Wir wandeln auf den Spuren der ersten preußischen Porzellanmanufaktur, deren Werkstätten im havelländischen Schloss Plaue untergebracht worden sein sollen. Unser Autor berichtet von der Gründung jener Porcellain Fabrique durch Staatsminister Görne und von ihrer Konkurrenz zur Meißener Manufaktur. Es wird an eine Exposition von Plauer Porzellan erinnert, die in Brandenburg gezeigt wurde.
Älteste Quellen über die havelländische Porcellain Fabrique
Unsere älteste bekannte Quelle über die havelländische Porcellain Fabrique ist das von dem evangelischen Pfarrer Lösecke handschriftlich verfasste Urbarium des Amtes und Städtlein Plaue, das den langen Zeitraum von 1560 bis 1750 umfasst. Auf diese Primärquelle stützte sich ein im Jahr 1811 erschienenes Traktat mit dem Namen Sybels Nachrichten von dem Städtchen Plaue an der Havel, in dem der sachkundige Autor auch über die vor Ort befindliche Porzellanmanufaktur berichtete. Zu den weiteren dokumentarischen Fundstücken zählen zwei unabhängig voneinander publizierte Aufsätze. Dabei handelt es sich um eine von einem gewissen Stieda abgefasste Niederschrift Zur Geschichte der Porzellanfabrikation in der Mark Brandenburg. Zum anderen soll an die von Seidlitz aufgeschriebene Abhandlung Über die frühesten Nachahmungen des Meißner Porzellans erinnert sein. Wenngleich beide Dossiers einen tieferen Einblick in die Historie der ersten Porzellanfabrik in Plaue an der Havel bieten, so wurde bemängelt, dass deren nachlässige Verfasser nicht die gesamten Informationsquellen genutzt hätten.
Friedrich von Görne eröffnet die erste preußische Porcellain Fabrique –
Stationen der Ämterlaufbahn des Geheimen Rats und Staatsministers
Leider ist heutzutage kaum bekannt, dass 1713 der preußische Minister Friedrich von Görne im havelländischen Plaue die erste Porcellain Fabrique gegründet hatte, die eine Zeit lang der nur drei Jahre älteren und weltberühmten Porzellanmanufaktur im sächsischen Meißen ernsthafte Konkurrenz machen konnte. Zudem war die Plauer Fabrique auch der kleinere Vorläufer der von Friedrich dem Großen im Jahr 1763 ins Leben gerufenen Königlichen Porzellan-Manufaktur, der KPM, in Berlin. Die im schönen Havelland errichtete Porzellanfabrik ist sehr eng mit dem im Jahr 1670 auf Schloss Plaue geborenen Hans Friedrich Christoph von Görne verbunden. Der vom Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. hoch geschätzte Staatsdiener wurde zum Geheimen Rat und allmächtigen Minister ernannt. Als vertrauter und kompetenter Mentor des Soldatenkönigs in der komplexen Administration des preußischen Staats entwickelte Minister Görne sowohl in der Berliner Regierungszentrale als auch auf seinen ausgedehnten Inspektionsreisen eine nimmermüde Tatkraft in den beiden Ressorts der Wirtschafts- und der Innenpolitik. Beispielsweise wurde ihm ebenfalls der anstehende Bau des Plauer Kanals übertragen.
Schneller Aufstieg der Porcellain Fabrique
Friedrich von Görne war nach dem desaströsen Dreißigjährigen Krieg redlich bemüht, den unterstützungsbedürftigen Plauer Bewohnern tatkräftig unter die Arme zu greifen. Weil eine von ihm aufgebaute Wollmanufaktur seinen hohen Erwartungen keineswegs entsprach, hatte er die Idee, eine erfolgversprechendere Porzellanfabrik zu gründen. Ein Görne nahestehender Mitarbeiter soll in der an der Saale gelegenen Händelstadt Halle in nähere Tuchfühlung mit einem gewissen Kempe gekommen sein. Es wird gemutmaßt, dass Meister Kempe in der Böttger’schen Porzellanmanufaktur im sächsischen Meissen beschäftigt gewesen war. Görne trat daraufhin mit Kempe in engeren Kontakt. Kurzerhand schlug der preußische Minister dem dubiosen Sachsen vor, seine handwerklichen Fertigkeiten an einem rot gefärbten und feuerfesten Ton auszuprobieren, der unweit des brandenburgischen Plaue gefunden wurde. Ohne lange zu zögern, ging Gevatter Kempe auf den lukrativen Antrag ein. Allerdings mussten Görne und dessen Mitarbeiter am mühevollen Anfang der Plauer Produktionsversuche noch mit einem schlichten Porzellan vorlieb nehmen, das keinen reinen weißen, sondern einen rötlich-braunen Farbton aufwies. Andererseits stellte sich die konsistente Qualität jenes Porzellans als hervorragend heraus.
Nachdem anno 1713 der versierte Kunstmaler Bennewitz angeworben worden war sowie zwei Jahre später noch der routinierte Kunsthandwerker Mehlhorn hinzu gewonnen werden konnte, war es möglich geworden, weißes Porzellan zu produzieren. Recht bald wurden hochwertige Tafelaufsätze, Teeservices, Zuckerdosen, Etageren, Krüge und Geschirr fabriziert, die für gewöhnlich aus den calvinistischen Niederlanden und dem fernen Ostindien kamen. Zeitnah wurden die herrschaftlichen Räume des Plauer Schlosses mit qualitätsvollem Porzellan ausgestattet. Auch den Eingangshof, den cour d’entree, sowie den Barockgarten zierten prächtige Vasen und Blumengefäße.
Ebenso stellten sich aus der unmittelbaren Nachbarschaft gutbetuchte Käufer ein. Da der einflussreiche Staatsminister Görne zu den tonangebenden Persönlichkeiten des Havellandes gehörte, wollten sie jenem bei den erstrebenswerten Accessoires für ihre mondänen Bürgerhäuser in nichts nachstehen. Gleichermaßen gab es bei dem zügigen Absatz der Waren keinerlei Schwierigkeiten. Neben einer Hauptfiliale in der preußischen Residenz Berlin konnten zahlreiche Niederlassungen in vielen deutschen Städten eröffnet werden. Darüber hinaus bezog das nahe Ausland beträchtliche Mengen an Plauer Porzellan. Kunden, die sich dazu entschlossen hatten, havelländisches Geschirr im Wert von 100 Talern zu erwerben, konnten mit einem Rabatt von 10 Talern rechnen. Bei einer jährlichen Abnahme von Porzellanwaren in der Größenordnung von 1.000 Talern bekam der liquide Käufer außer den obligatorischen 10 Prozent noch eine zusätzliche Prämie von weiteren 50 Talern hinzu.
Theodor Fontane berichtet über den gemeinsamen Besuch Friedrich Wilhelms I. und des russischen Zaren Peter des Großen in Plaue
Unser märkischer Chronist Theodor Fontane berichtete in seinem weniger populären Nachtragsband Fünf Schlösser, dass sich der exzellente Ruf der Plauer Porzellanmanufaktur bis in die entlegensten Winkel Westeuropas ausgebreitet hatte. Kein geringerer als der sagenumwobene Zar Peter der Große absolvierte in den Jahren 1716/17 seine zweite Reise, die sogenannte Große Gesandtschaft, durch Westeuropa. In dessen Verlauf soll er in der Begleitung des preußischen Monarchen Friedrich Wilhelm I. auch nach Plaue gekommen sein. Nachdem der legendäre Soldatenkönig seinem illustren Moskowiter Gast sein geliebtes Grenadier Garde Bataillon, die Langen Kerls, in Potsdam gezeigt hatte, übernachteten die beiden Regenten in dem havelländischen Schloss. Am anderen Tag bestellte der allseits interessierte Zar aller Reußen nach der erfolgten Besichtigung der Porcellain Fabrique ein komplettes Tafelservice, das das vergoldete Wappen mit dem doppelköpfigen Adler des russischen Souveräns abbildete.
Wenngleich die ersten großartigen Erfolge in Plaue natürlich auch von der preußischen Regierung in Berlin freudig begrüßt wurden, schlugen im sächsischen Meißen sämtliche Alarmglocken. Mit großem Schrecken sorgten sich die irritierten Direktoren der bekannten Meißener Manufaktur um die weitere Rentabilität ihrer bislang florierenden Porzellanfabrik. Nach Fontanes eigenen Aussagen sollen sogar Unterhandlungen aufgenommen worden sein, um die prosperierende brandenburgische Manufaktur zu ihrer sofortigen Schließung zu bewegen. Wie die unberechenbaren Wechselfälle des Schicksals nun einmal sind, kam die dringende Hilfe für die verunsicherten Sachsen allerdings von einer gänzlich anderen Seite her. Nachdem Friedrich Wilhelm I. seinen erfolgreichen Beamten von Görne zum Geheimen Etatsrat befördert hatte, musste letzterer bald eine hohe Verwaltungsstelle im fernen Ostpreußen antreten. Unglücklicherweise sah sich der neue Etatsrat von jener entlegenen Provinz aus nicht mehr in der Lage, sämtliche detaillierten Abläufe in der Plauer Porcellain Fabrique persönlich zu kontrollieren. Schnell stellte sich eine wachsende Misswirtschaft ein, die auch bei der eilig herbeigerufenen Rückkehr des ostpreußischen Ministers nur noch eine bedauernswerte Liquidierung der gesamten Manufaktur zur traurigen Folge hatte.
Es soll darauf hingewiesen sein, dass Theodor Fontane ein begnadeter Romancier gewesen war, hingegen kein fundierter Historiker. Folglich sind mitunter einzelne seiner farbenfrohen Anekdoten nicht immer in den zeitgenössischen Quellen zweifelsfrei belegbar, so dass auch bei ihm Goethe’sche Dichtung und Wahrheit ineinander fließen dürften.
Eine Exposition im Frey-Haus und die neuste Publikation über das Plauer Porzellan
Seit 2005 wurde in dem vom brandenburgischen Stadtmuseum genutzten Frey-Haus aus dem 18. Jahrhundert die kulturhistorisch bedeutsame Exposition Keramik aus Plaue an der Havel – Zur Geschichte der ersten preußischen Porcellain Fabrique 1713-1730 dem interessierten Publikum vorgestellt. Dabei handelte es sich um 30 rare und kostbare Stücke aus der über 300 Jahre alten havelländischen Porzellanmanufaktur.
Weil die im barocken Frey-Haus präsentierten Plauer Exponate noch niemals zusammen ausgestellt worden waren, kann die gesamte Veranstaltung als einmalig bezeichnet werden. Außerdem bot die vielversprechende Sonderausstellung eine hervorragende Gelegenheit, sämtliche gezeigten Porzellanobjekte in einem eigens dazu herausgegebenen Katalog näher zu dokumentieren. Dankenswerterweise stellten die großzügigen Verleiher des Plauer Porzellans aus den angesehensten, das gesamte Bundesgebiet umfassenden Museen die schönsten Fotografien der vorgezeigten Stücke für die kostengünstige Herausgabe des überzeugenden Ausstellungskatalogs zur Verfügung. Verständlicherweise hatten auch die diversen Kuratoren der geschätzten Kunstkammern ein immenses Interesse daran, dass die im Frey-Haus gemeinsam gezeigten Exponate in einem angemessenen Bildband illustriert wurden. Folglich dürfte die gelungene und in der aparten Reihe Brandenburger Museumshefte erschienene Ausstellungsbroschüre ein bleibendes Bulletin sowie ein originelles und ideales Präsentationsheft für porzellanaffine Leser sein.
Hinweis
Schloss Plaue ∙ Schlossstraße 27a· 14774 Brandenburg an der Havel OT Plaue
Kontakt: 0 33 81 – 306 23 62
Lesenswert
Klein, Thomas: Görne, Hans Friedrich Christoph von, in: Neue Deutsche Biographie, NDB. Berlin 1964, Band 6
Stadt Brandenburg an der Havel, (Hrsg.): Keramik aus Plaue an der Havel. Zur Geschichte der ersten preußischen Porcellain Fabrique, 1713-1730. Katalog zur Ausstellung 2005, in: Brandenburger Museumshefte 5. Brandenburg an der Havel, 2005