Was ist ein Herold? Kann ich beim Fürstenzug mitreiten?
Und wer hat überhaupt eines der größten gegenständlichen Porzellankachelbilder der Welt hergestellt?
Wir nehmen uns Zeit, um am Dresdener Schlossplatz ein Gemälde der Superlative zu betrachten und um in sächsische Landesgeschichte einzutauchen.
Wäre es nicht toll, mit dem Reisebus an einem Tross aus Reitern und Fürsten vorbeizufahren? Bald schon könnten wir uns an die Spitze des Zuges setzten und würden gönnerhaft winken. Schnell würde die Parade im Rückspiegel verblassen. Halt, Stopp – was vielleicht als Idee für einen kurzen Augenblick amüsant erscheint, ist zum Glück nicht möglich. Die Dresdener Altstadt ist ohnehin schon ganz schön überlaufen von Sightseeing-Bussen. Daher empfehlen wir Ihnen, den Reisebus auf einem der großen Busparkplätze am Rande der Dresdener Altstadt abzustellen; beispielsweise an der Carolabrücke (an der Elbe) oder an der Ammonstraße (beim Hauptbahnhof). Den Rest des Weges legen Sie dann zu Fuß zurück. Wir besuchen gemeinsam den Dresdener Schlossplatz. Aber wir richten heute unser Augenmerk auf ein 100 Meter langes Wandbild aus gefliestem Meissner Porzellan; auf den Fürstenzug. Der ist zwar strenggenommen Teil des Dresdener Residenzschlosses, aber eine eigene Betrachtung unbedingt wert.
Der Schlossplatz in der Dresdener Altstadt
Zunächst lohnt es sich zu orientieren, wenn einen die gesamte Pracht des Dresdner Barock und der uns umgebende Neorenaissancestil gefangen nehmen. Eigentlich ist es ganz einfach. Die Augustusbrücke führt von der nördlichen Elbseite über die Elbe hinweg direkt auf den Schlossplatz zu. Gleich zu unserer Linken haben wir das Sächsische Ständehaus, in welchem sich heute das Oberlandesgericht befindet. Zur Rechten die Katholische Hofkirche, die in den 50er Jahren des 18. Jahrhunderts errichtet wurde und die bis heute in ihren Grüften die Gebeine so mancher sächsischer Herrscher bewahrt. Dahinter das Residenzschloss.
Von der Renaissance bis zur Weimarer Republik
Am Kopfende des Platzes befindet sich der Georgenbau, Wohnsitz des letzten sächsischen Königs bis zu seiner Abdankung im Zuge der Novemberrevolution von 1918. So wie wir das Gebäude vor uns sehen, mit seinem prächtigen Toren, den Renaissance-Verzierungen, Türmchen und Gauben, sah es lange nicht aus. Es wurde zwar im 16. Jahrhundert als erster Dresdener Renaissancebau überhaupt gebaut, aber bald darauf sogar zugemauert. Erst bei der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde im Zuge der Umgestaltung des benachbarten Residenzschlosses auch eine Fassade hochgezogen, die vom Stil her Neorenaissance genannt wird. Also ein klassischer Fall von Historismus – was eben den Bauherren der langsam ausklingenden Monarchien so gefiel. Vielleicht ein Ausdruck dessen, dass sie die vergangenen Zeiten mit all ihren Privilegien gerne für immer behalten wollten. Doch dann folgte der Erste Weltkrieg und die Weimarer Republik.
Der Fürstenzug
Wenn wir uns also ausreichend orientiert haben, können wir den langen Marsch entlang des Fürstenzuges antreten. Auf der Außenmauer des Stallhofes befindet sich die aus 23.000 Meissner Porzellanfliesen gefertigte Darstellung vieler wichtiger Herrscher von Sachsen. Das Wettiner Königshaus hat hier vielfach seine Spuren hinterlassen. Abgebildet sind neben Kurfürsten und Herzögen (oftmals zu Pferde) auch Künstler, Wissenschaftler, Soldaten, Bauern und Kinder. Ein Mädchen ist übrigens die einzige Frau von fast einhundert dargestellten Personen.
Der Fürstenzug und sein Entwerfer
Der Maler Wilhelm Walther (1826-1913) war Professor an der Dresdener Kunstakademie und gestaltete den Fürstenzug mit dutzenden Pferden und den fast einhundert Personen. Auch zwei Windhunde durften hier nicht fehlen. Der Erschaffer selbst hat sich als letzte Figur des Zuges verewigt. Angeführt wir die Parade vom Markgrafen Konrad von Meißen (1098-1157), der dem Wettiner Adelsgeschlecht eine große Herrschaftsgeschichte schreiben sollte. Auch dank vieler seiner hier ebenfalls verewigten Nachfolger. Ihm voran geht und reitet noch ein Tross aus Bote (früher hieß das Herold), Fanfarenbläsern, Fahnenträgern und Knappen.
Natur und Geographie – Bildung mit dem Fürstenzug
Der Fürstenzug ist so gestaltet, dass er wie ein Wandteppich wirkt, der über die gesamte Länge des Gebäudetraktes aufgespannt ist. Es gibt noch vieles zu entdecken im Rahmen um das eigentliche Bild des Fürstenzuges herum. In der Architektur nennt man solche zierenden und ausschmückenden Leisten Fries. Der Fries des Fürstenzuges ist von pflanzlichen Girlanden ausgefüllt. Außerdem gibt es zahlreiche Wappen, die hier abgebildet werden. Etwa das Dresdener Stadtwappen, aber auch Wappen von Meißen, Thüringen und der Nieder- und Oberlausitz. Abbildungen zahlreicher Pflanzen und Schmetterlinge finden sich auf den 20x20cm großen Porzellankacheln, welche die Dresdener Bombennacht im Zweiten Weltkrieg weitestgehend unbeschadet überstanden haben. Nur einige Dutzend Kacheln waren ganz zerstört, einige Hundert mussten wieder vervollständigt werden.
Der Fürstenzug und seine Entstehung
Spannend ist auch die Vorgeschichte des Fürstenzuges aus Meissner Porzellankacheln. Die Wand, auf der die Kacheln angebracht wurden, gehört zum ehemaligen Stallhof und Pferdestall des Dresdener Residenzschlosses. Dieser entstand Ende des 16. Jahrhunderts, war schon damals mit Malereien aus Kalkfarben gestaltet worden und zeigte auch schon einen Reiterzug. Über die Zeiten setzte das Wetter dem Werk mächtig zu und so wurde im 19. Jahrhundert der Fürstenzug in Auftrag gegeben. Zu Ehren des 800-jährigen Bestehens des Adelshauses Wettin, welches 1889 bevorstand. Wilhelm Walter zeichnete eine 100 Meter lange Vorlage (entsprechend der Länge des heutigen Fürstenzuges), die erhalten blieb und heute in der Staatlichen Kunstsammlung Dresden einzusehen ist. Es gab einen Vorläufer des gekachelten Wandgemäldes: anhand der Kohlezeichnung von Wilhelm Walter wurden mit einer Kratztechnik verschieden farbige (und zuvor eigens aufgetragene) Putzschichten voneinander abgekratzt, bis das fertige Bild entstanden war. Diese aus Italien stammende Technik nennt sich Sgraffito. Der Unterschied zum klangmalerisch verwandten Graffiti (Singular: Graffitto) besteht darin, dass eben Schicht um Schicht abgekratzt wird, wohingegen beim Graffiti Schichten aufeinander und nebeneinander gesprüht werden. Hier werden also letztlich Schichten aufgetragen. Wer diesem Brückenschlag in die Moderne gedanklich nicht mehr folgen kann, für den wird es nun vielleicht Zeit, sich von den Details und Geschichten des Fürstenzuges loszureißen, um sich mit dem Reisebus auf dem Rückweg in die Heimat zu machen. Oder es geht gleich weiter in eine der bekannten Sehenswürdigkeiten der Dresdener Altstadt, die hier räumlich so dicht gepackt sind, dass wir ihnen voll Freude gleich eine ganze Reihe von Artikeln widmen!
Hinweise
- In der Dresdener Altstadt gibt es zahlreiche Restaurants, bei denen Sie auch für Gruppen vorbestellen können
- Es gibt eine öffentliche und barrierefrei nutzbare Toilette am Schlossplatz in der Dresdener Altstadt
- Die Tourismus Information der Stadt Dresden erreichen Sie Mo-Fr von 9.00 Uhr – 18.00 Uhr und am Sa von 9.00 Uhr – 17.00 Uhr unter 0351-501501 / E-Mail: info@dresden.travel
Lesenswert
Es gibt ein günstiges Taschenbuch von Reinhard Delau zum Fürstenzug: Der Fürstenzug in Dresden