Schon mal auf einem Totentanz gewesen?
Die Dresdner Dreikönigskirche überrascht mit einem 500 Jahre alten Relief.
Lassen Sie sich ein auf eine kunsthistorisch herausragende Darstellung von Vergänglichkeit und Endlichkeit.
Und wir versprechen: dank der tollen Aussicht vom Glockenturm kommt auch die Lebensfreude nicht zu kurz!
Die ganz großen Pestepidemien Europas lagen schon fast ein Dutzend Generationen zurück und doch schwangen der Tod und die Vergänglichkeit noch immer kraftvoll das Zepter über der Menschheit. Seit dem 100-jährigen Krieg zwischen Franzosen und Engländern (1337-1453) hatte das Schießpulver die Kriegsführung und das Töten verändert. Die Kindersterblichkeit war hoch. Und nachdem Christoph Kolumbus nach Amerika aufgebrochen war und Europa mit der Reconquista die Rückeroberung der christlichen Herrschaft abgeschlossen hatte (beides im Jahr 1492), begann diese auch schon wieder zu bröckeln. Nicht nur der beginnende Aufstieg der Naturwissenschaften im modernen Sinne legte bereits ganz zart seine Hand an den Machtanspruch der Kirche. Auch wenn die Zeit von Giordano Bruno (1548-1600) und Galileo Galilei (1564-1642) noch nicht gekommen war. Dennoch drohte ein innerer Zerfall der Kirche; es war die Zeit Martin Luthers (1483-1546) und der Kirchenspaltungen. Wir schreiben das Jahr 1534, in dem der Künstler und Renaissancebildhauer Christoph Walter ein Relief anfertigte, das für all dies eine Bildersprache schuf, die nun schon fast 500 Jahre überdauert hat. Eine Darstellung der Allgegenwart des Todes und zugleich ein Bekenntnis zur Unspaltbarkeit der katholischen Kirche. Das sollten wir wissen, wenn wir bei unserem heutigen Ausflug die Dreikönigskirche in der Dresdener Inneren Neustadt besuchen. Wir sind mit dem Reisebus gekommen, um in der Zeit sehr weit zurückzureisen und um ein Stück Kirchengeschichte zu begreifen. Dafür besuchen wir die Dreikönigskirche, die an dem von August dem Starken (1670-1733) gestalteten Prachtboulevard der Inneren Neustadt von Dresden liegt. In Nachbarschaft zum Museum der Dresdener Romantik an der Hauptstraße (die heute Fußgängerzone ist) steht die mehrfach abgebrannte, abgerissene und immer wieder neu aufgebaute Dreikönigskirche. Von daher müsste der ursprünglich den Drei Heiligen aus dem Morgenland gewidmete Sakralbau eigentlich Wiederauferstehungskirche heißen.
Ein Haus für den Dresdener Totentanz – die Dreikönigskirche
Der Turm der Dreikönigskirche stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und er hat das Bombardement Dresdens im Zweiten Weltkrieg halbwegs gut überstanden. Fertig saniert wurde er nach der Wiedervereinigung; somit wurde die Kirche im Jahr 1990 erneut geweiht. Das Kirchenschiff selbst brannte im Krieg völlig aus und stürzte in sich zusammen. Aber die Außenmauern blieben teilweise stehen. Folglich hat die Rekonstruktion den barocken Zustand von 1739 wieder hergestellt. Sowohl der Dresdener Barockarchitekt Matthäus Daniel Pöppelmann (1662-1736) als auch der Erbauer der Frauenkirche George Bähr (1666-1738) wirkten am Bau mit. Zu verdanken hatten sie das den Tabula Rasa Plänen von August dem Starken. Der hatte kurzerhand die erst 1688 fertiggestellte und 1730 mit einem Turm versehene Vorgängerkirche wieder abreißen lassen, weil sie die Sichtachse zwischen Albertplatz und Residenzschloss auf der Altstadtseite störte. Hier sollte der prächtige Boulevard entstehen, wie es ihn heute noch gibt. Als Kurfürst von Sachsen und König von Polen konnte er eben alleine durchsetzen, was ihm zusagte. Ein Großteil der heute geschätzten Pracht des barocken Dresdens ist ihm zu verdanken.
Der Altar Die klugen und die törichten Jungfrauen
Zur Einweihung der Dreikönigskirche im Jahr 1739 präsentierte sich auch der bis heute existierende barocke Altar aus Sandstein. Er steht von der Bombennacht vom 13. Februar 1945 deutlich versehrt und mit viel Patina als Mahnmal gegen den Krieg im heutigen Altarraum. Er trägt die Last von viel Geschichte. Doch zugleich stellt er eine Erlösungsszene dar. Er erzählt bildlich von der Überwindung des Todes und vom Einlass ins Paradies. Johann Benjamin Thomae (1682-1751) schuf das Altarbild Die klugen und die törichten Jungfrauen. Jesus steht am Eingang zum Himmelreich und verwehrt den Törichten den Zugang, die Klugen bittet er herein. In einer Zeit, in der der Ablasshandel der katholischen Kirche auf seinen Höhepunkt zusteuerte, versteht sich von selbst, wie die Gläubigen auf die Seite der Klugen und nicht auf die Seite der Törichten gezogen werden sollten. Heute würde man angesichts der Tauschvereinbarung (Geld gegen Heilsversprechen) sagen Eine Hand wäscht die Andere. Die kunsthistorische Bedeutung des Altars aus dem frühen 18. Jahrhundert steht damit natürlich nicht in Frage.
Herein zum Dresdener Totentanz!
Wir wollen aber noch einmal zurückkehren zur Geschichte des Dresdener Totentanzes, denn deswegen sind wir schließlich hier. Neben dem Fürstenzug neben dem Residenzschloss auf Altstädter Seite ist der Dresdener Totentanz die sicher bekannteste Darstellung eines Umzuges in Sachsen. Nur das der Totentanz kein freudvolles Fest ist und auch keine Ahnenreihung. Er mahnt uns Menschen, dass wir alle sterblich sind. Drei Totenskelette begleiten den Zug, der damit insgesamt aus 27 Figuren und Personen besteht. Das erste Totenskelett geleitet den Zug wie in der Sage vom Rattenfänger von Hameln der Rattenfänger die Kinder. Mit dem Unterschied, dass in der Sage zwei der Kinder wieder auftauchen. Von der letzten Reise des Menschen ist bisher noch niemand zurückgekehrt. Weder aus Klerus, Adel, Bürgertum – auch kein Bauer und keine Magd – ebenso wenig die Jungen, die Alten, die Armen und die Wohlhabenden. Und so finden sich auch all diese Charaktere im Relief aus dem 18. Jahrhundert wieder. Ganz am Schluss des Zuges treibt eine Todesdarstellung mit Sense in der Hand den Tross vor sich her und seinem unvermeidbaren Ende zu. Totentänze waren in der darstellenden Kunst dieser Zeit sehr beliebt. Der Dresdener Totentanz war zunächst oberhalb vom Georgentor am Dresdener Residenzschloss angebracht worden. Damit das Volk ihn sehen konnte! Um 1700 herum gab es einen Schlossbrand, das Georgentor wurde vor seinem Wiederaufbau abgerissen und das Relief wanderte übergangsweise zunächst auf dem Altdresdner Friedhof und später auf den Inneren Neustädter Friedhof. Nach zahlreichen Sanierungen und Einlagerungen im 20. Jahrhundert wird er seit 1990 nun an exponierter Stelle in der Dreikönigskirche präsentiert.
Vom Dresdener Totentanz hinauf ans Licht
Während der Besuch der Dreikönigskirche gänzlich barrierefrei möglich ist, so ist es der Aufstieg auf den Turm leider nicht. Sollte dieser Ihnen aber möglich sein, so ist das eine unbedingte Empfehlung von uns! Zwar grenzt es an Ablasshandel, wenn für den Aufstieg 5€ fällig werden, aber vermutlich fließen die Einnahmen in die Erhaltung der alten ehrwürdigen Kirche samt seiner in ihr ausgestellten Kostbarkeiten. Die Turmbesteigung ist Mittwoch bis Sonntag von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr möglich. Eine halbe Stunde vor Schließzeit ist der letzte Einlass. Von oben haben Sie aus stolzen 87,5 Metern einen tollen Fernblick hinüber auf die Dresdener Altstadtseite. Dort erblicken Sie die Semperoper, den Zwinger, das Residenzschloss und nicht zuletzt die Frauenkirche. Das Panorama lohnt auf jedem Fall. Bevor Ihnen die Höhe und der Ausblick allerdings zu sehr zu Kopfe steigen, wollen wir Sie zum Abschluss mit einigen Auszügen der Inschrift erden, die einst das berühmte Fries vom Dresdener Totentanz schmückte: Wenn Du kommst und wenn Du gehst – wo Du bist und wo Du stehst – denke dass Du sterben musst. […] So wird eines nach dem andern – hin zu seinem Grabe wandern. Wir wünschen Ihnen eine frohe weitere Lebensreise und noch viele spannende Ausflüge mit dem Reisebus!
Hinweise
Die Dreikönigskirche befindet sich in der Hauptstraße 23 in 01097 Dresden. Einen Busparkplatz finden Sie an der Theresienstraße etwa 300 Meter westlich vom Albertplatz
In der Inneren Neustadt in Dresden finden Sie zahlreiche gastronomische Angebote. Direkt an der Dreikönigskirche finden Sie beispielsweise die Pastamanufaktur. Reservieren können Sie unter der Rufnummer 0351-3237799
Lesenswert
Die Holzschnitte zum Thema Der Totentanz von Hans Holbein aus dem Jahr 1526 sind sicherlich die bekannteste kunsthistorische Darstellung des beliebten Genres. Dazu gibt es ein Taschenbuch im freien Handel und im Internet. Herausgegeben von BoD (Books on Demand).
Es handelt sich zwar um ein Beziehungs- und Ehedrama von August Strindberg aus dem Jahr 1900 und hat nicht wirklich mit unserem heutigen Reisebusausflug zu tun; dennoch ist der Totentanz ein sehr lesenswertes Büchlein und kostet als Reclam-Bändchen nur wenige Euros.