Hier hat schon August der Starke getrunken und gefeiert!
In Radebeul bei Dresden fließt nicht nur viel Wasser die Elbe hinunter, sondern es fließen auch reichlich Sekt und Wein.
Wissen Sie, was ein Cuvée ist und wie viel Arbeit Flaschengärung bedeutet? Haben Sie schon einmal Kaninchensülze probiert und sind danach durch Weinberge flaniert?
Wenn Sie mit dem Reisebus auf der Nordseite der Elbe von Dresden aus die Meißner Straße in Richtung der Stadt des berühmten sächsischen Porzellans fahren, dann erreichen Sie nach weniger als der Hälfte der Strecke Schloss Wackerbarth. Gleich am Ortsausgang von Radebeul, wunderschön an den Elbhängen gelegen, liegt rechter Hand zunächst der große Besucherparkplatz. Von dort können Sie barrierefrei die wenigen Meter zum Schloss, zum Schlossrestaurant und zum von gestutzten Hecken umgebenen Freisitz gelangen. Das Produktionsgebäude und eine Vinothek, an der Sie den Sekt und Wein verköstigen und erwerben können, stehen ebenfalls auf dem nicht sehr weitläufigen Gelände.
Schloss Wackerbarth – Aushängeschild des Dresdener Barock
Zur Zeit August des Starken (1670-1733) ließ dieser verwirklichen, was später als Dresdener Barock berühmt werden sollte. Sein Staatsminister für das Bauen dieser Zeit war der 1662 in Kogel geborene August Christoph Graf von Wackerbarth. In dessen Auftrag ließ der Hofarchitekt Johann Christoph Knöffel (1686-1752) das Schloss Wackerbarth bauen; damals noch unter dem Namen Wackerbarths Ruh. Knöffel sollte später beispielsweise mit dem Brühlschen Gartenpavillon oder dem Umbau des Johanneums in Dresden und mit vielen weiteren wichtigen Aufgaben betreut werden. Beim Schloss Wackerbarth handelt es sich sozusagen um ein prächtig gelungenes Frühwerk des Architekten Knöffel, der ebenso wie Pöppelmann und Longuelune zum damaligen Dresdener Stadtbild entscheidend beigetragen hat. Und somit auch zum Dresden von heute, da die Bauten entweder die Kriege überstanden haben oder wiederaufgebaut wurden.
Weinbergwanderungen rund um Schloss Wackerbarth
Wir gönnen uns heute einen herrlichen Tag im Dresdener Umland und erkunden nicht nur Schloss Wackerbarth selbst, sondern wir sind vor allem auch wegen der Sektverköstigung des Sächsischen Staatsweingutes gekommen. Das befindet sich nämlich auf demselben Gelände. Um uns einen Überblick zu verschaffen, bietet es sich an, auf der Rückseite des Schlosses zu beginnen. Der zweiflügelig angelegte terrassierte Barockgarten führt hinauf zum sogenannten Belvedere – ein aus dem französisch stammender Architekturbegriff, der ganz einfach schöne Aussicht bedeutet. Und die bietet er in der Tat! Auf zwei seitlich geführten Wegen gelangt man, auch ohne die Terrassenstufen überwinden zu müssen, barrierefrei nach oben. Eine kleine Steigung hat der Weg allerdings; da müssen Sie am besten selbst vor Ort schauen, ob die Kinderwagen, Rollstühle und Rollatoren so geländegängig sind, wie es die Kutschen im 18. Jahrhundert bereits waren. Sind Sie erst einmal oben, blicken Sie über Schloss Wackerbarth hinweg ins Elbtal. Ganz unten liegt Kötschenbroda, ein Stadtteil von Radebeul, der unbedingt einen Ausflug wert ist. Wir könnten von hier oben sogar noch etwas höher steigen und dem Aussichtspunkt Jacobstein und der Sternwarte Radebeul einen Besuch abstatten. Eine richtige Weinbergwanderung wird übrigens an Samstagen um 11.00 Uhr bzw. um 14.30 Uhr angeboten, an Sonntagen lediglich um 11.00 Uhr. Dabei werden vier unterschiedliche Weine zur Verköstigung angeboten und Sie erfahren viel Wissenswertes zur Geschichte der Weinberge und der angebauten Weine. Allerdings sind diese geführten Wanderungen mit 29€ pro Person durchaus etwas kostenintensiv.
Sekt oder Selters
Wir wollen heute aber nicht die Geschichte der Weine erzählen, sondern vor allem die Geschichte der Sektkelterei in Sachsen. Die erste sächsische Kelterei dieser Art wurde 1836 hier in Radebeul gegründet. Sie trug den schönen Namen Bussard. Es gab noch die traditionelle Flaschengärung, die heute längst der etwas unromantischen Gärung in großen Stahltanks gewichen ist. Der Name Bussard hat als Weinmarke auf Schloss Wackerbarth überlebt. Außerdem gibt es eine Manufaktur, in der geringe Mengen auch heute noch auf traditionelle Art hergestellt werden. Zumindest wird das alte Verfahren während der Sektführungen vorgestellt. Die Flaschen müssen regelmäßig von Hand gedreht werden, damit sich nach und nach die Hefe absetzen kann. Dafür stecken sie kopfüber in einfachen hölzernen Konstruktionen, den Rüttelpulten. An die tritt der sogenannte Rüttler heran und dreht die Flaschen mit einer winzigen Handbewegung beidhändig und synchron weiter. Profis auf diesem Gebiet haben so früher tatsächlich Zehntausende Flaschen täglich gedreht. Der Name Rüttler passt übrigens ganz gut – moderne Flaschengärung wird von Robotern gemacht, also von Maschinen. Da kann man sich ganz gut vorstellen, wie die edlen Tropfen durchgerüttelt werden. Geschmacklich soll das allerdings keinen Unterschied machen, auch wenn die Liebe zum aussterbenden Handwerk uns eine Träne der Wehmut in die Augen treibt.
Schloss Wackerbarth ist ein Lebensgefühl
Diese melancholisch-nostalgische Stimmung ist allerdings schnell vergessen, wenn wir den zweiten oder dritten Sekt intus haben und die ganze Veranstaltung lebhafter und im wahrsten Sinne durchaus feuchtfröhlich wird. Die Sektführungen finden von Januar bis März an Samstagen und Sonntagen um 16.00 Uhr statt, aber in der langen Hauptsaison von April bis Dezember täglich um 16.00 Uhr und an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen um 15.00 Uhr und 17.00 Uhr. Für 15€ ist man dabei und die Führung mit Verköstigung dauert etwa eine Stunde. Für Kinder gibt es natürlich Rabatt und Traubensaft.
Speisen wie August der Starke auf Schloss Wackerbarth
Zum Abschluss empfehlen wir Ihnen, im Gasthaus oder draußen im Freisitz des Schlossgartens zu essen. Letzteres ist natürlich viel schöner. Für Gruppen wird um Reservierung gebeten wegen der Planung und der Plätze. Was Sie dann neben Riesling, Grauburgunder und Kerner verköstigen können, lässt Ihnen bestimmt schon vom Lesen das Wasser im Mund zusammen laufen. Wie wäre es mit Rosa Lammrücken und einem Porreeschaumsüppchen mit Trüffel und Cashewnüssen dazu? Es gibt Steinbutt mit Gemüsepfanne oder ganz ausgefallen, Sülze vom Kaninchen. Nicht weniger ausgefallen sind die Namen der Rieslinge auf der Karte, vom Goldenem Wagen oder vom Paradies können Sie dort lesen. Dagegen wirbt der angebotene Sekt mit historischen Namen wie August der Starke oder Gräfin Cosel um Ihre Gunst. Und falls Sie es nicht gewusst haben sollten, die Gräfin Cosel war die bekannteste Mätresse des sächsischen Kurfürsten und späteren polnischen Königs. Er schenkte ihr sogar das noch heute berühmte Wasserpalais Schloss Pillnitz, das nur wenige Kilometer elbaufwärts von Dresden liegt und selbstverständlich auch dem Dresdener Barock zugerechnet wird.
Hinweise
- Sächsisches Staatsweingut GmbH
Wackerbarthstraße 1
01445 Radebeul - Tel: 03518955-0
E-Mail: kontakt@schloss-wackerbarth.de - Die Vinothek hat ganzjährig täglich von 10.00 Uhr bis 19.00 Uhr geöffnet; an Sonntagen und Feiertagen ab 11.00 Uhr
Lesenswert
Es gibt einen historischen Roman mit dem Titel König August der Starke. Er ist im Aufbau Verlag erschienen. Er stammt von dem Warschauer Schriftsteller Józef Ignacy Kraszewski (1812-1887).