Die Hauptstädter nennen sie „schönste Ecke Berlins“. Gemeint ist das im jubilierenden Rokoko glänzende Ephraim-Palais, das am Rand des Nikolaiviertels beim Molkenmarkt liegt. Unser Autor berichtet von Veitel Heine Ephraim, dem Hofjuwelier Friedrichs II., von „Ephraimiten“, geschwungenen Fassaden, Putten und Wendeltreppen. Lassen Sie sich in die verspielte Märchenwelt des Rokokos im 18. Jahrhundert entführen.
Der bekannte und größte Münzunternehmer Veitel Heine Ephraim und Friedrich der Große kannten sich seit ihrer gemeinsamen Jugendzeit. Bereits als junger Kronprinz schuldete Friedrich dem damaligen Münzpächter und Hofagenten 7600 und ein weiteres Mal 9459 preußische Taler. Im Lauf der Jahre konnte Ephraim durch diskrete Geldleihe und fachkundigen Juwelenhandel nicht nur sein beachtliches Vermögen steigern, sondern auch sein Ansehen beim Adel und beim preußischen Hof vermehren. Schon bald ernannte der König seinen umtriebigen Hofagenten zum offiziellen Hofjuwelier, der als nunmehriger Inhaber mehrerer Gold- und Silbermanufakturen zum ersten königlichen Silberlieferanten avancierte. Als zuverlässiger Lieferant der preußischen Münze war Ephraim nicht nur durch den Silberhandel, sondern auch durch Salz- und Getreidelieferungen an das preußische Militär zum vielfachen Millionär geworden. Darüber hinaus verpachtete Friedrich der Große seinem vertrauten Hofjuwelier am Beginn des Siebenjährigen Kriegs im Jahre 1756 die Leipziger und die Dresdener Münze.
Für das von preußischen Truppen besetzte Sachsen ließ Friedrich II. minderwertige 8-Groschen-Stücke und sächsische Achtzehngröscher aus Silber sowie das goldene 5-Talerstück, den sogenannten „August d’or“, den „goldenen August“, mit dem Bildnis und Wappen seines verhassten Kontrahenten, dem Sohn des legendären August des Starken, Friedrich August II., prägen. Allerdings wurden jene als „Ephraimiten“ bezeichneten und limitierten Nominale von der Bevölkerung schnell erkannt, die daraufhin reimte:
„Von außen schön,
von innen schlimm.
Von außen Friedrich,
von innen Ephraim.“
Nachdem Friedrich der Große zur stetigen Finanzierung des nicht enden wollenden Siebenjährigen Kriegs im Jahre 1758 alle preußischen und sächsischen Münzstätten verpachtet hatte, führten die daraus folgenden Münzverträge zu immer weiteren Münzverschlechterungen.
Eine bedeutende Rolle spielte Ephraim aufgrund seines enormen Kapitals und seiner gewinnbringenden Beteiligung an Manufakturen auch in der Wirtschaftspolitik Friedrichs des Großen. Sein im Siebenjährigen Krieg, aber auch in Friedenszeiten gewonnenes Vermögen wurde klug in Grundbesitz in Berlin, Potsdam, Breslau, Magdeburg und Ostpreußen angelegt.
Am bekanntesten von Ephraims zahlreichen Häusern ist sein in der Poststraße 16 am Rand des Nikolaiviertels beim Molkenmarkt gelegene Palais in Berlins Mitte, das bis in das Jahr 1823 im Besitz der Familie blieb.
Der am Rand des Nikolaiviertels gelegene Molkenmarkt
Als ältester Markt Berlins war der Molkenmarkt, der Olde Markt, nach Osten über die Stralauer Straße mit dem Stralauer Tor und der mittelalterlichen Stadtbefestigung verbunden. Nach Nordwesten bestand eine Anbindung über die Spandauer Straße mit dem Spandauer Tor. Wenngleich der alte Molkenmarkt nach der Etablierung des Neuen Markts im 13. Jahrhundert nicht mehr als zentraler Hauptmarkt fungierte, behielt er seine wirtschaftliche Relevanz für Berlin. Die Bedeutung des Molkenmarkts resultierte neben seiner verkehrsgünstigen Lage am Schnittpunkt dreier Fernverkehrsstraßen auch aus seiner unmittelbaren Verbindung zum Handelshafen und zum Stapelplatz an der Spree. Vor Ort lagen zudem die Salzhäuser. Nach der bürgerlichen Wohnbebauung entstanden am Molkenmarkt im 18. Jahrhundert mehrere Stadtpalais, von denen das imposanteste das Ephraim-Palais war.
Zeitreise in die Welt des Rokokos im 18. Jahrhundert
Das am Molkenmarkt am Rand des Nikolaiviertels gelegene Ephraim-Palais versetzt seine staunenden Betrachter in die vergnügte Märchenwelt des jubilierenden Rokokos. Schon im Vorbeigehen ist die sanft abgerundete Eckfassade mit ihrem von verspielten Putten bekrönten und vergoldeten Balkongitter, mit ihren Pilastern und toskanischen Säulen ein Blickfang. Schnell nannte der flotte Volksmund der Hauptstädter das zu den prächtigsten Bürgerhäusern der Stadt gehörende Palais aufgrund seiner gerundeten Rokokofassade die „schönste Ecke Berlins“. Veitel Heine Ephraim hatte dem aus dem niedersächsischen Uelzen stammenden Architekten Friedrich Wilhelm Ditrichs im Jahr 1762 den Bauauftrag erteilt, ihm auf dem Grund und Boden einer ehemaligen Apotheke ein repräsentatives Stadtpalais im vorherrschenden Stil des Rokoko zu errichten. Auch bei der Gestaltung des Inneren orientierte sich der Architekt an den belebten Rokoko-Elementen der 1766 fertig gestellten Fassade.
Eine wahre Augenweide ist das Treppenhaus mit seinen elegant geschwungen, spiralförmig empor führenden Treppenstufen, die die ovalen Formen des Palais aufnehmen. Oben angekommen scheinen die staunenden Gäste des Hauses in ein gigantisches Muschelgehäuse hinab zu blicken.
Das Ephraim-Palais wird rekonstruiert
Im Zweiten Weltkrieg wurden die originelle Fassade und weitere originale Bauteile des Palais in zahllosen Kisten eingelagert, in denen sie den verheerenden Krieg unbeschadet überstanden. Als die DDR-Regierung das Nikolaiviertel ab Anfang der 1980er Jahre zum 750jährigen Stadtjubiläum Berlins rekonstruieren ließ, entstand auch das nicht weit von seinem ursprünglichen Standort aufgebaute Ephraim-Palais nach den alten Originalplänen wieder neu.
Versierte Restauratoren gestalteten nicht nur die im beschwingten Rokokostil erbaute Fassade in vereinfachter Form nach, sondern sie fügten auch in der ersten Etage die gelungene Kopie einer reich verzierten Stuckdecke von Andreas Schlüter aus dem an der Langen Brücke, der heutigen Rathausbrücke, befindlichen Palais Wartenberg, der späteren Alten Post, ein. Noch immer atmet das entzückende Ephraim-Palais mit seinen gediegenen und mit dekorierten Kronleuchtern versehenen Räumen den Geist der damaligen Epoche, so dass es für wechselnde Ausstellungen und Vernissagen zur Berliner Kunst und Kultur wie geschaffen ist. Weil das vierstöckige Palais am Rand des Nikolaiviertels renoviert werden muss, bleibt das hauptstädtische Schmuckstück jedoch bis in den Herbst des Jahres 2021 geschlossen.
Hinweis
Ephraim Palais, Poststraße 16, 10178 Berlin-Mitte
Telefon: (030) 240 021 62
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 Uhr, Mi 12-20 Uhr
Barrierefreier Zugang, Ein Fahrstuhl ist hinter dem Eingang. Blindenhunde sind erlaubt.
Eintritt: 7 EUR, ermäßigt 5 EUR, bis 18 Jahre freier Eintritt, jeden 1. Mittwoch im Monat Eintritt frei
Anfahrt: Buslinien 100 & 200. Haltestelle: Spandauer Straße/Marienkirche. Entfernung 400 Meter
Buslinie 147. Haltestelle: Berliner Schloss. Entfernung 300 Meter
Lesenswert
Krüger, Rolf-Herbert: Das Ephraim-Palais in Berlin – Ein Beitrag zur preußischen Kulturgeschichte. Berlin 1990