Italien in Dresden. Ein römischer Brunnen, ein Palais mit klingendem Namen. Folgen Sie uns zu einer Tour rund um das Friedrichstädter Krankenhaus.
Wir begegnen den Grafen Brühl und Marcolini.
Wir schlendern über alte Friedhöfe und erfreuen uns an der Architektur des Dresdener Barock!
So wie der Tiber nach Rom und der Nil hinter Kairo ins selbe Meer fließen, so ergießen sich auch die Wasserströme aus den Amphoren zu beiden Seiten des mächtigen Neptunbrunnens ins selbe Sammelbecken. Von dort werden sie wie von einem Meeresungeheuer aufgesaugt, um im Inneren des 1744 errichteten Brunnens wieder empor gepumpt zu werden. Dann sprudelt uns das kühle Nass schon wieder entgegen, aus den Mäulern von Drachen und Delfinen. Poseidon (so der griechische Name des römischen Gottes Neptun) und Aphrodite (bei den Römern Venus) werden von Wasser umtost. Jedenfalls von Frühling bis Herbst an Wochentagen von 11.30 Uhr bis 13.30 Uhr und von 16.00 Uhr bis 18.00 Uhr. An Samstagen, Sonntagen und Feiertagen gibt es einen Zuschlag, der Brunnen sprudelt von 10.30 Uhr bis 12.30 Uhr und von 15.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Daran sieht man schon, dass inzwischen ein anderer Takt schlägt als im 18. Jahrhundert. Der Neptunbrunnen wurde damals nach Plänen von Zacharias Longuelune entworfen und von Lorenzo Mattielli erbaut. Die festgelegten und von Übersicht und Planung zeugenden Zeitfenster für die Wasserspiele sind keine wundersame Begebenheit, sondern Ausdruck des Wandels. Schließlich hat sich auch das angrenzende Gebäude, zu dessen Besichtigung wir heute angereist sind, vom Palais Brühl-Marcolini zum anerkannten Krankenhaus Friedrichstadt weiterentwickelt.
Der Neptunbrunnen – Symbol für die Hochwasser in Dresden
Doch der Reihe nach. Der Reisebus hat uns ins westliche Dresden südlich der Elbe gebracht. Der Fluss durchschneidet die Stadt und verhilft dem Element Wasser zu seinem Recht. Haben wir erst einmal einen Parkplatz in der Nähe des Krankenhaus Friedrichstadt gefunden, beispielsweise am Koreanischen Platz, wo sich Schäferstraße und Weißeritzstraße schneiden, dann können wir uns aufmachen, die Gegend zu erkunden. Vor über 800 Jahren war das vermutlich übersichtlicher; zu dem Zeitpunkt wurde ebenso wie Dresden das Dorf Oztrov (bzw. Ostra) erstmalig erwähnt. Im Altsorbischen bedeutet es Flussinsel und verdeutlicht damit sehr schön die elbnahe, aber doch weitestgehend hochwassersichere Lage. Vor einem Jahrhunderthochwasser wie im Jahr 1845 oder 2003 schützte das aber auch nicht. Damals stand das Krankenhaus Friedrichstadt wie halb Dresden unter Wasser. Die Fluten des Poseidon hatten die sächsische Landeshauptstadt verschlungen und es bedurfte unglaublich viel Mühe, Geduld und Geld, die großen Schäden in der ganzen Stadt zu beheben.
Das Palais Brühl-Marcolini
Im Jahr 1730 wurde die damalige Vorstadt Ostra zu Ehren des Kurfürsten Friedrich August II. in Friedrichstadt umbenannt. Ein Jahrhundert später im Jahr 1835 wurde Friedrichstadt ganz der Stadt Dresden zugeschlagen. Die Geschichte des Palais Brühl-Marcolini beginnt allerdings schon im frühen 18. Jahrhundert. 1727 wurde es als Gartenpalais errichtet, aber richtig spannend wurde es erst, als es 1736 an den Grafen Heinrich von Brühl (1700-1763) verkauft wurde. Der als Lebemann für seine Extravaganz und Verschwendungssucht verrufene Brühl war im Dienste des sächsischen Staates tätig und von 1746 bis 1751 sogar Premierminister. Dank seiner Kontakte, Finanzkraft und Macht war es ihm möglich, durch seine Auftragsvergaben nachhaltig auf die Baukultur des Dresdener Barock einzuwirken. Mit den Brühlschen Terrassen in der Dresdener Altstadt schuf er sich ein ihn überdauerndes Architekturdenkmal. Er beauftragte Johann Christoph Knöffel mit dem Bau von Seitenflügeln und einem Ehrenhof am Palais. Knöffel sollte später auch die weltberühmten Terrassen am Elbufer und das Schloss Wackerbarth gestalten.
Vom Palais Brühl-Marcolini zum Krankenhaus Friedrichstadt
Das Palais wechselte den Besitzer, der ebenfalls namengebende Graf Marcolini (1739-1814), Generaldirektor der Künste und sächsischer Minister, wurde neuer Eigentümer. Eine schöne und wahre Anekdote berichtet davon, dass der Graf den sächsischen König Friedrich August (1750-1827) nach der Völkerschlacht bei Leipzig im Jahr 1813 bei seinem Fluchtversuch begleitete. Da Sachsen an der Seite Napoleons gekämpft hatte, folgte aus dem Wiener Vertrag von 1815, dass große Gebiete des Königreichs Sachsen an die Preußen abgegeben werden mussten. Napoleon traf im Palais Brühl-Marcolini im Zuge von Verhandlungen 1813 auf Fürst Metternich. Dieser ist denjenigen von uns, die im Geschichtsunterricht nicht sonderlich aufgepasst haben, in erster Linie als Sekt ein Begriff. Darüber hinaus war er beim Wiener Kongress an der Neuordnung Europas nach den gescheiterten Feldzügen Napoleons beteiligt. Das 19. Jahrhundert marschierte weiter voran und im Jahr 1845 wurde das Palais Brühl-Marcolini erstmalig zum Krankenhaus. Der Rat der Stadt Dresden kaufte das schlossähnliche Anwesen und richtete über 50 Krankenzimmer ein.
Von Richard Wagner, Carl Maria von Weber und alten katholischen Friedhöfen
Wo ein Krankenhaus steht, sind Friedhöfe nicht weit spricht der Volksmund. So ist es auch hier in der Dresdener Friedrichstadt. An das ehemalige Palais Brühl-Marcolini grenzen gleich zwei von ihnen. Der Alte Katholische Friedhof und der Matthäusfriedhof mit seiner gleichnamigen protestantischen Pfarrkirche. Niemand anderes als der Dresdener Architekt und Baumeister Matthäus Daniel Pöppelmann ruht seit 1736 in der Familiengruft unter der Kirche. Das ist nur fair, schließlich stammen die Baupläne zur Kirche ebenfalls von ihm. Allerdings musste die Matthäuskirche nach schweren Zerstörungen durch die Bombennächte auf Dresden im Jahr 1945 nach Kriegsende wieder aufgebaut werden. Fast noch beeindruckender ist aber die Entstehungsgeschichte des über 10.000 qm großen Katholischen Friedhofes an der Friedrichstraße. Er liegt direkt gegenüber des prächtigen Haupteingangs des heutigen Krankenhauses. Im 17. Jahrhundert waren katholische Friedhöfe im protestantischen Dresden verboten, heute zählt der Alte Katholische Friedhof zu den Kulturdenkmälern der Dresdener Friedrichstadt. August der Starke (1670-1733) sorgte dafür, dass 1720 der Alte Katholische Friedhof angelegt wurde. Der entscheidende Grund war, dass Friedrich August der II. 1719 eine streng katholische, österreichische Erzherzogin geheiratet hatte. Außerdem war August der Starke als König des sehr katholischen Polens aufgeschlossen gegenüber einer gewissen Flexibilität beim Thema Religion. Er selbst konvertierte 1697 zum Katholizismus. Verantwortlich für die Protestanten in Sachsen und die Katholiken in Polen war er sozusagen ein Vorläufer der Ökumene, ohne dass man dies damals natürlich überhaupt schon auch nur angedacht hätte. Im Jahr 1835, also 10 Jahre vor dem Beginn des Krankenhausbetriebes, waren Wohnungen im Palais eingerichtet worden. In einer dieser vornehmen Unterkünfte lebte seit 1842 der in Dresden als Hofkapellmeister angestellte Richard Wagner. Von 1847 bis zu seiner Flucht 1849 im Zuge des Dresdener Maiaufstandes arbeitete und nächtigte er hier. Er muss also das damalige Jahrhunderthochwasser von 1845 hautnah miterlebt haben. Viel entscheidender ist allerdings, dass auf sein Mitwirken hin sein Vorgänger als Hofkapellmeister, Carl Maria von Weber (1786-1826) aus dessen Grab in London nach Dresden überführt wurde. Gottfried Semper (1803-1879), Architekt der Semperoper, hat das Dresdener Grab entworfen. Damit ist Carl Maria von Weber nur einer von zahlreichen Persönlichkeiten, die auf dem Alten Katholischen Friedhof beigesetzt wurden. Künstler, Komponisten und Schriftsteller ruhen hier. Der Barockbildhauer Balthasar Permoser (1651-1732), Erschaffer des Nymphenbades im Dresdener Zwinger, liegt in einer von ihm selbst entworfenen Grabanlage. Der Philosoph Friedrich Schlegel ist hier ebenso vertreten wie Zacharias Longuelune oder der Bruder des berühmtesten Liebhabers der Welt, Giacomo Casanova.
Hinweise
- Adresse des Neptunbrunnens: Wachsbleichstraße 41, 01067 Dresden
- Das Gelände ist barrierefrei zugänglich, was unter anderem daran liegt, dass die Umgebung flach ist und es sich beim ehemaligen Palais Brühl-Marcolini um ein Krankenhaus handelt; entsprechend finden sich auch Toiletten und ein überraschend sympathisches Café direkt am Neptunbrunnen: Friedrichstraße 41 (Haus N) Telefon 0351-48186558 / Öffnungszeiten: Mo-Sa 6.00 Uhr bis 18.00 Uhr, So 6.00 Uhr bis 17.00 Uhr
Hörenswert
Bei einem Rundgang vielleicht einmal zum digitalen Tonabspielgerät oder Handy greifen; Carl Maria von Weber und Richard Wagner würden sich anbieten.