Unser Reisebus fährt in das östlich von Frankfurt an der Oder in der Gemeinde Świebodzin gelegene Dorf Gościkowo. Wir wollen das Zisterzienserkloster Paradies anschauen, deren märkische Mutterabtei Lehnin Buskompass-Leser bereits kennen. Es wird von der Geschichte der Neumark, von der Gründung des Klosters Paradies und von dessen Architektur berichtet.
Prolog – Geschichte Brandenburgs von Albrecht dem Bären bis zu Albrecht II. und Otto II.
In der Geschichtsschreibung gilt Albrecht der Bär als der legendäre Begründer der Mark Brandenburg. Allerdings müssten wir seinen erstgeborenen Sohn, Otto I., als ersten brandenburgischen Askanierfürsten bezeichnen. Vor allem Otto I. dirigierte die nach 1157 einsetzende Siedlungsbewegung in der Mark. Bei seinem Tod, 1184, hatte sein Machtbereich weite Regionen der Altmark, das Havelland, die Zauche und verstreut liegende Gebiete im Westen umfasst.
Seine Söhne, Otto II. und Albrecht II., konsolidierten nicht nur ihr Territorium mit Hilfe des Landesausbaus, sondern sie streckten ihre Hände auch nach dem Land Ruppin, nach dem nördlich der Zwillingsstadt Cölln-Berlin gelegenen Barnim und nach Teltow aus. Darüber hinaus gelangten die südliche Uckermark und die mittlere Oder in das Blickfeld askanischen Interesses. In diesen Gegenden gerieten die Markgrafen durch die Ansprüche konkurrierender Fürsten in die Bredouille. Beispielsweise kamen sie in der nördlichen Uckermark mit den Mecklenburgern und der Dynastie der Pommern regierenden Greifen in Konflikt. Im Osten hatten es die Brandenburger mit dem mächtigen Erzstift Magdeburg zu tun, das die Stadt Jüterbog und das Zisterzienserkloster Zinna sein Eigen nannte. Schließlich mussten sich die Märker östlich des Teltow mit schlesischen Anliegen auseinandersetzen. Da aufgrund jener aufgezählten Gegner eine askanische Expansion weder nach Norden oder nach Süden und Südosten in Betracht kam, blieben lediglich der Osten und der Nordosten für eine weitere Ausdehnung des märkischen Territoriums in Frage. In jenen Regionen traten den Askaniern slawische Kleinfürsten beziehungsweise die pommerschen Greifen als hartnäckige Widersacher entgegen. Mit dem Erwerb der umstrittenen Uckermark in der Mitte des 13. Jahrhunderts hatte der brandenburgische Arrondierungsprozess einen ersten fulminanten Etappensieg errungen.
Zisterzienserkloster Mariensee/Chorin durch Johann I. und Otto III. im Barnim gestiftet
Im Herzen des Barnims war 1258 auf dem Pehlitzwerder im Parsteiner See das zweite askanische Tochterkloster Mariensee gegründet worden, das später aus wirtschaftlichen Erwägungen nach Chorin verlegt werden wird. Kloster Chorin, das durch einen Gründungskonvent von 11 Zisterziensern und einem Abt aus der Mutterabtei Lehnin – dem Haus- und Grablegekloster der Askanier – bezogen wurde, avancierte zum Eigenkloster des johanneischen Zweigs der markgräflichen Dynastie. Dieser bedeutende Erfolg war das Verdienst der gemeinsam regierenden Söhne Markgraf Albrechts II., Johann I. und Otto III. der Fromme, die in ihrem territorialen Engagement ambitionierter und zielstrebiger als ihre Vorgänger vorgingen. Sie konnten nicht nur das Land Stargard, sondern auch die nördliche Uckermark für Brandenburg hinzugewinnen. Überdies hatten die Markgrafen im Teltow-Krieg die Meißner Wettiner verdrängt, wodurch der Kampf um den mittleren Elbe-Oder-Raum zu askanischen Gunsten entschieden war. Als das markgräfliche Brüderpaar im Jahr 1250 zudem das Lebuser Land aus schlesisch-piastischem Besitz herauslösen konnten, waren nicht nur beide Ufer der mittleren Oder brandenburgisch geworden, sondern die Markgrafen hatten auch noch eine weitere Operationsbasis für ihr ehrgeiziges Ziel auf dem Weg zur Ostsee hinzugewonnen. Von Lebus aus expandierten Johann und Otto in das zwischen Pommern und Polen umstrittene Gebiet nördlich von Warthe und Netze – in die Nova Marchia, die Neumark. Damit hatten die markgräflichen Brüder den steilen Gipfel der askanisch-brandenburgischen Machtentfaltung erklommen.
Zisterzienserkloster Paradies/Paradyż in der Neumark – erste Filiation seiner Mutterabtei Lehnin
Wir gehen davon aus, dass die Berufung eines Lehniner Tochterkonvents in die Mark über Oder – wofür die Bezeichnung Neumark geläufig wurde – zu einem Zeitpunkt erfolgte, als es den Askaniern um 1230 gelungen war, den Barnim bis zur Oder und den Teltow bis zur Dahme für sich zu gewinnen. Dieses politische Zeichen war auch ein machtvoller Fingerzeig an die östlich der Oder lebenden Nachbarn. Ferner sind wir sicher, dass die Zisterze Paradies einen partiellen Grenzschutz gegen die Pommern übernehmen sollte. Die politischen Ambitionen der Markgrafen sollte der polnische Graf und Woiwode Bronisz (Bronisius) helfen durchzusetzen. Bronisz hatte im Sumpfgebiet der Packlitz, im westlichen Grenzgebiet Großpolens, um 1236 das Kloster Paradies gestiftet. Dafür überließ er den Weißen Mönchen sein Stammgut, das Dorf Gościkowo/Gostichowo, zusammen mit benachbarten Ansiedlungen. Weil die politischen Verhältnisse in der Region überraschend wechselten, wurden die neue Gründung durch den großpolnischen Fürsten und den Posener Bischof bestätigt. Zusätzlich bezeugte den Rechtsvorgang der schlesische Fürst Brodaty. Zu guter Letzt erfolgte 1247 die päpstliche Bestätigung durch Innozenz IV. Weitere Zisterzienserklöster werden in der durch Gewässer, Seen, Moore und Wälder charakterisierten Region von Warthe und Netze gegründet. An dieser Stelle sei die Zisterze Priement/ Przemęt genannt, die aber das einzige Filia-Kloster seiner Mutterabtei Paradies bleiben wird.
Wirtschaftliche Intentionen des Stifters Graf Bronisz
Neben der politischen Intention des Stifters Graf Bronisz sollte es mit Hilfe der Weißen Mönche gelingen, deutsche Landwirtschaftsmethoden in das Land an der Packlitz zu holen. In diesem Zusammenhang wurde Paradies 1236 von sämtlichen Abgaben, Zöllen und vom polnischen Recht befreit. Knapp 10 Jahre später bekamen jene Privilegien auch alle Ansiedler zugesprochen, die sich auf den Klostergütern niedergelassen hatten. Noch einmal eine gute Dekade danach verlieh Herzog Premislaus der Zisterze sogar das Recht, in seinem Gebiet ganze Dörfer mit deutschem Recht anzusiedeln.
Der Lehniner Gründungskonvent zieht in die provisorischen Gebäude ihres Klosters ein
Nachdem die ersten provisorischen Klostergebäude in der Talniederung der Packlitz errichtet worden waren, zog am 11. November 1236 der Lehniner Gründungskonvent ein. De facto fanden die Weißen Mönche am gräflichen Herrensitz der Bronisz das slawische Dorf Gościkowo vor, das an der Chaussee nach Schwiebus liegt. Dazu gehörte eine dem heiligen Martin geweihte hölzerne Kapelle. Weil der Lehniner Konvent sein eigenes Domizil der Muttergottes weihte, entwickelte sich aus der Bezeichnung im Paradiese der heiligen Jungfrau Maria und des heiligen Martin der Name Paradies. Künftig blieb die Neubesetzung der Äbte des Klosters bis in das 16. Jahrhundert hinein mit deutschen Geistlichen Usus. Erst danach leiteten bis zur Aufhebung des Zisterze im Jahr 1834 polnische Äbte das Kloster Paradies. Da ein Teil des umfangreichen Klosterbesitzes in der Folge der zweiten Teilung Polens, 1793, auf preußischem Territorium lag, beanspruchte Preußen auch eine zukünftige Mitsprache bei den Abtswahlen.
Architektur der Klosterkirche Maria Himmelfahrt des Zisterzienserklosters Paradies
Von dem ursprünglichen frühgotischen Ziegelbau der Klosterkirche Maria Himmelfahrt – einer dreischiffigen Basilika – ist lediglich ihr Langhaus erhalten geblieben. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts war die Kirche Maria Himmelfahrt durch den Posener Weihbischof konsekriert worden.
Die heutige Architektonik des Gotteshauses mit ihren beiden imposanten Westtürmen geht auf eine tiefgreifende Barockisierung in der Mitte des 18. Jahrhunderts zurück. Zu den herausragenden Schmuckstücken des Interieurs zählt der prächtige Hochaltar aus dem Jahr 1739. An der Südseite der Klosterkirche wird der Kreuzgang von zweistöckigen Seminargebäuden umschlossen.
Das einstige Zisterzienserkloster Paradies im 20. und 21. Jahrhundert
Bis 1926 diente die einstige Zisterze Paradies als katholisches Lehrerseminar. Nach dem II. Weltkrieg fanden die Salezianer in den früheren Klostergebäuden eine Aufnahme, die dort ein Waisenhaus unterhielten. Seit dem Jahr 1952 ist ein katholisches Priesterseminar in den Räumen untergebracht, das seine Lehrtätigkeit mit 180 Alumnen begann.
Hinweis
Klasztor Paradyż ∙ Gościkowo 3 ∙ 66-200 Świebodzin. Kloster Paradies liegt im Dorf Gościkowo/Gostichowo in der Gemeinde Świebodzin, Schwiebus, im Land Lebus, cirka 75 Kilometer östlich von Frankfurt an der Oder.
Besichtigungszeiten
Wochentags: 9-17 Uhr, Pause von 12-13 Uhr · Sonn- & Feiertags: 9-10, 13-15.30, 16.30-17 Uhr
25. September – 23. Juni: nur dienstags bis 12 Uhr
24. Juni – 15. September: 9.30-20 Uhr, Pausen von 12-13 Uhr und 18-19 Uhr
Sowohl die Kirche Maria Himmelfahrt, das Museum als auch der Klostergarten sind zu Besichtigungen freigegeben. Die Führung übernimmt dabei ein Alumne des Seminars.
Lesenswert
Warnatsch, Stephan: Lehnin und seine Filiation Paradies, in: Geschichte des Klosters Lehnin, 1180-1542, (= Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser · Band 12,1), Berlin 2000