Das britische Königshaus erfreut sich ungeachtet aller Turbulenzen großer Popularität in der ganzen Welt. Ist man in London, kann man ganz einfach mit einem der berühmten roten Autobusse am Buckingham Palace vorbeifahren. In Brandenburg bedarf es mehr des Zufalls, König Charles III. zu begegnen.
Am 30. April dieses Jahres war Aufruhr im Ökodorf Brodowin. König Charles III. hatte sich zu Besuch angemeldet und im ganzen Dorf war seit Wochen Trubel. König Charles‘ Liebe und Leidenschaft gilt seit je her der Natur, bedrohten Tierarten und eben der ökologischen Landwirtschaft. Und so kam es, dass er bei seinem ersten Deutschlandbesuch als britischer König einen Abstecher nach Brodowin machte. Das Öko-Dorf, 1991 als Bio-Landwirtschaftsbetrieb gegründet, ist der größte Demeter-Hof Deutschlands und eine Erfolgsgeschichte. Hier wurde Pionierarbeit in puncto Öko-Landwirtschaft und Naturschutz geleistet.
König Charles III. unter den Bauern in Brandenburg
Und so konnten an diesem leider ziemlich verregneten Vormittag Charles III. und die Menschen des Ökodorfes Brodowin Lebensweisheiten, Philosophie und Wissen zwar straff organisiert, aber doch direkt austauschen. Charles III. besichtigte den Hof und beteiligte sich bei der Käse Herstellung. Ein Frankfurter Kranz wurde angeschnitten und probiert. Der „Brodowiner Königskäse“ ist nach Abschluss der achtwöchigen Reifezeit online und im Handel erhältlich. Ich denke mir, dass so ein in der Tat privilegierter Mensch, Charles III., der lebenslang in Schlössern und uralten königlichen Ländereien lebt, sehr viel Wissen und Know-how über landwirtschaftlichen Prozesse besitzt. Wurde Charles früher noch als jemand belächelt, der mit Pflanzen spricht, der sich für „Blumen interessiert“, war er hier seiner Zeit weit voraus und führte ökologische Landwirtschaft ein, wo es ihm möglich war.
Ich finde Charles‘ Spezialisierung für so ein bodenständiges, uns alle betreffendes Lebensthema wie die Landwirtschaft gut. Dazu eine persönliche Bemerkung: In der Schule in der DDR, eben auch in Brodowin in Brandenburg, haben wir gelernt, dass Adlige sich nie die Finger schmutzig machen, sondern den ganzen Tag auf seidenen Kissen sitzen und meistens schlafen, essen oder ihre Lakaien herumkommandieren. Dieses Klischee, auch wenn wir wissen, dass es so nicht stimmt, sitzt tief und wird hier entkräftet.
Das britische Königshaus hält derzeit allen Stürmen stand und ist gerade in Zeiten von Brexit, wirtschaftlichen und politischen Krisen ein enormer Fels in der Brandung. Trotz zunehmender Kritik an der Monarchie und gewachsener Zustimmung zur republikanischen Staatsform genoss die Monarchie in der Form von Königin Elisabeth II. weiterhin breite Akzeptanz in der Bevölkerung.
Das Leben ist kein Märchen, sondern meist sehr real. Die Zeit schreitet unerbittlich voran und es bleibt wenig Zeit für Träume. Daher beeindruckt es viele, wenn irgendwo anders gelebt wird, nach alten Mustern, Riten und Traditionen. Wenn Pferdekutschen vorfahren, die 250 Jahre und älter sind und heute noch benutzt werden, ist es sogar nachhaltig.
Die Königin und ich
Hier muss ich etwas Persönliches erzählen. Königin Elisabeth ist im gleichen Jahr wie meine Mutter, 1926 geboren. Meine Mutter starb 2018 mit zweiundneunzig Jahren, Elisabeth mit sechsundneunzig. Das Leben beider Frauen umfasste ein Jahrhundert und ich konnte immer Gemeinsamkeiten finden. Ich selbst heiße mit zweiten Vornamen Elisabeth. Zwar nicht nach der Königin, sondern nach einer früh verstorben Tante. Aber als Kind wurde mir gesagt, wenn ich am Familientisch mal einen zu großen Bissen nahm oder über den Tisch griff: Würdest Du das auch so machen, wenn Du bei der Königin von England eingeladen wärest? Vielleicht ist das nicht unbedingt zeitgemäße Pädagogik, aber den Satz habe ich mir bis heute gemerkt.
Wir hatten Verwandte in England. Ein Onkel, ein Jugendfreund meines Vaters, war britischer Beamter und in der ganzen Welt unterwegs. So kam er uns auch in Ost-Berlin besuchen. Onkel Owen brachte einen schwarzen Pudel, als Stofftier und englische Kinderbücher mit. Peter Rabbit, Peter Hase, und seine Schwestern Flopsy, Mopsy und Cottontail bereicherten von nun an meine Kindheit. Die zauberhaften Kinderbücher von Beatrix Potter waren auf Englisch und so war ich früh animiert, Englisch zu lernen. Das ging auch schnell. In der mitunter doch etwas grauen DDR waren es Lichtblicke aus einer anderen Welt. Es wird allerdings erzählt, dass meine Tante Gisela nicht mit zur Gartenparty in Buckingham Palace gehen wollte, da sie sich weigern würde, einen Hofknicks vor Elisabeth zu machen und das muss man, wenn sie eine Frau begrüßt.
Zu meiner England-Affinität kam Interesse für das britische Königshaus. Schon allein deshalb, weil es so etwas in der DDR gar nicht gab. Hier war der Adel abgeschafft, aus historischen Gründen und alle Schösser enteignet. Aber meine Großmutti erzählte mitunter Geschichten, wie sie als Kind am Sonntag mit einer Pferdekutsche von Meißen nach Moritzburg fuhren. Und auf diesem Schloss wohnten echte und wirkliche Könige und Königinnen, Prinzen und Prinzessinnen mit schönen Kleidern, die einfach anders waren als unser Alltag im Sozialismus der DDR in den sechziger Jahren. Menschen haben Sehnsüchte. Am besten nach etwas, was überhaupt nicht geht und zugleich vorstellbar ist. Denn Schloss Moritzburg war ja sichtbar und noch da.
Zurück zum britischen Königshaus und mir. Als ich meine 40.Geburtstag mit einer großen, lange zuvor organisierten Party feierte, war am selben Tag die Beerdigung von Lady Di und die Fernsehübertragung war in aller Munde und überschattete das Fest anfangs in Teilen. Als ich meinen 65. Geburtstag feierte, starb Königin Elisabeth. Ich feierte im Berliner Ballhaus Wedding. Als am späteren Abend nur noch wenige Gäste da waren und es an der Bar leerer wurde, sagte die Barfrau: Die Queen ist tot! Alle waren erschrocken, niemand hielt es zuerst für möglich. War sie doch immer da gewesen. Nun erklär‘ mir jemand die Welt.
Das Ökodorf Brodowin meldet heute auf seiner Internet-Seite: Der Königskäse ist gelungen! Lang lebe König Charles III. !
3 Kommentare
Ich gebe zu: das Foto ist nicht ideal. Und es stimmt: die drei Herren sehen u.U. wie hinein kopiert aus. Ist es aber nicht. Drei Männer in blauen Anzügen. Ja, es war ein Schnappschuss, der Situation und dem Regenwetter geschuldet. Interessant ist doch: König Charles III.- wie das klingt – :)) war in Brodowin in Brandenburg.
Der Artikel punktet vor allem durch das prononcierte Foto: Drei Pappkameraden präsentieren sich der Öffentlichkeit und lassen sich huldvoll feiern. Wer ist hier der Diener seines Volkes? 3, 2, 1, 0 … Es gibt kein Bild des Gr. Friedrich, in dem er sich so anmaßend verhält. Hat Menzel geschludert oder hat sich in den 250 Jahren etwas geändert?
Die Fotografie verändert alles! Hätte man Friedrich den Großen in allen Lebenslagen fotografiert…
Das Motto des Königs ist: „Dienen, nicht sich bedienen lassen..Ich dien‘..“