Nachdem wir uns die bemerkenswerte Pfarrkirche „Zu den vier Evangelisten“ angesehen haben, steigen wir wieder in unseren Reisebus ein, der uns zum Pankower Bürgerpark, einem weiteren an der Panke gelegenen Wahrzeichen des nördlichen Berliner Bezirks, bringt. In dessen gut frequentiertem Parkcafé Rosenstein werden wir anschließend eine längere Pause einlegen.
Mit seiner erstaunlichen Größe von circa 12 Hektar ist der in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch in Privatbesitz befindliche Pankower Bürgerpark die größte Grünanlage im nordöstlich gelegenen Berliner Bezirk an der Panke. Völlig konträre Epochen – von der Kaiser- bis in die heutige Zeit – hat der Park kommen und gehen sehen. Obwohl die Gesellschaftssysteme differierten oder die pekuniären Mittel manchmal knapp waren, blieb er seit nunmehr über 110 Jahren immer ein blühender Park und Erholungsort, der nicht nur von seinen Pankower Bürgern gemocht wird.
Das große dreiteilige im Stil der italienischen Neorenaissance konstruierte Eingangsportal aus der Gründungszeit des Parks gleicht einem mit Skulpturen geschmückten antiken Triumphbogen. Zudem bildet das an der damaligen Spandauer Straße, der heutigen Wilhelm-Kuhr-Straße, befindliche Eingangstor den Übergang in eine andere Welt. Nachdem agile Flaneure dieses eindrucksvolle Wahrzeichen Pankows durchschritten haben, verlassen sie gleichsam das lärmende Stadtgetümmel. Im Park promenieren zu jeder Jahreszeit und bei fast jedem Wetter zahlreiche Spaziergänger jeglichen Alters.
Nicht nur das mit Bergziegen besiedelte Tiergehege, sondern auch die mit Vögeln bewohnten Volieren finden ihre großen und kleinen Freunde. In der bereits 1955 eröffneten und damals einzigartigen Parkbücherei entleihen ehrenamtliche Mitarbeiter Bücher und Spiele für einen langen Sommertag. Im Bürgerparkcafé gibt es heißen Kaffee zu trinken und süßen Kuchen zu essen. Aber auch Buletten und Würstchen warten darauf, verschmaust zu werden. Vorausgesetzt, dass es im hohen Berliner Norden doch einmal in Strömen regnen sollte, sitzen die Couragierten unter den großen Sonnenschirmen, die sich bei ungemütlichem Schauerwetter in überdachte Terrassen verwandeln, und trinken stoisch ihren Cappuccino, ihren Tee oder ihr Bier weiter. Wir treffen auf Eltern mit ihren Kindern, Familien sitzen beim lukullischen Picknick auf den weiten Rasenflächen, turtelnde Pärchen genießen einander und unprätentiöse Outsider sind sich selber genug. Lebhafte Kleinkinder und Hunde rennen und tollen um die Wette. Abgemagerte Jogger keuchen vorüber mit ihrem nach innen gewendeten Blick. Es kann vieles beobachtet und unternommen werden in diesem pittoresken Park an der kleinen murmelnden Panke.
Baron Hermann Killisch von Horn – ‚Erfinder’ der Börsenzeitung und Liebhaber der Gartenkunst
Im äußersten Westen des damals nur als eine einfache Angerstraße, der heutigen Breiten Straße, existierenden Dörfchens hatte im Jahre 1856 Doktor jur. Hermann Killisch von Horn für 18.000 preußische Taler ein 2,5 Hektar großes Gelände erworben.
Nachdem Doktor Killisch ein Jahr zuvor die Berliner Börsenzeitung gegründet hatte, zog es ihn, ebenso wie viele andere gut betuchte Berliner, in das malerische Örtchen nördlich von Berlin, wo er eine idyllische Umgebung und eine leerstehende aus dem 16. Jahrhundert stammende Wassermühle an der Panke vorfand. Im Zuge dessen ließ Baron Killisch das Mühlenhaus zu seinem zweiten Wohnsitz umbauen, in dem im Laufe der kommenden Jahre sechs seiner sieben Kinder geboren wurden.
Als begeisterter Liebhaber der Gartenkunst gestaltete Doktor Killisch sich zunächst persönlich eine parkähnliche Gartenanlage, die er bald darauf auf ein 10 Hektar großes Areal ausdehnte. Gemeinsam mit seinem befreundeten Obergärtner, dem späteren technischen Direktor des Berliner Botanischen Gartens, Wilhelm Perring, legte er in den Jahren von 1864 bis 1871 eine Parkanlage mit seltenen Bäumen und Pflanzen an, die nach den Prinzipien englischer Landschaftsgärten mit zwei künstlich aufgeschütteten Hügeln modelliert wurden. Zügig wurden nicht nur Wohn-, Wirtschafts- und Prunkbauten errichtet, sondern eine Vielzahl von herrlichen Marmorstatuen fand ebenfalls einen schattigen Platz. Neben der zum komfortablen Herrenhaus erweiterten alten Mühle gab es eine Orangerie als Winterquartier für die seltenen Pflanzen und Gewächse, mehrere Pavillons, einen mit einer Fahne bestückten Aussichtsturm, eine Fasanerie, eine Indische Pagode, einige mit Enten und Schwänen belebte Teiche sowie eine an einer stattlichen Sumpfzypresse gelegene unterirdische Grotte mit ihrem Zugang zum Panke Bach. Aufgrund seiner Noblesse hatte Baron Killisch auch den Einwohnern und den Berliner Tagesausflüglern einen generösen Zutritt in seinem englischen Landschaftsgarten gewährt, bis er sich nach der stetigen Zunahme ‚grober Mißbräuche’ dazu veranlasst sah, seinen Park zu schließen.
Der Pankower Landschaftsgarten nach dem Tod seines Eigentümers 1886-1907
Nachdem Tode des Gründers im Jahre 1886 war es zunächst ruhig im englischen Landschaftsgarten geworden. Baron Killisch wurde in ein 1904 errichtetes Mausoleum umgebettet, das sich auf dem 1841 angelegten ersten Pankower Gemeindefriedhof am Ausgang seiner Parkanlage an der einstigen Spandauer Straße befindet. Neben anderen Pankower Bürgern hat auch Doktor Killischs kompetenter Obergärtner, Wilhelm Perring, auf dem Friedhof seine letzte Ruhestätte gefunden. Unmittelbar neben dem alten Gemeindefriedhof liegt das als Kastellanhaus bezeichnete Torwächterhaus des Parks, das ebenfalls im klassischen Baustil des Herrenhauses errichtet worden war.
Seit dem Jahre 1906 stand der Privatpark nun zum Verkauf. Der von 1906 bis 1914 amtierende Bürgermeister Wilhelm Kuhr war redlich bemüht, das Parkgelände für seine wachsende Pankower Gemeinde zu erhalten, die sich selbst als „Gesündester Vorort des Nordens“ bezeichnete. Nach zähen Verhandlungen hat die Gemeindeveraltung im Februar 1907 für die erstaunliche Summe von 1.450.000 Goldmark das Parkareal mit sämtlichen Bauwerken gekauft, das seit jener Zeit den noch heute üblichen Namen „Bürgerpark“ trägt. Offiziell wurde der Bürgerpark am 25. August 1907 eröffnet. Das bislang als ein Privatpark genutzte Areal wurde jetzt auf eine öffentliche Grünanlage hin konzipiert.
Das Konzept der Pankower Ortsgemeinde sah neben der Etablierung eines Gartenrestaurants und eines Spielplatzes auch die Installation einer Wegbeleuchtung bis hin zu öffentlichen Toilettenhäuschen vor. Erneut wurden Parkwächter eingestellt und im Kastellanhaus einquartiert und die Killisch von Horn´sche Gärtnerei nennt sich seit damals Gemeindegärtnerei.
Seine große Blütezeit – der Pankower Bürgerpark 1907-1940
In den Jahren von 1907 bis 1940 – mit einer Unterbrechung während des Ersten Weltkriegs – erlebte der Park seine große Blütezeit. Weil er das gesellschaftliche Herzstück der Gemeinde war, verknüpften in Gedanken fast alle Pankower Familien angenehme Erinnerungen an vor Ort begangene Festlichkeiten. Ein beliebter Musikpavillon wurde erbaut, Spiel- und Tennisplätze wurden angelegt, das dazugehörige Sportrestaurant eröffnete in der ehemaligen Meierei. Ebenso fand der mit prächtigen Stuckdecken versehene Festsaal des Hauptrestaurants eine großzügige Erweiterung. In jenen Räumlichkeiten war im Verlauf des ersten Weltkriegs ein Reservelazarett untergebracht worden. Im Jahre 1920 kamen sowohl das an der Ortsgrenze der Panke gelegene Pankow als auch das Dorf Niederschönhausen gemeinsam zu Groß-Berlin, wie es einst genannt worden war. Schon drei Jahre später wurde der Bürgerpark über das nördliche Pankeufer hinaus erweitert. Insofern ließ die Pankower Bezirksverwaltung an der östlichen Parkgrenze ein dreiteiliges Bauensemble mit einem Kiosk, eine Pergola, an deren Sandsteinsäulen verschiedenfarbige Kletterrosen dem Licht entgegen wachsen, und eine steinerne Begrenzungsmauer errichten.
Im Zweiten Weltkrieg hatte der Park einiges Glück gehabt, weil er bis zum Februar 1945 vom alliierten Bombardement verschont blieb. Erst in den letzten Kriegstagen wurde er zweimal unter Beschuss genommen, wobei bis auf das im italienischen Stil erbaute Eingangsportal und das nebenbei gelegene Kastellanhaus alle anderen Gebäude getroffen wurden. Erfreulicherweise musste kein Bauwerk vollständig abgerissen werden.
Der Pankower Bürgerpark nach dem 2. Weltkrieg 1945-1949 und zur Zeit der DDR 1949-1989
In den ersten Nachkriegsjahren wurde der Bürgerpark zunächst anderweitig genutzt. Weil frische Nahrungsmittel noch immer knapp waren, wurden die ausgedehnten Grünflächen primär zum ernährungswichtigen Gemüseanbau umfunktioniert. Obwohl sich nach der Gründung der DDR im Jahre 1949 die gesamte Kontur des Parks gewandelt hatte, wurde er dennoch in den kommenden 40 Jahren weiter gepflegt. Einerseits konnten in den großen Sälen des ehemaligen Restaurants einige junge Künstler ihre neuen Ateliers beziehen, andererseits wurden die im zweiten Weltkrieg beschädigten Gebäude zurückgebaut. Im Zuge der durchgeführten Umgestaltung wurde auch das einstmals von dem rührigen Chefgärtner Wilhelm Perring genutzte Obergärtnerhaus abgebrochen. Neue Kunstwerke, darunter eine Büste für den in Lübeck geborenen Schriftsteller Heinrich Mann sowie die vom Danziger Bildhauer Walter Sutkowski geschaffene „Gazelle“, fanden im Bürgerpark einen exponierten Platz.
Zahlreiche Bäume, darunter auch alte Ahorn- und Maulbeerbäume, wurden gefällt und durch kräftige Jungpflanzen ersetzt. In den traurigen Augen zahlloser Menschen hatte der einstige Park der verklärten Gründerzeit nun seine einstige Grazie und Kontenance verloren. Wie dem auch sei, die frischen Neuanpflanzungen aus jener Zeit sind heute ausgewachsen, wodurch die gesamte Parkanlage eine gehobene Qualität gewonnen hat.
Der Pankower Bürgerpark in unseren Tagen
Glücklicherweise ermöglichten der kaum mehr geglaubte Fall der Berliner Mauer sowie der sang- und klanglose Untergang der DDR, dass das Hauptstadtpublikum und dessen Gäste wieder aus allen vier Himmelsrichtungen in den romantischen Park an der Panke kommen konnten. Besonders die fast 30 Jahre vom Pankower Bürgerpark abgeschnittenen Tagesausflügler aus den benachbarten Stadtbezirken Wedding und Reinickendorf kamen gerne dorthin zurück. Darüber hinaus wurde der seit den 1950er Jahren existierende und mit duftenden Beet- und Strauchrosen bepflanzte Rosengarten erneut verändert. Anfang der 1990er Jahre konnte mit Hilfe von Spendengeldern sowohl der inmitten des Rosariums gelegene Pavillon, als auch die links und rechts der Loggia erbauten Arkaden rekonstruiert werden. Zu viele Jahre fristete das vernachlässigte Bürgerparkcafé mit seinen wechselnden Pächtern ein kümmerliches Dasein. Erst in der ersten Dekade im neuen Millennium kam ein neuer Gastwirt, der genug Fortüne wie die alten Parkwirte besaß, um das Café Rosenstein in ein apartes Schmuckstück zu verwandeln. Im Jahr 2006 konnten ferner das noch aus der Gründerzeit stammende schmiedeeiserne Torgitter samt seinem an der Wilhelm-Kuhr-Straße gelegenen Eingangsportal erneut saniert werden. Pünktlich zur 100 Jahrfeier des Parks im August 2007 erfolgte die fulminante Einweihung des Portals mit festlicher Musik. Wir können mit ziemlicher Sicherheit mutmaßen, dass der Pankower Bürgerpark seine in- und ausländischen Gäste noch für viele Jahrzehnte erfreuen dürfte.
Hinweis
Der Bürgerpark ist barrierefrei und durchgehend geöffnet.
Adresse
Bürgerpark Pankow
Wilhelm-Kuhr-Straße 9, 13187 Berlin-Pankow
Tel.: 030/ 90 29 58 674
Öffnungszeiten vom Café Rosenstein im Bürgerpark Pankow
Täglich 11:00 Uhr – 17:00 Uhr
Verkehrsverbindungen
Mit den BVG-Linien der Straßenbahnen M1 und 50 sowie mit den Bussen der Linien 107, 155 und 250 ist es möglich, von der Breiten Straße zum Pankower Bürgerpark zu gelangen.
Link
Bürgerpark Pankow – Café, Öffnungszeiten
Literatur
Fait, Joachim; Horst Büttner, u.a.: Die Bau- und Kunstdenkmale, Band II, hrsg. vom Institut für Denkmalpflege. Berlin 1987, S. 43ff.