Leipzig ist Richard-Wagner-Stadt.
Der Ring der Nibelungen hat sogar in der Architektur seinen Widerhall gefunden.
Folgen Sie uns in die Nibelungensiedlung aus den 20er Jahren und auf die Spuren des Drachentöters Siegfried.
Siegfried, der im Zentrum der Nibelungensage steht, einem frühen deutschen Nationalepos, kämpfte gegen einen Drachen und badete in dessen Blut. Das im 13. Jahrhundert, also im Mittelalter verfasste Nibelungenlied war im frühen 20. Jahrhundert festes Kulturgut. Rund 150 Jahre nach dem von Richard Wagner verfassten Opernzyklus Ring der Nibelungen waren die Motive und Helden ungemein populär. Zur Zeit des Deutschen Kaiserreiches bis 1918 und darüber hinaus. Da wundert es nicht, dass ein Architekt, der ausgerechnet den Namen Ritter trug, den Siegfriedplatz zum Zentrum seiner Nibelungensiedlung machte.
Ein Ritter hat die Nibelungensiedlung entworfen
Doch anders als man zunächst meinen könnte, dachte Hubert Ritter (1886-1967) nicht rückwärtsgewandt, sondern ausgesprochen modern. Er fühlte sich dem Kunst- und Architekturstil der Neuen Sachlichkeit verpflichtet, dachte und arbeitete funktional. Wir denken an Bauhaus und Architekten wie Mies van der Rohe oder Walter Gropius. Tatsächlich kannten sich Gropius und Ritter. Seit 1924 als Stadtbaurat der Stadt Leipzig mit den ganz großen Entwürfen für Stadtentwicklung befasst, lud Ritter 1927 zur Leipziger Siedlungswoche ein. Hier wurde national und international über modernen Wohnungsbau und Siedlungsstrukturen diskutiert. Und bald darauf wurde auch schon gehandelt.
Modernes Wohnen zum Ende der 20er Jahre
1929/1930 entstand die Nibelungensiedlung im südöstlichen Leipziger Stadtteil Lößnig. In drei konzentrischen Kreisen wurde eine Wohnanlage aus 24 Gebäuderiegeln mit insgesamt 624 Wohnungen erbaut. Um die vorhandene Hügellage noch mehr zu betonen, wurden die äußeren beiden Ringe zweigeschossig und der innere Ring dreigeschossig errichtet. Hier wurde modernes Wohnen mit Licht, Luft und grüner Umgebung versprochen und gehalten. Das ist noch immer so. Tritt man nach Osten aus der mittels Blickachsen geöffneten Siedlung heraus, grenzt mit dem Erholungspark Lößnig-Dölitz ein großes Areal mit Wiesen, Bäumen und kleinen Seen an. Wer hier als Reisegruppe mit dem Bus anreist, findet am Eingang zum Parkgelände nicht nur eine öffentliche, barrierefrei zugängliche Toilette, sondern nach etwa 300 Metern die Gaststätte Zur Schäferei. Benannt ist sie so, weil es als Besucherattraktion ein paar Schafe gibt. Die sind allerdings zum Streicheln dort und nicht zum Essen. Ansonsten handelt es sich um eine einfache Gartenwirtschaft mit bodenständigen Gerichten und großem Freisitz. Der Parkweg, der vom Siegfriedplatz aus hierhin führt, ist die Siegfriedstraße.
Vom Nibelungenring und der Kraft des Überdauerns
Zurück zur Siedlung, die außer mit dem Nibelungenring, dem Siegfriedplatz und der Siegfriedstraße folgerichtig auch mit einer Kriemhildstraße aufwarten kann. Kriemhild ist in der Nibelungensage die Königstochter und Frau Siegfrieds. Nachdem Hagen von Tronje Siegfried heimtückisch ermordet hat, rächt Kriemhild ihren geliebten Siegfried durch Enthauptung Hagens mit einem eisernen Schwert. Auch Kriemhild überlebt nicht. Ganz anders scheint es vielen Bewohnern des Rundlings, so wird die Nibelungensiedlung auch genannt, ergangen zu sein. Es macht den Eindruck, dass sie mitunter schon sehr lange hier leben. Vielleicht gelingt es Ihnen ja, jemand auf der Straße in ein Gespräch über die alten Zeiten der Wohnanlage zu verwickeln. Über die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg, über den teilweisen Wiederaufbau in den 50er- und 60er Jahren, über den Zusammenhalt in der Wohnanlage zu DDR-Zeiten und über die Sanierungen in den Nachwendejahren. Schon 1980 wurde die Anlage glücklicherweise unter Denkmalschutz gestellt. So wurde sie nicht abgerissen, sondern konnte überdauern. Originalgetreu wiederhergestellt wurden beispielsweise die hölzernen Eckfenster, die grünen Außenjalousien und die rechtwinklig abstehenden Hausnummern.
Im Zentrum eines Kreises kommen alle zusammen
Am Siegfriedplatz pulsierte das Leben in der Wohnsiedlung, als es in dieser noch sehr kinderreich zuging. Ein großes Becken in der Mitte des Platzes war soweit man weiß nicht mit Drachenblut gefüllt, sondern mit Wasser zum Planschen und Herumtoben. Heute gibt es hier eine Gestaltung mit Rosen und Bänken. Eine Anpassung, so scheint es, an die Mehrzahl der umliegenden Bewohnerinnen und Bewohner. Die Idee eines zentralen Platzes als sozialer Mittelpunkt für Begegnungen war selbstverständlich schon mitgedacht bei der Planung in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Und schönerweise scheint sie bis heute zu funktionieren.
Das Rundlingsdorf als Vorläufer der Nibelungensiedlung
Als Rundling wurde die Wohnanlage mit der Ringform übrigens auch bezeichnet, weil sie in ihrer Architektur an die mittelalterlichen slawischen Rundlingsdörfer erinnert. In ähnlicher Weise gibt es sie bis heute im Wendland, das südlich der Elbe zwischen Hamburg, Hannover und Berlin liegt. Dort wurden die Höfe mit ihrer Front zu einem zentralen Platz ausgerichtet. Die damals im Wendland lebenden Wenden sind übrigens mit den Sorben, einer Untergruppe der Slawen verwandt. Der Name des Stadtteils Lößnig, in dem die Nibelungensiedlung gebaut wurde, bedeutet auf Slawisch Ort am Wald und wird Lesnic genannt. Da schließt sich der Kreis!
Hinweise
Nibelungenschnitzel je nach Saison mit Spargel oder Pfifferlingen bekommen Sie ebenso wie vegetarische Gerichte im Biergarten und Wirtshaus Zum Nibelungen. Parken kann der Reisebus an der Kriemhildstraße eher schlecht. Besser ist da der öffentliche Parkplatz an der Georg-Maurer-Straße. Von dort aus sind es etwa 200 Meter durch die südlich der Nibelungensiedlung gelegene Kleingartenanlage. Bei Gruppen ab 15 Personen wird um Vorreservierung gebeten. In der Wintersaison ist nur an den Wochenenden geöffnet. Laut Erfahrungsberichten ist alles inklusive der Toiletten barrierefrei zugänglich, ein offizielles Siegel gibt es allerdings nicht.
Kontakt: 01575-4123306 / Email: info@zumniebelungen.de
Sehenswert
Das Spektrum der möglichen Anknüpfungspunkte ist groß. Von einem Opernbesuch von Richard Wagners Ring der Nibelungen bis zu Tolkiens Herr der Ringe auf Großleinwand können wir ganz unterschiedliche Empfehlungen aussprechen. Letztlich ist so einiges an die Motive aus der Nibelungensage anschlussfähig. Das merkt man spätestens, wenn man selbst einmal beginnt, in die Welt von Siegfried, Kriemhild und Brunhilde einzutauchen.