Unser Reisebus fährt in das Nuthe-Urstromtal. Im heutigen Ortsteil Stülpe wollen wir uns ein barockes Kleinod, das Schloss Stülpe anschauen.
Unser Autor berichtet von der Architektur des ehemaligen Herrenhauses der Familie von Rochow.
Eine bekannte Persönlichkeit der Adelsfamilie, Friedrich Eberhard von Rochow, ist aufmerksamen Lesern unseres Buskompass-Magazins bereits geläufig.
Der heute zur Gemeinde Nuthe-Urstromtal gehörende Ortsteil Stülpe besitzt mit seinem ehemaligen Herrenhaus der Rochows, seinem ausgedehnten Landschaftspark, seiner gotischen Dorfkirche und mit seinem im markanten Höhenzug des Niederen Flämings gelegenen 178 Meter hohen Goldberg ansehenswerte Zeugnisse der märkischen Geografie und Geschichte. Bereits im Stülper Ortsbild fallen uns alte und knorrige Eichen auf, die die Dächer der Häuser beschatten. Der im Jahr 1221 erstmals als Stolp erwähnte Ort gehörte in jener Zeit zu den zahlreichen Besitztümern des reichen Magdeburger Erzstifts. Die selbstbewussten und expansionsfreudigen Magdeburger Erzbischöfe ließen in Stolp ein festes Haus erbauen, um ihre verstreut liegenden Anwesen gegen die Brandenburger Markgrafen zu schützen. Im Verlauf des verheerenden Dreißigjährigen Kriegs im 17. Jahrhundert wurden sowohl das Dorf als auch das Gut Stülpe von marodierenden Landsknechten gebrandschatzt und geplündert. Nach dem Abschluss des Kriegs tauschte der damalige Eigentümer des Herrenhauses und des Guts Gottfried von Hake seinen Besitz gegen das Gut Neuendorf des Obristen Hans von Rochow ein.
Wer waren die altmärkischen Herren von Rochow?
Das altmärkische Adelsgeschlecht der Herrn von Rochow gehörte in der Epoche des ausklingenden Spätmittelalters zu den mächtigsten Familien auf der brandenburgischen Hochfläche der Zauche, deren Übersetzung aus dem Slawischen so viel wie trockenes Land bedeutet. Als historische Landschaft gehört die dünnbesiedelte Zauche zu jenen Kerngebieten, aus denen sich die spätere Mark Brandenburg entwickelt hat. Es wird vermutet, dass die Stammgüter der Rochows ursprünglich in der Altmark gelegen haben, da manche altmärkischen Regionen bereits im 12. Jahrhundert den Namen Rochau oder Rochow geführt hatten. Des Weiteren könnte es möglich sein, dass einige Familienmitglieder der Rochows im Gefolge des ersten askanischen Markgrafen, Albrecht des Bären, in die Mark Brandenburg mit gekommen waren. Der neue märkische Landesherr hatte einen gewissen Henning von Rochow für seine Verdienste mit dem einige Kilometer südlich von Brandenburg an der Havel befindlichen Ort Goltzow belehnt. Im 16. Jahrhundert teilte sich die Familie derer von Rochow in vier einzelne Zweige auf, die sich nach ihren jeweiligen Herrensitzen in Goltzow, Gollwitz, Plessow und in Reckahn benannten.
Friedrich Eberhard von Rochow-Reckahn – Gutsbesitzer, Philantrop und Pädagoge
Aus der Reckahner Linie stammt der bedeutende Gutsbesitzer Friedrich Eberhard von Rochow (*1734), der als aufgeklärter Philantrop bezeichnet wird. Da er sich unermüdlich um seine Landarbeiter und um deren Familien kümmerte, war Friedrich Eberhard zu einem tatkräftigen Reformer des daniederliegenden preußischen Landschulwesens geworden. Friedrich Eberhard ist nicht nur durch seine Reckahner Musterschule – die heute ein apartes Museum ist –, sondern auch durch seine eigens für Lehrer und Schüler geschriebenen Unterrichtsbücher in bleibender Erinnerung geblieben. Auch unser Buskompass-Autor hat in seinem Essay Schloss Reckahn – kleiner Ort mit großer märkischer Tradition dem preußischen Sozialreformer Friedrich Eberhard von Rochow-Reckahn ein bleibendes Denkmal gesetzt.
Friedrich Eberhards Cousin, Landrat Adam Ernst II. von Rochow-Plessow, lässt Schloss Stülpe neu errichten
Der 29 Jahre ältere Cousin beziehungsweise Vetter Friedrich Eberhards von Rochow-Reckahn war der Luckenwalder Landrat Adam Ernst II. von Rochow aus der Linie Plessow. Er hatte das Schloss und das Gut Stülpe von seinem zeitig verstorbenen Vater, dem preußischen Land- und Kriegsrat Adam Ernst I. geerbt. Ab dem Jahr 1744 ließ Adam Ernst II. das baufällig gewordene Schloss Stülpe durch einen stattlichen Neubau ersetzen. Um sein umfangreiches und auch kostspieliges Projekt in die Tat umsetzen zu können, baute Adam Ernst im Nachbarort zunächst eine lukrative Sägemühle auf. Außerdem wird in der einschlägigen Fachliteratur gemutmaßt, dass das Stülper Herrenhaus bereits einen Vorgängerbau besessen hatte, der im Zuge des Neubaus nicht gänzlich abgerissen worden war. Auf diesen unbekannten Vorgängerbau weisen gewölbte Räume unterschiedlicher Mauerstärken im Souterrain und eine weiträumige Küche hin, die einen ausgesprochen großen Kamin besessen hat.
Adam Ernst ließ sein neues Herrenhaus zweigeschossig erbauen und mit einem Mansardendach decken. Die Schauseite des Barockschlosses ist durch sechs kolossale Pilaster, sogenannte Halbsäulen, gegliedert. Eine doppelläufige Freitreppe führt zum Haupteingang, über dem sich ein Balkon befindet.
Über dem Balkon sind zwei Kartuschen im dreieckigen Giebelfeld angebracht worden, die das Wappen der Familie von Rochow abbilden. Insgesamt weist die sorgfältige Gestaltung der imposanten Hauptfassade auf ein typisches barockes Herrenhaus des 18. Jahrhunderts hin.
Der königliche Kammerherr Adolf Friedrich von Rochow erhält Schloss Stülpe per Losverfahren
Nachdem Adam Ernst II. bereits fünf Jahre nach der Vollendung seines neuen Herrenhauses im Jahr 1759 gestorben war, erbte dessen dritter Sohn, der königliche Kammerherr Adolf Friedrich von Rochow, per Losverfahren das Schloss und das Gut Stülpe. Adolf Friedrich ließ an die rückwärtige Seite des Herrenhauses, genauer gesagt an dessen vorspringenden Mittelrisalit, eine breite Terrasse anbauen, die mittels einer weiteren Freitreppe erreicht wird. Sie führt sowohl in das Barockschloss als auch in den umliegenden Park aus der Zeit Adolf Friedrichs von Rochow.
Der von ihm angelegte englische Landschaftspark ist mit seinen zahlreichen Buchen, Eichen, Fichten, Linden und Ahornbäumen noch heute in einem guten Gesamtzustand. An der gotischen Dorfkirche in Stülpe können wir das Epitaph der Familie von Adolf Friedrich von Rochow betrachten.
Im Schloss Stülpe kann romantisch geheiratet werden
In unseren Tagen ist das Schloss Stülpe in privater Hand. Für mutige Persönlichkeiten, die den Bund für das Leben schließen wollen, ist es möglich, im ehemaligen Herrenhaus der Rochows mit romantischem Ambiente zu heiraten. Im Restaurant wird für das leibliche Wohl der illustren Hochzeitsgäste gesorgt und für die anschließende Übernachtung bieten geschmackvoll eingerichtete Schlosszimmer jenen reichlichen Platz und Komfort. Eine weitere Attraktion wird eine geplante Reithalle sein, die sich allerdings noch im Aufbau befindet.
Das letzte Wort haben die Mitarbeiter des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege
Die geschulten Sachverständigen des Brandenburgischen Landessamts für Denkmalpflege geraten ins Schwärmen, wenn sie auf das Barockschloss Stülpe zu sprechen kommen. Explizit steht in ihrem Gutachten geschrieben, dass das Schloss seine barocke Form bis heute fast komplett bewahren konnte. Überdies konstatieren sie, dass die aufwendig gestaltete und detailreich geschmückte Hauptfassade des Herrenhauses Stülpe weit über das Gros der Brandenburger Herrenhäuser hinaus reicht. Glücklicherweise sind nicht nur das ansehenswerte Hauptgebäude im Original erhalten geblieben, sondern auch weite Teile der barocken Gesamtanlage haben die wechselvollen Zeiten fast unbeschadet überdauert.
Zu jenen zählen wir die Bedienstetenunterkünfte, die Ställe, Remisen und den mit botanischen Raritäten bepflanzten Schlosspark. Dementsprechend sollen am Ende des 18. Jahrhunderts in den rings um das Herrenhaus gelegenen Rochow’schen Wäldern noch über 50.000 kräftige Eichen gestanden haben.
Hinweis
Barockschloss Stülpe ∙ Schönefelder Chaussee 17 ∙ 14947 Nuthe-Urstromtal OT Stülpe ∙ Landkreis Teltow-Fläming
Kontakt über Frau Rupilius. Telefon: 0 33 7 33 – 6 09 37
Lesenswert
Preuß, Hiltrud & Carsten Preuß: Die Guts- und Herrenhäuser im Landkreis Teltow-Fläming. Berlin 2011