten steinernen Burgwächter
In den erhalten gebliebenen Relikten der starken Wallanlagen befindet sich auch die breite Tordurchfahrt, die uns zu der in ihrem Kern aus der spätgotischen Epoche stammenden Hauptburg führt. Bemerkenswert ist die zur Vorburg gewendete Durchgangsseite, an der wir noch heute eine tiefe rundbogige Nische für das leider nicht mehr vorhandene Fallgitter erkennen können.
Bevor wir die spitzbogige Tordurchfahrt zur sehenswerten Hauptburg problemlos passieren dürfen, müssen wir erst an dem zweiten steinernen, aber inzwischen verwitterten Burgwächter des populären Bildhauermeisters Calandrelli vorbei kommen.
Die Hauptburg mit ihrem Bergfried und dem Wappen des Brandenburger Bischofs von Jagow
In der über einem unregelmäßig trapezförmigen Grundriss angelegten Hauptburg erhebt sich der 35 Meter hohe mittelalterliche Berg-, Burgfried oder Donjon, der mit zu den ältesten Baukörpern der Ziesarer Burganlage gehört. Der um das Jahr 1200 vollständig aus formiertem Feldsteinmauerwerk errichtete Rundturm wird durch einen gemauerten Zinnenkranz bekrönt, an dem sich fünf Wappenschilde Brandenburger Bischöfe befinden. Dazu gehört das herrschaftliche Wappen des von 1526 bis 1544 amtierenden und ersten evangelischen Bischofs von Brandenburg, Matthias von Jagow, der aus einer außerehelichen Liaison zwei illegitime Kinder sein eigen nannte. Der potente Brandenburger Kirchenfürst ließ auch die über dem Zinnenkranz befindliche und in frühen Renaissanceformen ausgeführte Kuppel mit ihren regelmäßigen Halbrundgiebeln erbauen, die den sprechenden Namen Bischofsmütze trägt.
Die beiden Portale zum Bergfried und das Epitaph des Hauptmanns Caspar von Arnim
Von der Hofseite können wir noch heute am rechten Turmrand die hochgelegene mittelalterliche Einstiegspforte erkennen. Die große Höhe des im oberen ersten Drittel des Bergfrieds befindlichen Einstiegs zum kolossalen Turm erklärt sich dadurch, dass der massive Donjon bei feindlichen Angriffen die letzte Zufluchtsstätte für die in arge Bedrängnis geratenen Burgbewohner bot.
Wir erreichen den heutigen Zugang zum Bergfried über eine kleine vierstufige Treppe, an deren rechter Seite sich die gelungene Kopie eines mit vier Wappen geschmückten Reliefgrabsteins aus dem späten 16. Jahrhundert befindet. Das mannshohe Epitaph zeigt den geharnischten und barhäuptigen Hauptmann zu Ziesar, Caspar von Arnim, über dessen linken Fuß sein federgeschmückter Ritterhelm sichtbar ist.
Der Palas, der repräsentative und administrative Mittelpunkt der Ziesarer Burg
Wir alle kennen das französische Wort Palais, aus dem sich die Begriffe Palas, Palast und Pfalz ableiten. Die Sprachwurzel des romanischen Palais liegt in dem lateinischen Nomen palatium. Im Palatium auf dem legendären Palatin-Hügel lebte der kaiserliche Hof im antiken Rom. In Ziesar befindet sich der repräsentative und über einem längsrechteckigen Grundriss erbaute Palas gleich neben der Tordurchfahrt zum gepflasterten Innenhof der Burg. Häufig sind jene steinernen Saalbauten, die wir auf einer Burg Palas nennen, unterkellert und besitzen in ihrem beheizbaren Hauptgeschoss einen großen Festsaal, der sich über die gesamte Grundfläche des herrschaftlichen Gebäudes erstreckt. Auf der Ziesarer Burg hingegen liegt der kreuzgewölbte Festsaal samt seiner praktischen Fußbodenheizung im Erdgeschoss. In der Regel kann das sommerliche Sonnenlicht jene charakteristischen Residenzsäle durch zahlreiche romanische oder große gotische Fenster erhellen. Die Errichtung des imponierenden Palas fiel in die dreizehnjährige Epoche des prunkliebenden Brandenburger Bischofs Dietrich III.
Während der im 16. Jahrhundert liegenden Amtszeit des evangelischen Kirchenfürsten von Brandenburg, Matthias von Jagow, erhielten nicht nur die bischöflichen Wohnräume ein neues Meublement, sondern auch die filigranen Maßwerkarbeiten und die feinen Vorhangmalereien wurden ausgeführt. Aus jener Zeit ist noch ein kleiner Erkerraum übrig geblieben.
Das gotische Haus vom östlichen Gebäudetrakt
Von der neben dem hochherrschaftlichen Palas befindlichen Randbebauung der Burganlage hat sich ein vielfach verbautes, stumpfwinkliges Haus aus gotischer Zeit erhalten. Das komplett aus bearbeiteten Feldsteinen errichtete Bauwerk weist insgesamt drei Geschosse auf.
Nach der umfangreichen Burgbesichtigung verdienen wir eine längere Pause, bevor wir uns dem mit einiger Spannung erwarteten zweiten Artikel des Buskompass-Autors über die sakrale Burgkapelle Sankt Peter und Paul in Ziesar zuwenden.
Hinweis
Burg Ziesar ∙ 14793 Ziesar
Anfahrt: Besucher erreichen Ziesar mit dem Reisebus oder dem Automobil über die A 2, wobei die gleichnamige Ausfahrt 2 Kilometer von der märkischen Landstadt entfernt liegt. Darüber hinaus ermöglicht die ausgebaute Bundesstraße 107 eine bequeme Anreise.
Parken: An der Burg Ziesar gibt es einen kostenlosen Parkplatz. Auf dem rollstuhlgerechten Fußweg zur Burg sind es 100 Meter.
Besichtigungsmöglichkeiten und Führungen: Tourismusinfothek Ziesar
Mühlentor 17 ∙ 14793 Ziesar ∙ Kontakt: 03 38 30-4 69
Lesenswert
Bergstedt, Clemens; Hrsg.: Bischofsresidenz Burg Ziesar. Berlin 2005