Nach der Besichtigung des imposanten Neptunbrunnens wenden wir uns der unmittelbar nebenan gelegenen Pfarrkirche Sankt Marien zu – wie die Kapelle des Heilig-Geist-Hospitals, die grandiose Ruine der Franziskanerklosterkirche und die altehrwürdige Sankt Nikolaikirche eine der noch heute gern besuchten Zeitzeugen der frühen Stadtgeschichte des mittelalterlichen Berlins.
In der Nähe des pulsierenden Alexanderplatzes und des Fernsehturms steht, von Hochhäusern aus der DDR-Zeit umringt, die gegen Ende des 13. Jahrhunderts in der damaligen Berliner Neustadt errichtete gotische Pfarrkirche Sankt Marien. Bedauerlicherweise sind uns die exakten Baudaten der in ihrem Grundriss langgestreckten Marienkirche nicht überliefert. Gesichert ist hingegen, dass nach den beiden großen Stadtbränden gegen Ende des 14. Jahrhunderts die im Stil der märkischen Backsteingotik erbaute Hallenkirche tiefgreifend umgestaltet wurde. Noch im 15. Jahrhundert erweiterten mittelalterliche Baumeister das Gotteshaus um eine dreischiffige Vorhalle. Hingegen blieb der einschiffige Chorraum unverändert, in dem sich der Hauptaltar der Kirche befindet. Außerdem ist es interessant zu erfahren, dass der ursprüngliche Bautyp der Marienkirche von den Bettelordenskirchen der Dominikaner und Franziskaner übernommen worden war. Interessierte Berlin Besucher können noch heute die imponierende, aber leider kriegszerstörte Ruine der Franziskanerklosterkirche direkt am U-Bahnhof Klosterstraße betrachten.
Nachdem der hochaufragende Turm der Marienkirche zunächst aus Bruchsteinen aufgemauert worden war, wurde er nach den verheerenden Feuersbrünsten aus Rüdersdorfer Muschelkalk erneuert. Sein zu den frühesten neogotischen Bauwerken zählender Turmhelm wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts konstruiert. Der heutige kupferne Turmaufsatz vereint eine Mischung aus neogotischen und barocken Stilelementen. Er ist das Werk des legendären Baumeisters Carl Gottfried Langhans, der mit dem auf dem Pariser Platz gelegenen Brandenburger Tor später weltberühmt werden wird. Bis zu der im Jahre 1969 erfolgten Eröffnung des benachbarten Fernsehturms muss der markante Turm der Marienkirche äußerst eminent gewesen sein. Noch immer schildern ältere Berliner, die damals Kinder waren, wie sie die Größe des neogotischen Kirchturms an der Karl-Liebknecht-Straße in ihrer frühen Jugendzeit beeindruckt hatte.
Innenausstattung der Marienkirche – die Kanzel des Bildhauers Andreas Schlüter
Bemerkenswert sind die Kanzel und ihr mit reicher Engelzier versehener Schalldeckel, der von vier korinthischen Säulen getragen wird.
Das prächtige Kunstwerk wurde in der ersten Dekade des 18. Jahrhunderts von dem genialen Bildhauer und Architekten Andreas Schlüter entworfen, der gleichermaßen die Fensterschlusssteine mit charakteristischen Masken sterbender Krieger und mit fantasievollen Prunkhelmen an den Fassaden des Berliner Zeughauses geschmückt hat. Unser Buskompass-Autor berichtete uns in seinem lesenswerten Artikel über das berühmte Waffenmagazin, das nunmehr das älteste original erhaltene Barockgebäude in der lebendigen Stadt an der Spree ist.
Reminiszenz an die Pest – der mittelalterliche Totentanz
Besondere Beachtung findet das 22 Meter lange und 2 Meter hohe Wandgemälde mit der Darstellung eines Totentanzes, der vermutlich nach der viele Menschenleben kostenden Pestepidemie am Ende des 15. Jahrhunderts entstanden war. Geistliche, Patrizier, Ständevertreter und einfache Stadtbürger bilden einen von Skeletten angeführten Reigen. Zur näheren Erläuterung des Malerfrieses sind unter den einzelnen Bildszenen erklärende Gespräche in niederdeutschen Versen angebracht worden. Der Totentanz ist eine monumentale Wiedergabe dieses im ausgehenden Mittelalter weitverbreiteten künstlerischen Themas. Beispielsweise ist an die Friedhofsmauer der Basler Predigerkirche ein vergleichbarer Totentanz gemalt worden, der auch als „Tod von Basel“ bekannt ist. Im 19. Jahrhundert wurde das beeindruckende Freskogemälde wiederentdeckt und freigelegt. Seit dem Ende der 1960er Jahre konnte die ausdrucksstarke Malerei gesichert werden. Aufgrund ihres schlechten Zustands befindet sie sich heute hinter schützenden Glasscheiben und muss kontinuierlich restauratorisch betreut werden.
Darüber hinaus können Bildtafeln, Reliefs und Epitaphe in der Marienkirche angeschaut werden, die nicht nur unsere älteste städtische Berliner Pfarrkirche ist, sondern die auch noch immer sakral genutzt wird. Neugierige Stadttouristen sollten sich diese aufregende Mischung zwischen Mittelalter und Moderne im Zentrum der Hauptstadt keinesfalls entgehen lassen.
Umgebung der Marienkirche
Unweit der pittoresken Marienkirche befindet sich an der Spandauer Straße 1–2a mit der ehemaligen Kapelle des Heilig-Geist-Spitals ein weiteres bedeutendes mittelalterliches Wahrzeichen der Spreemetropole. Die im 14. Jahrhundert erstmals erwähnte Heilig-Geist-Kapelle besitzt ein wunderschönes Sternengewölbe, das unser Buskompass-Autor in seinem kurzen Essay „Per Reisebus zur Neuruppiner Sankt Georg-Hospitalkapelle“ seinen zahlreichen Lesern näher gebracht hat.
Hinweis
Da das mittelalterliche Straßenniveau einige Meter unterhalb des heutigen Bürgersteigs liegt, führen Treppenstufen zum Hauptportal der Marienkirche hinab. Sie ist somit nicht barrierefrei begehbar.
Adresse Karl-Liebknecht-Straße 8, 10178 Berlin-Mitte
Öffnungszeiten Täglich von 10:00 bis 18:00 Uhr, im Januar bis März von 10:00 bis 16:00 Uhr. Während der Gottesdienste und Konzerte ist eine Besichtigung nur eingeschränkt oder gar nicht möglich.
Lesenswert
Badstübner, Ernst: Marienkirche Berlin. Regensburg 1995
Dehio, Georg: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler Berlin. München 2000