Wer kennt sie nicht, die Herrnhuter Sterne? In den letzten Jahren sind die farbigen Leuchten in der Dunkelheit im Dezember immer öfter zu sehen. Was versteckt sich unter dem Begriff der Herrnhuter Brüdergemeine? Diesen Fragen ging ich auf einer Busreise mit einer Kirchgemeinde aus Berlin-Lichtenberg nach.
Früher, im letzten Jahrhundert, als ich ein Kind war, sah ich die meist rot-gelben, vielfältig gefalteten Sterne zum ersten Mal. Als Kind ging ich schon früh in die Christenlehre. So hieß der Religionsunterricht in der DDR, der naturgemäß nicht in der Schule stattfand. Es war so: als ich sechs Jahre alt war, meinte meine Mutter, dass ich nun in die Christenlehre gehen könne, eine Art Schule vielleicht, dachte ich und die biblischen Geschichten hören. Sie wollte mich anmelden und erfuhr, dass man eigentlich erst mit der 1. Klasse anfing. Da ich aber eben mit sieben Jahren in die Schule kam, sagte die Katechetin, so nannte man die Frauen, die die Kindergruppen leiteten, ich könne auch schon jetzt kommen. Niemand sonst machte das. Nur ich. Es war sozusagen meine erste selbstständige Unternehmung. In den Kindergarten gingen alle und man wurde hingebracht. In die Kirche, ins Gemeindehaus konnte ich allein gehen. Der Unterricht war einmal pro Woche und wir hörten nun die biblischen Geschichten angefangen von Adam und Eva bis zur Weihnachtsgeschichte und später auch die Erzählungen von Josef und seinen Brüdern und anderes mehr. Der Unterricht fand im Keller des Gemeindehauses statt. Dort in den Gängen und Treppenhäusern war es ziemlich dunkel. An etwas erinnere ich mich in den vielen Jahren, in denen ich immer wieder im Grünauer Gemeindehaus war. Im Winter leuchtete ein großer rot-gelber Stern im Flur. Und in der Friedenskirche, so heißt die Grünauer Kirche, zur Advents- und Weihnachtszeit ein leuchtend Weißer.
Wo waren die Herrenhuter Sterne abgeblieben und wo kommen sie her?
Viele Jahre habe ich dann keine solche Sterne gesehen. Nicht in West-Berlin, wohin wir schon 1977 ausreisten und nicht in Stuttgart, wo ich ab 1985 wohnte. Irgendwann einmal auf dem Weihnachtsmarkt in Ludwigsburg. Ich wollte gern einen kaufen und in den Hausflur unseres großen Hauses hängen, aber meinem Mann war das zu fromm.
Er kam nämlich aus Korntal bei Stuttgart, dort war die Brüdergemeinde, eine pietistische Abspaltung der evangelischen Kirche, aktiv und Eckard hatte in seiner Jugend – also in den sechziger Jahren – sehr unter dem strengen und doppelbödigen, in seinen Augen sehr verlogenen Verhältnissen des schwäbischen Pietismus gelitten. Damals wurden alle Freuden des Jugendlebens, sogar Kartenspielen, Jazz, Rockmusik und Tanz verboten. Also gab es in den neunziger Jahren keinen Stern für mich.
Mittlerweile sind sie überall zu finden, die Herrnhuter Sterne. In Berlin, Potsdam und vielen anderen Orten. Ich wollte nun der Sache auf den Grund gehen und fuhr mit der Kirchgemeinde aus Berlin-Lichtenberg auf einer Busreise nach Herrnhut.
Wir wohnten im Hotel Komensky, einem Gäste- und Tagungshaus der Evangelischen Brüderunität. Dieses Hotel kann man für eine Gruppen- oder Einzelreise durchaus empfehlen. Die Zimmer sind gut, teilweise mit Ausblick in die schöne bergige Landschaft der Oberlausitz. Das Buffet zum Frühstück, Mittag und Abendessen ist qualitativ gut und vielfältig. Für Gruppen oder Tagungen gibt es Räume, sich zu treffen.
Eine Busreise nach Herrnhut bringt Licht in die Dunkelheit
Am ersten Vormittag besuchten wir gleich den sogenannten Gottesacker am Fuß des Hutberges. Die barocke Parkanlage ist ein Kulturdenkmal von überregionaler Bedeutung und zu allererst ein ganz besonderer Friedhof. Hier werden seit der Gründung 1730 Frauen getrennt von Männern begraben. Deswegen gibt es auch keine Familiengrabstätten. Aber alle Grabsteine sind schmucklos und aus sächsischem Sandstein, verdeutlichen so die Gleichheit aller Menschen vor dem Tod. Lediglich die Gräber der Familie von Zinzendorf wurden im 18. Jahrhundert klar herausgestellt und befinden sich auf dem Hauptweg, auf dem Weg zum Altan, dem Gipfel des Hutberges. Diesen Aussichtspunkt kann man nach Anmeldung auch besichtigen. Es bietet sich ein schöner Ausblick. Die Gleichheit der Gräber soll auf die Ruhe vor der Auferstehung hinweisen. Nikolaus Graf von Zinzendorf (1700 – 1760) war autodidaktischer Theologe und Gründer der Herrnhuter Brüdergemeine sowie Dichter zahlreicher Kirchenlieder.
Trauer ist der Widerstand gegen das Verschwinden und das Vergessen. In Herrnhut wird der Toten auf besondere Weise gedacht.
Herrnhut, gelegen im Herzen der schönen Oberlausitz ist ein ganz besonderes Städtchen. Durch viele barocke Bauten, neben den bekannten Lausitzer Umgebindehäusern, unterscheidet sich das Städtchen augenscheinlich von anderen Kleinstädten. Besonders bekannt ist das dekorative Glaubensbekenntnis der Herrnhuter, der Original Weihnachtsstern. Das Gebilde mit den markanten Zacken ist komplex, dreidimensional und von innen beleuchtet.
Vor über 160 Jahren in der Herrnhuter Brüdergemeine entstanden, gilt der Herrnhuter Stern als Ursprung aller Weihnachtssterne. Ein Erzieher dachte sich den ersten Stern aus, um Kindern geometrische Formen im Mathematik Unterricht anschaulicher zu machen. Seither bastelten die Kinder am 1. Sonntag im Advent ihre Sterne und trugen den Brauch in ihre Familien und weiter. Auch heute ist gemeinsames Basteln im Advent eine schöne Sache.
Die Sternemanufaktur ist ein Unternehmen, das sich in den letzten Jahren rasant entwickelt hat. Waren es 2010 noch rund 80 Mitarbeiter, die ca. 300 000 Sterne pro Jahr herstellten, sind es 2019 bereits 700 000 Sterne und ca. 140 Mitarbeiter. Auch der Export in alle Welt ist stark nachgefragt. In der Schaumanufaktur könne Besucher zusehen, wie die Sterne zusammengebaut werden, eine Ausstellung zur Geschichte besuchen, Kaffee trinken, guten Kuchen essen und bunte, vielfältige Herrnhuter Sterne mit Beleuchtung erwerben. Diese sind nachhaltig, denn sie halten über viele Jahre. Man kann sie jedes Jahr wiederbenutzen und zum Leuchten bringen.
Wollen Sie sich nicht einmal einen Bus mieten und mit Freunden oder der Familie einen Ausflug nach Herrnhut machen? Hier gibt es einiges zu entdecken. Auch den Kirchsaal der Brüdergemeine kann man besichtigen. Es gibt ein Völkerkundemuseum und ein Heimatmuseum. Genug Stoff für mehrere Tage. Zwischen den Besichtigungen kann man in der schönen Landschaft der Oberlausitz spazieren oder wandern. Und die besonderen Umgebindehäuser anschauen. Gerade jetzt, wenn die Tage kurz sind, bringen die Herrnhuter Licht in die Dunkelheit!