Nachdem wir das Herrenhaus der Familie von Rochow und das Volksschulhaus angeschaut haben, interessieren uns weitere Sehenswürdigkeiten der mittelmärkischen Gemeinde.
Wir besuchen den Schlosspark, das Erdbegräbnis der Rochows, deren altes Gutshaus sowie die Barockkirche in Reckahn. Am Ende des Tages kehren wir in der Gaststätte Zum Dachsbau ein.
Wie wir von unserem Buskompass-Autor bereits erfahren haben, diente das spätbarocke Reckahner Schloss beziehungsweise das Herrenhaus einstmals der freiherrlichen Familie von Rochow als Stammsitz. In dem renovierten Gebäude befindet sich heute ein betrachtenswertes Museum, das uns über den legendären Gutsherren und engagierten Sozialreformer Friedrich Eberhard Freiherr von Rochow eine beredete Auskunft gibt. Nach unserem ausgiebigen Rundgang durch das lehrreiche Museum wenden wir uns dem zur Bauzeit des Schlosses angelegten Garten zu, den Friedrich von Rochow nach der Mitte des 18. Jahrhunderts in einen englischen, 21 Hektar umfassenden Landschaftspark umgestaltet hat. Dafür ließ er unter anderem das Flussbett des Fließgewässers Plane, einen linken Nebenfluss der Havel, vertiefen und deren beiderseitige Ufer erhöhen. Außerdem reichte ein weiteres mit Fischteichen versehenes Grabensystem bis unmittelbar an die Außenmauern des Rochow’schen Gutshauses heran. Überdies befand sich in der unmittelbaren Nähe des hübschen Schlosses der als herrschaftlicher Lustgarten bezeichnete Obst- und Küchengarten, der ebenfalls einen ansehenswerten Zierwert bildete. Weiter südlich schloss sich ein im späten 18. Jahrhundert erstmals erwähnter Thiergarten an, über deren damals gehaltenen Tiere uns aber leider keine gesicherten Angaben vorliegen. Insgesamt wurde der mit einem ausgeklügelten Wasser- und Wegesystem versehene sowie unter kluger Einbeziehung nutzbringender Äcker und Wiesen komplementierte Naturraum als ein herrliches Ideal der schönen Gartenkunst empfunden. Darüber hinaus ist der augenfällige Reckahner Schlosspark eine der ältesten Parkanlagen im gesamten Land Brandenburg.
Die Gedächtnisurne für den Schulmeister Heinrich Julius Bruns – ein Novum unter den damaligen Denkmälern
Im Jahr 1794 ließ Friedrich von Rochow seinem engsten Mitarbeiter und Vertrauten, dem just verstorbenen Schulmeister Heinrich Julius Bruns eine klassizistische Gedächtnisurne inmitten seines englischen Landschaftsparks aufstellen. Die schlichte Inschrift lautet: H. J. Bruns. Er war ein Lehrer. Mit einiger Sicherheit dürften sich die damaligen Zeitgenossen sehr gewundert haben, weil es bis dato das einzig bekannte Denkmal in Deutschland für einen weitgehend unbekannten Volksschullehrer war.
Heinrich Julius Bruns war im Jahre 1746 im einstigen Fürstentum Halberstadt geboren worden. Als begabtes Kind aus einer weniger bemittelten Familie hatte der junge Heinrich Julius an der renommierten Halberstädter Domschule Stephaneum eine begehrte Freistelle bekommen.
Im Stephaneum lernte Bruns den zur gleichen Zeit als Domherr in Halberstadt amtierenden Friedrich von Rochow kennen, der jenem seine umfangreiche Bibliothek öffnete. In den folgenden Jahren erörterten die beiden kongenialen Persönlichkeiten eigene Pläne und Wege für die notwendig gewordenen Reformen der preußischen Landschulen. Im Jahre 1773 erhielt Bruns die frei gewordene Reckahner Lehrerstelle in dem neugebauten Schulgebäude, das bald darauf bezogen werden konnte. Unermüdlich arbeiteten der Schulmeister Bruns gemeinsam mit Friedrich von Rochow daran, ihre menschenfreundlichen Ideale rasch voranzubringen. Schon bald darauf zeigten die Generosität des Domherrn und der Enthusiasmus des neuen Lehrers sichtbare Ergebnisse. In Folge dessen konnten in den Gemeinden Reckahn, Göttin und Krahne die ersten gut strukturierten Dorfschulen in Norddeutschland ihre Klassentüren für die armen Bauernkinder öffnen. Es dauerte nicht lange, bis die von Lehrer Bruns hervorragend geführte Reckahner Volksschule als das nachahmenswerte Muster aller Landschulen galt. Nach vielen Jahren aufopferungsvoller Tätigkeit starb Heinrich Julius Bruns am 23. September 1794.
Das Erbbegräbnis der freiherrlichen Familie von Rochow im Schlosspark Reckahn
Nicht weit von der stilvollen Gedenkurne für den früh verstorbenen, erst 48-jährigen Schullehrer Bruns entfernt, befindet sich das angemessene Erbbegräbnis der freiherrlichen Familie von Rochow im Schlosspark Reckahn. Eine in den Boden eingelassene Gedenktafel erteilt uns folgende Auskunft:
den Toten zu ehren
den Ahnen zum Gedächtnis
hier ruhen
die Erben des Geschlechtes
von Rochow
aus Reckahn
stehet im Glauben
seid aufrecht – seid stark
Das von Tobias von Rochow im 17. Jahrhundert erbaute alte Herrenhaus
Nach unserem ausgedehnten Spaziergang durch den friedlichen Rochow’schen Landschaftspark steigen wir wieder in unseren Reisebus ein, um zu der unweit entfernt gelegenen Schloss- und Barockkirche in Reckahn zu gelangen.
Im Verlauf unserer kurzen Fahrt kommen wir an dem am Beginn des 17. Jahrhunderts von Tobias von Rochow erbauten alten Herrenhaus vorbei, dessen markanter Renaissance-Giebel uns noch heute beeindruckt. Der an der Wittenberger Universität graduierte Tobias von Rochow war nicht nur der Erbherr auf Reckahn, sondern auch Commissarius des Zauche’schen Kreises der Mittelmark.
Die neue Schloss- und Barockkirche aus dem 18. Jahrhundert
Schriftliche Quellen berichten uns, dass bereits in den frühen 30er Jahren des 13. Jahrhunderts eine erste aus Feldsteinen errichtete Dorfkirche in Reckahn existierte. Anschließend wurde von den Gutsherren von Rochow eine aus Holzbalken konstruierte Fachwerkkirche erbaut, die aber aufgrund ihres katastrophalen Erhaltungszustandes abgetragen werden musste. Aus diesem Grund ließ der preußische Staatsminister Friedrich Wilhelm III. von Rochow, der Vater unseres Reformpädagogen Friedrich Eberhard, in der Mitte des 18. Jahrhunderts eine neue Schloss- und Dorfkirche aufbauen, die axial auf das herrschaftliche Gutshaus hin ausgerichtet ist. Wenngleich diese Kirche in einem schlichten Barockstil ausgeführt wurde, so handelt es sich dennoch um einen qualitätsvollen Rechteckbau, der einen polygonalen Abschluss besitzt. Darüber hinaus wird der eingezogene Westturm des Gotteshauses von einer eleganten zwiebelförmigen Turmhaube bekrönt.
Schließlich können wir über dem imposanten Hauptportal der Barockkirche eine prächtige Widmung sehen, die die aristokratischen Wappen der beiden Familien von Rochow und von Görne abbildet. Friedericke Eberhardine von Görne war die Mutter des Sozialreformers Friedrich Eberhard von Rochow.
Das Interieur der Schloss- und Barockkirche
Das Innere der mit einer flachen Putzdecke versehenen Kirche ist seit ihrer Erbauung im 18. Jahrhundert bis heute fast unverändert erhalten geblieben. Neben der für die freiherrliche Familie von Rockow vorgesehenen und verglasten Patronatsloge ist der im Osten des Gotteshauses befindliche marmorne Altar ansehenswert, der aus dem Italien des frühen 18. Jahrhunderts stammt.
Letztendlich soll auf die aufwendig mit edlem Holz verkleidete Rückseite des Kirchenraums aufmerksam gemacht werden. Auf dem neben der aparten Barockkirche liegenden Friedhof befindet sich auch die einfache Grabstätte des ersten Reckahner Dorfschullehrers Heinrich Julius Bruns. Nicht nur die vollendete Kirche, sondern auch das spätbarocke Schloss mit seinem gepflegten Landschaftspark und das historische Schulhaus sind für die ankommenden Besucher geöffnet. Am Ende des Tages bietet sich eine verdiente Erholungspause in der traditionsreichen Gaststätte Zum Dachsbau in Reckahn an.
Hinweis
Schloss- und Barockkirche Reckahn ∙ Reckahner Dorfstraße 1 ∙ 14797 Kloster Lehnin OT Reckahn
Es ist möglich, die Reckahner Barockkirche nach Voranmeldung zu besuchen. Bitte melden Sie sich bei Herrn Pachali, Pfarrer im Ruhestand, 033 835 / 400 70 oder bei Frau Richter, 033 835 / 400 65. Beide Herrschaften stehen gerne für weitere Auskünfte zur Verfügung. Im Sommer ist die Kirche an Sonntagen geöffnet.
Gaststätte ∙ Restaurant Zum Dachsbau Reckahn ∙ Reckahner Dorfstraße 6 ∙ 14797 Kloster Lehnin OT Reckahn ∙ 033 835 / 400 17
Lesenswert
Dehio, Georg: Brandenburg, in: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. München / Berlin 2012