Wir steigen in unseren Reisebus ein, um uns den am Rand des Hohen Flämings gelegenen Schlosspark Wiesenburg anzuschauen.
Unser Reisebus-Autor berichtet von den früheren Eigentümern des Schlosses, von dem Gartenbauarchitekten Gustav Meyer und von dem Bildhauer Alexander Calandrelli, deren populäre Kunstwerke ebenso in Berlin zu finden sind.
Der Schlosspark Wiesenburg ist ein Juwel der Extraklasse. Ohne jeden Zweifel ist die Parkanlage das bedeutendste Landschaftskunstwerk des 19. Jahrhunderts zwischen dem malerischen Potsdamer Park in Sanssouci und dem unverwechselbaren Dessau-Wörlitzer Gartenreich des genialen Landschaftsarchitekten unseres unvergesslichen Fürsten Pückler-Muskau. Seinen besonderen Habitus erhielt der Wiesenburger Park, neben der Einbeziehung der Naturlandschaft des Hohen Flämings, auch durch die Verwendung seltener Gehölze, vor allem Koniferen, den Nadelhölzern, die noch heute einen großen und wertvollen Teil der pittoresken Parkanlage bilden.
Kurt von Watzdorff lässt das Schloss umgestalten und den Landschaftspark anlegen
Im 18. Jahrhundert war der kurfürstlich-sächsische Kammerjunker, Wittenberger Hofrichter und Steuereinnehmer Adam Friedrich August von Watzdorff Besitzer des Schlosses Wiesenburg. Nach der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Schloss unter der Ägide von Adam von Watzdorffs Urenkel, Kurt Friedrich Ernst, im Stil der in Mode gekommenden Neo-Renaissance tiefgreifend so umgestaltet, wie wir es noch heute vor uns sehen. Letzterer ließ auch den 123 Hektar großen Park mit seltenen Bäumen, drei Teichen, terrassenförmigen Flächen und einem niedrig bepflanztem Areal, dem sogenannten Parterre, anlegen.
Arbeiten des Bildhauers Calandrelli in Wiesenburg, Rathenow und Berlin
Auf dem Altan, dem Söller, des Wiesenburger Schlosses entdecken wir zwei marmorne Figurengruppen von Alexander Calandrelli. Der in Berlin geborene Alexander Emil Ludovico Calandrelli war ein deutscher Bildhauer italienischer Herkunft. Als Sohn des aus der Ewigen Stadt Rom ausgewanderten Edelsteinschneiders und Malers Giovanni Calandrelli hat er die Berliner Akademie der Künste besucht. Calandrellis des Jüngeren handwerkliche Kunstfertigkeit können wir unter anderem im havelländischen Rathenow bewundern. Dort schuf er das Denkmal des Begründers der optischen Industrie Johann Heinrich August Duncker, das noch immer die anreisenden Besucher auf dem Rathenower Bahnhofsvorplatz begrüßt. Am Ende des 19. Jahrhunderts hat Alexander Calandrelli sich mit dem imposanten Bronze-Reiterstandbild Friedrich Wilhelms IV. auf der Freitreppe der Alten Nationalgalerie Berlin selbst ein bleibendes Monument gesetzt, über das unser Buskompass-Autor bereits berichtete.
Lenné Schüler Gustav Meyer legt das große Parterre im Wiesenburger Schlossgarten mit an
Der vordere Teil des Wiesenburger Schlossparks ist der geometrischen Gartenarchitektur längst vergangener barocker Zeiten nachempfunden worden. Symmetrisch angelegte Beete und präzise geschnittene Hecken begleiten unser Auge auf dem Weg zu der Weitläufigkeit des hinteren Parkteils.
Ein wahrer Blickfang ist das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufwendig gestaltete Parterre mit seinen geschwungenen Blumenteppichen unterhalb der Rück- bzw. der Südseite des Schlosses. Viele Hinweise deuten darauf hin, dass der Berliner Gustav Meyer, der talentierte Schüler des legendären General-Gartendirektors der königlich-preußischen Gärten, Peter Joseph Lenné, federführend bei der Errichtung des Wiesenburger Parterres mitwirkte. Der 1816 in Frauendorf an der Oder geborene Gartenarchitekt Meyer ist in Berlin kein Unbekannter. Nach seiner Gärtnerlehre im Botanischen Garten absolvierte er die bei Potsdam gelegene Gärtnerlehranstalt Wildpark. Von Peter Joseph Lenné in der Königlichen Gartendirektion angestellt, galt Meyer als dessen begabtester Zeichner. Anschließend arbeitete er als praktischer Hofgärtner in Sanssouci. Als erster Direktor des Berliner Gartenbauamts gestaltete er die Grünanlagen des Kleinen Tiergartens, des Volksparks Humboldthain und des Köllnischen Parks. Außerdem erfolgten die Anlagen des Friedrichshains mit seinem später errichteten und besonders bei den Kindern beliebten Märchenbrunnens sowie des Treptower Parks nach Meyers Plänen. Darüber hinaus veröffentlichte er das damals weit bekannte Lehrbuch der schönen Gartenbaukunst. In Berlin sind die Gustav-Meyer-Allee und die in Zehlendorf gelegene Gustav-Meyer-Straße nach ihm benannt.
Seltene Gehölze, drei Teiche und eine Fasanerie im Wiesenburger Waldteil des Parks
Hinter dem barocken Parterre erstreckt sich ein weiter Landschaftspark, der in einen märchenhaften Waldpark übergeht. Den verwunschenen Waldteil des Parks bestimmt ein weitläufiges Wegesystem. Von dort aus wiederum erschließen sich kilometerlange Wanderwege durch den Naturpark Hoher Fläming. Mehrere den Park schneidene Sichtachsen geben uns immer wieder den Blick auf das Wiesenburger Schloss, die evangelische Pfarrkirche, das Forsthaus und auf die Fasanerie frei.
Zudem gibt es einen Kunstwanderweg, auf dem den Spaziergängern vielfältige Installationen wie beispielsweise dem Baumsofa begegnen. Drei kleine Seen laden uns zu ihrem gemütlichen Umrunden ein und der alte Baumbestand bietet im Sommer angenehmen Schatten und Erholung. Während einer angebotenen Führung hören die Besucher von seltenen Gehölzformationen mit exotischen Namen wie die aus Nordamerika stammende Gurken-Magnolie, die südeuropäische Zerr- oder Zirn-Eiche sowie die an der Ostküste Nordamerikas vorkommende Ferkelnuss, die alle ein reisefreudiger Angehöriger der Schlosseigentümer, der Rittmeister von Watzdorff, einstmals aus fernen Ländern mit nach Wiesenburg gebracht hatte. Als wir an den weitläufigen Rhododendrenbeständen im südlichen Teil des Parks vorbeikommen, denkt unser Buskompass-Autor an den lieblichen Wonnemonat Mai und wie hübsch es sein muss, wenn die Rhododendren in voller Blütenpracht stehen.
Die Kommune lässt ihren Schlosspark restaurieren
Nach jahrzehntelanger Vernachlässigung begann die Kommune als Eigentümerin ab den späten 1980er Jahren peu à peu mit der Restaurierung des schlossnahen Parkteils. Folglich konnten im langen Verlauf der Jahrzehnte bis heute ein Großteil der Gesamtanlage restauriert werden. In der zweiten Dekade des neuen Millenniums wurden nicht nur das Erbbegräbnis der Familie derer von Watzdorff im Waldteil wiederhergestellt, sondern auch der extravagante Tennisplatz im zentralen Parkteil abgebrochen. Wenngleich manche Besucher lieber bequem auf der oberen Schlossterrasse verweilen möchten, so ist es dennoch ein schönes Gefühl zu wissen, dass sie jederzeit die Möglichkeiten zum Spazieren gehen besitzen. Der von der Kommune liebevoll gepflegte Schlosspark ist während der Besuchszeiten kostenlos geöffnet. Ebenso lohnt es, durch die märkische Gemeinde Wiesenburg zu flanieren.
Nach unserer Promenade können wir uns in der Schlossschänke Zur Remise kulinarisch erholen.
Hinweis
Schlosspark Wiesenburg ∙ Schlossstraße 1 ∙ 14827 Wiesenburg / Mark OT Wiesenburg
Schlossschänke Zur Remise ∙ Schlossstraße 2A ∙ 14827 Wiesenburg / Mark OT Wiesenburg
Telefon: 03 38 49-5 00 95
Obwohl der Besuch des Schlossparks kostenlos ist, werden kleine Spenden zum Unterhalt der Anlage am Haupteingang neben dem Parterre erbeten. Führungen werden über die Tourist-Information Wiesenburg vermittelt. Telefon: 03 38 49-3 09 80. Bei einer Anreise mit dem Auto oder dem Reisebus nutzen Sie bitte den Parkplatz an der Grundschule Am Schlosspark. Vor dort aus haben Sie einen direkten Zugang zum Park und erreichen das Neo-Renaissance-Schloss von dessen Rückseite aus.
Lesenswert
Schumann, Dirk & Ulrich Jarke: Wiesenburg, in: Schlösser und Gärten der Mark, Heft 79. Berlin 2007